Es gibt ungefähr genauso viele Frauen wie Männer, und die Gesundheit von Mädchen und Frauen ist natürlich genauso wichtig wie die von Jungen und Männern. Das ist trivial. genauso sicher ist, dass der weibliche Organismus auf Gifte und medizinische Wirkstoffe anders reagiert als der männliche. Völlig selbstverständlich für die biomedizinische Forschung sollte also sein, dass Versuchsgruppen, ob beim Tierversuch oder bei der klinischen Forschung, gleichermaßen aus weiblichen und männlichen Probanden bestehen sollten.

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Aber das ist, nach Jahrzehnten der offiziellen Gleichstellungsreden, noch lange nicht der Fall. Drei Artikel in der nature vom 10.06.2010 schrecken auf. So zeigte z.B. eine Auswertung von Studien in neun einflussreichen Zeitschriften von 2004, dass nur rund 37% der Teilnehmer Frauen waren. Nach geschlechtsspezifischen Unterschieden wurde nur in 13% der Studen gesucht – obwohl bekannt ist, dass es signifikante Unterschiede in den Erfahrungen mit Krankheiten zwischen Männern und Frauen gibt. Krankheiten äußern sich bei Männern und Frauen unterschiedlich, Arzneien werden unterschiedlich aufgenommen und wirken auch auf verschiedene Weise. Selbst bei Tierversuchen dominieren die Männchen: in den Neurowissenschaften kommt auf 5,5 männliche Versuchstiere 1 Weibchen, in der Pharmakologie ist der Faktor 5, in der Physiologie 3,7.

Woran liegt das? Der Grund der zuerst genannt wird, klingt ganz sachlich und lässt sich in dem Satz zusammenfassen: Männer sind halt nicht so kompliziert. Die Variabilität ist geringer, es gibt keine zyklischen Hormonschwankungen. Das war schon vor 100 Jahren das Standard-Argument – und deshalb müssen noch heute Frauen die Medizin schlucken, die Männer für Männer entwickelt haben.

Man spricht heute gern von den Chancen der personalisierten Medizin. Aber was, so fragt auch das nature-Editorial zum Thema, ist personalisierter als das Geschlecht? Wer kann ernsthaft behaupten, dass bald für jeden Menschen ganz persönlich die richtige Medizin gebraut werden kann, wenn noch nicht einmal zwischen Männern und Frauen unterschieden wird und den Frauen einfach das verordnet wird, was den Männern hilft?

Vielleicht sollten die Forscher, bevor sie sich an die großen Visionen machen, erst mal die kleinen, naheliegenden Herausforderungen in Angriff nehmen.

Kim, A., Tingen, C., & Woodruff, T. (2010). Sex bias in trials and treatment must end Nature, 465 (7299), 688-689 DOI: 10.1038/465688a

Baylis F (2010). Pregnant women deserve better. Nature, 465 (7299), 689-90 PMID: 20535185

Zucker, I., & Beery, A. (2010). Males still dominate animal studies Nature, 465 (7299), 690-690 DOI: 10.1038/465690a

Kommentare (4)

  1. #1 Andrea N.D.
    Juli 6, 2010

    Schön, dass Sie dieses Thema für sich entdeckt haben. Allerdings ist es ein alter Hut. Mittlerweile hat sogar die Kardiologie erkannt, dass die Anzeichen eines Herzinfarktes geschlechtsspezifisch sind.
    Warum Sie das jetzt “plötzlich” mit der Nature (als ausschließliche Quelle) aufschreckt? Weil trotz seit langem bekannter Tatsache leider wenig passiert; das ist ja bekanntermaßen nicht nur auf dem medizinischen Sektor bzw. in der Pharmaindustrie so. Freuen wir uns doch darüber, dass wir seit ca. 100 Jahren Medizin studieren dürfen und uns seit geschätzten 120 Jahren überhaupt ein Gehirn zugesprochen wird.

  2. #2 Catherina
    Juli 8, 2010

    Nature hat ja selber eine deutliche Unbalance. In ihren 2020 Visions zum Jahreswechsel befragten sie 19 Visionäre und “Leader” und die waren 100% weiss, 94% männlich und 94% US Amerikanisch…

    https://network.nature.com/groups/naturenewsandopinion/forum/topics/6182

  3. #3 Menel
    Juli 8, 2010

    Um ehrlich zu sein wirken die meißten Medikamente trotzdem bei Frauen oder etwa nicht?

    Es mag sein, dass für die Grundlagenforschung mehr Männer genommen werden… aber in den größeren Studien vor der Zulassung eines Medikaments sind ja beide Geschlechter vertreten… eventuelle Abweichen/Auffälligkeiten sollte man da ja entdecken können. Es stimmt schon das man den Geschlechterunterschied bidher zu wenig beachtet hat.. aber das ist sich ja grade ganz stark am ändern…

  4. #4 Harlen
    August 14, 2010

    Notbetten im Gang in den Krankenhäusern, Warteschlange bis auf die Strasse hinaus am Wochenende bei den Notdiensten, so ist derzeit die Situation im Gesundheitswesen. auch andere Bereiche, wie Apotheken und Optiker sind ausgelastet. Viele Arztpraxen und Krankenhäuser nehmen derzeit kaum noch Kassenpatienten auf. Die Praxen und Kliniken gehen dabei sehr nach dem Geld, obschon gerade ja auch die, die viel Geld haben, eventuell auch viel von anderen holen. In heutiger Zeit Eigentum zu haben ist nicht nur Glück, vielleicht sind auch teilweise unsaubere Geschäfte dabei, wie Handel mit Drogen, und Ausbeutung von anderen. Die Kassenärztliche Vereinigung gibt als Grund für überfüllte Praxen und Misständen in Krankenhäusern eine Form von falscher CDU/CSU Politik an, die ihrer Ansicht nach immer mehr krank machen würde. Einige der Ärzteschaft, wie auch das Klinikpersonal sind konkret gegen die CDU/CSU.
    Vieles wird in der Behandlung auch aufgrund unterschiedlicher Krankenversicherungen anders behandelt. So erhält der eine Patient eine gute Behandlung, und andere wiederum gehen leer aus. Speziell auch mit Impfungen und der Behandlung der Zähne wird das unterschiedlich gehandhabt. Vieles im bereich der Behandlung der Zähne wird nicht übernommen.
    https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,614949,00.html