Es begann mit einem ganz gewöhnlichen Letter in der nature vom 11. März diesen Jahres [1] – soweit man bei einem Letter in der führenden Publikation der weltweiten naturwissenschaftlichen Forschung überhaupt von “gewöhnlich” sprechen kann. Die Autoren um Reinabelle Reyes berichten darin davon, dass es ihnen gelungen ist, die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie für große räumliche Maßstäbe (groß bedeutet hier: ab einigen 10 Megaparsec, d.h., eine Strecke, für die Licht mehr als 100.000 Jahre braucht) zu bestätigen.
Bestätigen heißt in diesem Fall: die gemessenen (und aus Messwerten berechneten) Werte liegen in einem Bereich, den die Allgemeine Relativitätstheorie vorhersagt, allerdings mit einem Fehlerbereich von +-15%, was dazu führt, dass eine der Alternativtheorien ausgeschlossen werden kann, andere Alternativen aber ebenso als betätigt angesehen werden können.
In der “News & Views”-Rubrik der gleichen Nummer der nature hat J. A. Tyson die Arbeit des Teams um Reyes vorgestellt und besprochen. Tyson weist darauf hin, dass die Allgemeine Relativitätstheorie zur Erklärung der Beobachtungen die Annahme braucht, dass es “dunkle Materie” und “dunkle Energie” gibt (Florian Freistetter hat das für die dunkle Materie kürzlich erklärt). Dann kommt der entscheidende Satz:
Although there are suggestions from particle physics about the nature of dark matter, that of dark energy remains a mystery. [Auch wenn es Vorschläge aus der Teilchenphysik zur Natur der dunklen Materie gibt, bleibt die der dunklen Energie ein Mysterium.]
An diesem Satz entzündet sich nun eine Diskussion, die in der aktuellen Nummer der nature in die nächste Runde geht [3]. Für Bianchi und Rovelli ist die dunkle Energie alles andere als ein Mysterium, sie ist erklärbar, indem die Allgemeine Relativitätstheorie um eine neue kosmologische Konstante erweitert wird. Durch diese kosmologische Konstante wird die Vakuum-Energie erklärt, die dazu führt, dass das Universum deutlich stärker expandiert, als es das ohne die kosmologische Konstante tun würde.
“Kosmologische Modelle müssen in Naturgesetzen begründet sein, die wir verstehen” Rocky Kolb
Dem hält Rocky Kolb entgegen, dass die Einführung einer kosmologischen Konstante genau keine Erklärung für irgendetwas ist. Er bestreitet nicht, dass die Theorie, welche die dunkle Energie enthält, aktuell das erfolgreichste Modell ist, welches die Beobachtungen am besten beschreibt. Im Gegensatz zu Bianchi und Rovelli hält er die Kosmologische Konstante nicht für die Erklärung, sondern sie ist gerade das Mysterium. Denn ein Mysterium ist für ihn alles, das nicht verstanden ist oder jenseits des Verstehens liegt.
Kolb fordert von der Kosmologie mehr als das Anhäufen von Komponenten und Konstanten in einem Modell, das zu den Beobachtungsdaten passt. Das ist für ihn das Gleiche wie das Hinzufügen von Epizyklen zum Ptolemäischen Weltbild. Und er schließt mit einer Warnung des Astrophysikers Tommy Gold: “Für jedes komplizierte physikalische Phänomen gibt es eine einfache, falsche Erklärung”
[1] Reinabelle Reyes, Rachel Mandelbaum, Uros Seljak, Tobias Baldauf, James E. Gunn, Lucas Lombriser, & Robert E. Smith (2010). Confirmation of general relativity on large scales from weak lensing and
galaxy velocities Reyes, R. et al. 2010, Nature, 464, 256-258. arXiv: 1003.2185v1
[2] Tyson JA (2010). Cosmology: Gravity tested on cosmic scales. Nature, 464 (7286), 172-3 PMID: 20220832
[3] Bianchi E, Rovelli C, & Kolb R (2010). Cosmology forum: Is dark energy really a mystery? Nature, 466 (7304), 321-2 PMID: 20631785
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