Ein Drittel des Erfolges oder Misserfolges einer Mannschaft bei der Fußball-WM, so sagt man, ist dem Trainer zuzuschreiben. Das ist natürlich eine Zahl, die keine wissenschaftliche Studie überprüfen kann. Auch ein spannendes Thema, dass es Behauptungen über die alltägliche Wirklichkeit gibt, die man nicht empirisch überprüfen kann. Sicher gibt es keinen Zweifel daran, dass Trainer Einfluss auf den Erfolg einer Mannschaft haben, aber wie wollte man ihn messen?

Erstaunlich ist überhaupt, dass dem Mann, der da wild gestikulierend und schreiend am Spielfeldrand steht, so einen Einfluss beimisst, heißt doch ein beliebtes Fußballerzitat: „Wichtig is aufm Platz”. Und aufm Platz gibt’s keinen Trainer, wenn die Mannschaft aufm Platz ist, dann hat der Trainer seinen Teil schon getan.

Ich habe wahrscheinlich kaum eine über Klischees hinausgehende Vorstellung von dem, was dieser Teil genau ist, diese Vorstellungen habe ich aus der 4 Jahre alten Sönke-Wortmann-Dokumentation „Deutschland – Ein Sommermärchen” die ich jedem, der Menschen in einer Gruppe zum erfolg bringen will, nur empfehlen kann.

Das Wichtigste ist vielleicht tatsächlich, dass ein Trainer zwei Dutzend Individuen zu einem einzigen Individuum, zu einem „Wir” machen muss, ohne dass jeder Einzelne sein „Ich” und das „Du” dabei vergisst. Wenn ich die deutsche Mannschaft aufm Platz sehe, scheint Joachim Löw das gelungen zu sein, und allein dafür lohnt es sich, Fußball zu gucken.

Kommentare (9)

  1. #1 Anhaltiner
    Juli 1, 2010

    …aber wie wollte man ihn messen?

    Dazu braucht man eine Meßgröße. Bei einer WM mit 64 Spielen vielleicht schwierig. Aber wenn man sich z.B. die 1. und 2. BL anschaut bei der jede Paarung zweimal stattfindet kann man bestimmt ein par mögliche Meßgrößen ausmachen: Punkte, erzielte Tore, Gegentore, Tordifferenz (vielleicht auch Zuschauerzahl und Fanartikelumsatz). wenn man sich die Mannschaften anschaut die ihren Trainer genau zur Winterpause entlassen und der Neue bis zum Saisonende bleibt kann man den Einfluß des Trainers messen: in dem man Hin und Rückrunde vergleicht. Bei genügend vielen Mannschaften sollten externe Einflüße gering sein (Mit unserem schlechten Trainer haben wir den verletzungsgeplagten Bayern in München ein Unentschieden abgerungen, unser neuer Supertrainer hat zu Hause dann aber 0:3 Klatsche eingefahren, z.B.) Man darf hoffentlich annehmen das ein entlassener Trainer schlechter ist als sein Nachfolger.

  2. #2 Jörg
    Juli 2, 2010

    Ich selbst bin seit 7 Jahren Jugendtrainer im Basketball tätig. Meiner Meinung nach kann ein Trainer gerade im Jugendbereich mehr kaputt machen als verbessern. Angenommen eine Person fängt im Alter von 8-10 Jahren an Basketball zu spielen und muss sich erst alle koordinativen Fähigkeiten, etc. aneignen, festigen und perfektionieren, und das über alle Jugendmannschaften hinweg, in der Regel mit unterschiedlichen Trainern, bis man, vielleicht im Alter von 16-18, anfangen kann die ersten komplexeren Taktiken zu vermitteln, usw. usf., bis man im Seniorenbereich einen “komplett ausgebildeten Spieler”™ hat, den ein Trainer dann eher moderieren muss. Bis es soweit kommen kann muss die Kette von Anfang bis Ende stimmig sein, und da ich Spieler idR nur 2 Jahre betreue (mein Maximum war mal 4 Jahre am Stück, dann war ich an einem Punkt an dem ich das Gefühl hatte nichts mehr vermitteln zu können.) werde ich Spieler nicht signifikant verbessern können. Aber durch das vermitteln der falschen Inhalte, oder der richtigen zum falschen Zeitpunkt (Taktiken bei unter 12jährigen, die die Grundlagen dafür noch nicht beherrschen, und JA, das kommt tatsächlich vor), kann ich diese Kette unterbrechen, der nächste Trainer darf dann erstmal all die Defizite nachholen und nicht das vermitteln was eigentlich angemessen für diese Altersstufe ist. Und es ist denke ich offensichtlich dass im Spiel nur das angewendet werden kann was im Training geübt wurde. Der Einfachheit halber habe ich hier mal Früh- und Spätentwickler und (Anti-)Talente ausgelassen.

    Somit kann ich “„Wichtig is aufm Platz”. Und aufm Platz gibt’s keinen Trainer, wenn die Mannschaft aufm Platz ist, dann hat der Trainer seinen Teil schon getan.” größtenteils zustimmen, aber sind es sicher auch viele Details zum Spiel die einen Unterschied machen können. Gerade bei der Aufstellung ist man mit nur 3(?) Auswechslungen wenig flexibel. Beim Basketball habe ich nur 5 Leute auf dem Feld und kann wechseln soviel ich will, eine schlechte Startaufstellung fällt da kaum ins Gewicht.

    Eine berühmte Regel für Trainer ist die 80/20 Regel. Mit eher geringem Zeitaufwand (20%) kann ich vermutlich viel beibringen (80%). Am Stammtisch heisst das “Früh übt sich”. Je älter die Spieler werden, um so mehr dreht sich das auf 20/80. Der 30jährige Bundesligaprofi mit 10 Jahren Championsleagueerfahrung kann wahrscheinlich immer noch was lernen, nur nicht so schnell, und auf dem Niveau wird auch eine Verbesserung nicht so offensichtlich sein wie bei einem 10jährigen der gerade richtig passen lernt. Wissenschaftliche Studien habe ich hierfür nicht, sind lediglich Erfahrungswerte.

    Andererseits kann auch eine kleine Verbesserung den großen Unterschied machen. Wenn der Stürmer die 100m ne halbe Sekunde schneller läuft als sein Verteidiger hat er hier einen Vorteil der ihm ermöglicht das Tor zu schiessen. Daher lohnt es sich auch beim 30jährigen Profi noch was zu verbessern.

    Ich kenne auch Trainer die höherklassige Mannschaften trainiert haben, und ganz klar zugegeben haben dass sie Spieler nicht besser machen können. Was dann noch übrig bleibt ist Teambuilding, Moderation und Auswahl der Taktik. Kann unter Umständen der richtige Trainer für ein erfahrenes Team sein, das zum Großteil aus “kompletten” Spielern besteht. Bei vielen Nachwuchstalenten würde ich das Team aber nicht diesem Mann anvertrauen. Man muss auch beachten welchen Einfluss die Mannschaft vom Trainer braucht und welcher Trainer genau dies bringen kann.

    Ich könnte wohl ewig so weiter machen, wenn ich nur genug Zeit hätte… Worüber wir hier reden sind komplexe Sportarten, noch dazu in komplexe Wettkampfsysteme gepackt. Ich wüsste beim besten Willen nicht wie man da rangehen sollte den Einfluss eines Trainers auf den Erfolg einer Mannschaft zu messen. Aber da ich kein Wissenschaftler bin (aber interessiert), überlasse ich das mal selbigen. Ich hoffe ich konnte mit meinen Ansichten doch etwas dazu beitragen.

    Bin gespannt was sich hieraus entwickelt. 🙂

  3. #3 Joe Dramiga
    Juli 2, 2010

    Wenn es schief geht ist immer der Trainer schuld und Alle (besonders die Fernsehzuschauer) wissen und können es besser 😉

    „Bin ich so rund mit Euch, als Ihr mit mir, dass Ihr mich wie ein Fußball schlagt und stoßt? Hin und zurück nach Lust schlägt. mich ein jeder, soll das noch lange -währen, so näht man mich erst in Leder.”

    (Dromio von Ephesus in „Komödie der Irrungen” Zweiter Akt, Zweite Szene, William Shakespeare)

  4. #4 Logiker
    Juli 2, 2010

    Eben hat sich ein Basketballer zu Wort gemeldet, jetzt kommt ein Handballer. Ich hab ebenfalls lange Zeit als Jugendtrainer gearbeitet und hab selbst Handball gespielt, seit ich 11 Jahre alt war.

    Meine Erkenntnis: Ein schlechter Trainer kann viel kaputtmachen, ein guter Trainer kann aus einer durchschnittlichen Truppe ein Siegerteam machen.

    Bestes Beispiel: Als ich in der C-Jugend spielte, hatten wir eine durchschnittliche Truppe und einen miserablen Trainer. Einerseits machte der einen auf Kumpel, andererseits hielt er aber uns Spieler (immerhin 13 bis 14 Jahre alt) für unfähig, selber zu denken. Das fing bei der Seitenwahl an: Anwurf oder Seite. Er sagte, wir sollten die Seite nehmen, denn “wenn wir zur Halbzeit mit einem Tor zurückliegen, können wir ja gleich den Ausgleich werfen.” Toll….. und wenn ich Anwurf wähle, kann ich gleich in Führung gehen und der Gegner kann nie mehr als den Ausgleich werfen…

    Ende vom Spiel: Nach 14 Spielen hatten wir 3-25 Punkte und dem Trainer mitgeteilt, dass es sich gerne für die letzten vier Spiele noch pro forma auf die Bank setzen darf, ansonsten aber die Fre*** zu halten hat. Ergebnis: Gegen vier Mannschaften, alle aus der oberen Tabellenhälfte haben wir noch 4-4 Punkte geholt (unter anderem dem Zweiten die Titelchancen kaputtgemacht).

    Als Nachfolger hatten wir einen Toptrainer, der es verstand, einen immer wieder bis zur Leistungsgrenze zu fordern. Naja, auf den Platz kann er als Trainer ja nichht, aber wie der Name “Trainer” schon sagt, steht ja auch das Training im Mittelpunkt. Man bedenke: Das hieß im Jahr 15 Stunden Spielzeit auf dem Platz und 180 Stunden Training.

    In den nächsten beiden Jahren haben wir 34 von 36 Spielen gewonnen….

    Hmm, wäre eine wissenschaftliche Studie wert…. Wie am besten messen? Ich schlag vor, sich Mannschaften zu suchen, bei denen das Spielermaterial über Jahre weitgehend konstant ist, die Liga möglichst immer die Gleiche ist udn nur die trainer wechseln. Da in den oberen Klassen in jeder Mannschaftssportart ja eine recht hohe Fluktation bei den Spielern herrscht, könnten Mannschaften auf Kreisebene eine gute Grundlage bieten. Aber wer finanziert eine entsprechende Langzeitstudie…

  5. #5 Jörg
    Juli 2, 2010

    @Logiker
    “Ende vom Spiel: Nach 14 Spielen hatten wir 3-25 Punkte und dem Trainer mitgeteilt, dass es sich gerne für die letzten vier Spiele noch pro forma auf die Bank setzen darf, ansonsten aber die Fre*** zu halten hat.” Mit 13-14 Jahren? Wenn das keine Übertreibung war sag ich dazu: “Boah, Frechdachse!” 😉

    “Da in den oberen Klassen in jeder Mannschaftssportart ja eine recht hohe Fluktation bei den Spielern herrscht, könnten Mannschaften auf Kreisebene eine gute Grundlage bieten.” Da hab ich dann doch einen Einspruch: selbst die Mannschaften auf Kreisebene wollen aufsteigen, wenn sie die Chance dazu haben. Man glaubt es kaum, aber selbst beim Dorffussball gehts um Geld. Bezweifle ich stark dass es Vereine gibt die sich darauf einlassen würden. Nicht zu schweigen davon dass ein stabiler Spielerpool schwer möglich ist, da machen Verletzungen und junge Spieler die dann zum Studieren weggehen einen Strich durch die Rechnung.

  6. #6 Nanomann
    Juli 2, 2010

    Und nun ein Badmintontrainer und Jugendleiter. Meine größte Erkenntnis war die, dass man den Kinder/Jugendlichen Gelegenheit geben soll viele andere Sportarten kennen zu lernen. Das bringt dem Spieler einen guten Überblich über das was möglich ist und hilft seine eigenen Fähigkeiten zu erkennen. So kann er, der Spieler, mit etwas Glück die richtige Entscheidung treffen. Beispiele die zu dem bischer geschriebenen passen würden: der Fußballspieler Wayne Rooney der vorher Boxer gewesen ist oder eine mir bekannte Handballspielerin die zum Rudersport gewechselt ist und beinahe alle Titeln die da zu gewinnen sind ( EM, WM und Olympia)auch gewonnen hat.
    Damit wollte ich sagen, dass der schlimmste Fehler den ein Trainer/Jugendleiter machen kann der ist einen spiele festzuhalten, besonders dann wenn er erkannt hat, dass der Spieler möglicherweise woanders besser aufgehoben wäre.

  7. #7 Frank Wappler
    Juli 2, 2010

    Anhaltiner schrieb (01.07.10 • 22:30 Uhr):
    > Dazu braucht man eine Meßgröße.

    Sehr richtig.

    > Punkte, erzielte Tore, Gegentore, Tordifferenz (vielleicht auch Zuschauerzahl und Fanartikelumsatz). wenn man sich die Mannschaften anschaut die ihren Trainer genau zur Winterpause entlassen und der Neue bis zum Saisonende bleibt kann man den Einfluß des Trainers messen: in dem man Hin und Rückrunde vergleicht.

    Ja, gewiss kann man konkrete Messgrößen für „Erfolg im Fußball“ finden und auswerten;
    und der Erfolg „eines Clubs“ mag sich nach einem Trainerwechsel mehr oder weniger deutlich und mehr oder weniger vorteilhaft verändern. Der neue Trainer kann dabei im Prinzip wohl für die gesamte Veränderung im Vergleich zum Abgelösten verantwortlich gemacht werden.

    Die Frage SWIV ist aber nach dem (durchschnittlichen) Anteil den Trainer am Erfolg eines Clubs haben, im Unterschied insbesondere zum (durchschnittlichen) Anteil, den die Mannschaft daran hat.
    Auch der abgelöste Trainer hatte doch einen Anteil (und durchschnittlich betrachtet sogar den genau gleichen Anteil) am Erfolg bis dahin, wenn dieser bisherige Erfolg auch so gering gewesen sein mag, dass ein Trainerwechsel erfolgte.


    Ein denkbarer Ansatz zur Definition und Auswertung des durchschnittlichen Anteils „a“ am Erfolg ist vielleicht

    E_gesamt = a E_Trainer + (1 – a) E_Mannschaft,
    zusammen mit
    delta_E_gesamt = a delta_E_Trainer + (1 – a) delta_E_Mannschaft.

    Im sicher einfachsten sinnvollen Fall, für zwei verschiedenen Mannschaften (F und G) die abwechselnd von zwei verschiedenen Trainern (R und S) betreut wurden, könnte man setzen

    delta_E_gesamt = Sqrt[ (E_FR – E_GS)² + (E_FS – E_GR)² ],
    delta_E_Trainer = Sqrt[ (E_FR – E_FS)² + (E_GR – E_GS)² ] und
    delta_E_Mannschaft = Sqrt[ (E_FR – E_GR)² + (E_FS – E_GS)² ],

    wobei „E_FR“ der Erfolgswert von Mannschaft F unter Trainer R war, usw., die als Messwerte wie oben beschrieben ermittelt werden.

    Man kann die zweite Gleichung für den Anteil „a“ lösen, und diese Lösung per Substitution durch die gegebenen Erfolgswerte ausdrücken und auswerten.

    Man könnte auch schon als Gedankenexperiment, mit nur angenommenen Erfolgswerten untersuchen, ob der durchschnittliche Trainer-Anteil am Erfolg eher als größer oder als kleiner bewertet wird, je nachdem ob die beiden verschiedenen Trainer mit ihren jeweiligen Mannschaften eher gleich erfolgreich oder eher unterschiedlich erfolgreich wären …

  8. #8 Logiker
    Juli 5, 2010

    @ jörg

    Du darfst mich Frechdachs nennen… jaja, die Jugend von damals, taugte schon damals nichts…. Nee, im Ernst: Wir hatten das natürlich mit dem Abteilungsleiter abgesprochen, “Mit dem Trainer kein Spiel mehr”… und so konnte der Trainer zumindest nach außen hin sein Gesicht waren und dann zum Saisonende offiziell aufhören…

    Tja, und Du hast Recht: Auch auf Kreisebene ist es schwierig, geeignete Langzeitkandidaten zu finden. Und Verletzungen und wechselnde Spieler hat man auch immer. Im Handball wird jedoch in den unteren Klassen nichts gezahlt, ich hab in der Bezirksliga (Mittelfeldverein) null bekommen, nicht mal Spesen; der Aufstiegsaspirant von nebenan hat schon gelöhnt. Und in den Kreisklassen findet man mannschaften, die über Jahre (fast) ohne Änderungen spielen. Naja, die werden dann eben älter, nicht besser.

    Da müsste man eben vielleicht 50 oder 100 Teams aussuchen und einfach mal mitschreiben, wie die sich über die Jahre hin machen und nur die Mannschfatsjahre betrachten, die ohne größere “sonstige” Einflüsse unterwegs waren…..

    Zahl mir genug Geld und ich mach ne Studie…..

  9. #9 Jörg Friedrich
    Juli 6, 2010

    Vielen Dank für die interessanten Kommentare, vor allem die Erfahrungsberichte. Ich selbst habe nie einen Mannschaftssport betrieben, geschweige denn trainiert, deshalb kann ich leider nichts dazu beitragen.

    Nicht ganz ernst gemeint: Man könnte doch die Trainer in der Bundesliga mal ein paar Jahre lang immer nach einer Saison nach dem Zufalls-Prinzip neu verteilen (während die Spieler bei den Vereinen bleiben müssen), dann ließe sich der Einfluss der Trainer aufs Ergebnis sicher messen. Ich weiß allerdings nicht, wie lange ein Trainer eigentlich braucht, um im Ergebnis überhaupt wirksam zu werden, reicht da überhaupt eine Saison?

    Vielleicht etwas unkonventionell, dieser Vorschlag, aber dieses Opfer könnte der Deutsche Fußball der Fußball-Wissenschaft wohl mal bringen, oder 😉