ScienceBlogs.de-Leser Matthias hat eine etwas komplexere Frage:

Gerade wieder habe ich was gelesen: https://www.space.com/fastest-star-ever-moves-8-percent-light-speed.html

In Florian Freistetter’s Sternengeschichten hat er vor einiger Zeit schonmal ueber den “Stern S2” geschrieben, und auch Referenz zur Lichtgeschwindigkeit gemacht (soweit ich mich erinnern kann).

Mir fehlt ganz offensichtlich das geistige Ruestzeug, um diese Dinge wirklich zu verstehen (ich bin Ingenieur, kein Physiker, und mein Verstaendnis endet in der Newton’schen Dynamik), deshalb die Frage:

Wie kann etwas “8% der Lichtgeschwindigkeit” haben?

c ist ein absoluter Wert, soweit klar.

Aber ist eine Geschwindigkeit nicht immer auch relativ zu einem Bezugssystem?

Und: Egal, was die Antwort auf die vorherige Frage ist: Wenn etwas “x% c” fliegen kann, kann es dann auch “0% c” geben, also praktisch eine “langsamste” Geschwindigkeit (ein kosmologischer Stillstand, sozusagen)?

Und, wenn mit steigender Geschwindigkeit die lokale Zeit langsamer vergeht, wuerde dann nicht bei “0% c” die Zeit am schnellsten vergehen, verglichen mit allen anderen Bezugssytemen?

Und (zum Schluss) dann: Koennte man das dann nicht messen? Z.B. Sonden auf gleiche Zeit eichen, in alle 6 Bezugsrichtungen mit “x% c” abschicken, und deren lokale Zeiten zum Starttpunkt zurueckuebertragen lassen und dann messen, in welche Richtung die Zeit am “schnellsten” oder “langsamsten” vergeht?

2 Dinge:
1. Entschuldigung fuer die bloede Frage. Aber wie gesagt… Ingenieur halt, kein Physiker…
2. Entschuldigung fuer die fehlenden Umlaute, ich habe ein englisches Keyboard.

Kommentare (8)

  1. #1 Jan
    21. August 2020

    Aber ist eine Geschwindigkeit nicht immer auch relativ zu einem Bezugssystem?

    Ja, für alle Geschwindigkeiten außer c selbst. (Licht, und alles andere was sich ebenfalls mit c bewegt, bewegt sich aus Sicht jedes Bezugssystems mit c.) Ich weiß nicht, in welchem Bezugssystem die Geschwindigkeiten der beiden Sterne gemessen wurden. Beide umkreisen das supermassive schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, also ist vielleicht das das Bezugssystem?

    Wenn etwas “x% c” fliegen kann, kann es dann auch “0% c” geben, also praktisch eine “langsamste” Geschwindigkeit (ein kosmologischer Stillstand, sozusagen)?

    Klar, aber das ist dann ebenfalls bezugssystemabhängig. Man kann z.B. relativ zur Erde ruhen. Aber relativ zur Sonne ist man dann in Bewegung.

    Und, wenn mit steigender Geschwindigkeit die lokale Zeit langsamer vergeht, wuerde dann nicht bei “0% c” die Zeit am schnellsten vergehen, verglichen mit allen anderen Bezugssytemen?

    Naja, so einfach ist das nicht. Wenn A und B sich relativ zueinander bewegen, dann vergeht aus Sicht von A die Zeit für B langsamer. Aber aus Sicht von B vergeht die Zeit für A langsamer. Die Situation ist komplett symmetrisch. Dass das kein Paradoxon ist, liegt daran, dass die Gleichzeitigkeit ebenfalls relativ ist. Ereignisse die aus Sicht von A gleichzeitig sind, sind für B nicht gleichzeitig und umgekehrt.

  2. #2 Frank Wappler
    21. August 2020

    Jürgen Schönstein schrieb (20. August 2020):
    > […] Matthias [fragte:]
    > […] ist eine Geschwindigkeit nicht immer auch relativ zu einem Bezugssystem?

    Richtig; und im engeren, definitionsgemäßen Sinne immer relativ zu einem
    Inertialsystem
    (also einem bestimmten Start-“Punkt” und einem bestimmten Ziel-“Punkt”, die durchwegs gegenüber einander ruhten, während die durch Start-“Punkt” und Ziel-“Punkt” eingegrenzte Signalstrecke von demjenigen “Projektil” belegt war, dessen Geschwindigkeit bezüglich des Start-Ziel-Systems ermittelt werden soll).

    Das lässt sich übrigens durch Notation verdeutlichen, indem z.B. die Durchschnitts-Geschwindigkeit eines Projektils P gegenüber dem aus Start-“Punkt” A und Ziel-“Punkt” B (und natürlich auch noch weiteren Mitgliedern) bestehenden Inertialsystem als

    v_AB[ P ]

    symbolisiert wird; wobei die Fett-Schreibung des Buchstabens v ausdrückt, dass es sich um eine “gerichtete Größe” (einen “Vektor”) handelt: “von A nach B“.

    > Wenn etwas “x% c” fliegen kann, kann es dann auch “0% c” geben,

    Ja:

    – auch “0 c” liegt im Wertebereich der Messgröße “(Durchschnitts-)Geschwindigkeit (gegenüber einem bestimmten Inertialsystem)”, wobei in diesem Falle Start-“Punkt” und Ziel-“Punkt” ein-und-das-selbe Mitglied des erforderlichen Inertialsystems sein müssen,

    – und konkret: falls das in Betracht stehende Projektil P selbst Mitglied eines Inertialsystems war und durchwegs blieb, gilt zwangsläufig:

    v_P[ P ] = 0.

    > Und, wenn mit steigender Geschwindigkeit die lokale Zeit langsamer vergeht […]

    Mit dieser bedauerlichen Formulierung soll womöglich gemeint sein, dass der Vergleich von Dauern (und demnach auch der Vergleich von Frequenzen bzw. von Raten) zwischen Beteiligten, die nicht durchwegs gegenüber einander ruhten, ggf. u.a. im Zusammenhang mit deren Geschwindigkeit gegenüber einander steht.

    Zum Beispiel (falls P durchwegs Mitglied eines Inertialsystems war, und “sich” folglich bezüglich Inertialsystem AB geradlinig-gleichförmig “bewegte”):

    (τP[ _A, _B ] / τA[ _P, _gleichzeitig_zu_B_P ]) :=
    √{ 1 - (v_AB[ P ] / c)^2 }
    .

    > wuerde dann nicht bei “0% c” die Zeit am schnellsten vergehen, verglichen mit allen anderen Bezugssytemen?

    Dieser bedauerlichen Formulierung lässt sich entgegensetzen,

    – dass ein (und jedes) Mitglied eines Inertialsystems jeweils die maximale Dauer zwischen seinen Anzeigen seiner Teilnahmen an je zwei bestimmten Ereignissen aufweist (vergleichen mit den Dauern anderer Beteiligter an den selben beiden Ereignissen, die jedoch währenddessen nicht durchwegs Mitglieder eines Inertialsystems blieben), bzw.

    – dass je drei Ereignisse, an denen jeweils ein bestimmtes Mitglied eines Inertialsystems teilnahm, deshalb definitionsgemäß gegenüber einander gerade liegen.

    > Und (zum Schluss) dann: Koennte man das dann nicht messen? […]

    Nun: vor allem lässt sich messen, wer mit wem zusammen Mitglied des selben Inertialsystems war (falls überhaupt), d.h. wer gegenüber wem “ruhte” (falls überhaupt).
    Vergleiche (Messungen) von Dauern oder von Frequenzen bzw. von Raten lassen sich daraus konstruieren/herleiten.
    Und schließlich lassen sich durch Anwendung des Äquivalenzprinzips solche Vergleiche und Messungen sogar ggf. für Versuchsanordnungen konstruieren/herleiten, in denen sich überhaupt keine Inertialsysteme denken oder gar auffinden ließen …

    p.s.
    > c ist ein absoluter Wert, soweit klar.

    “c” ist zunächst einmal ein festes formales Symbol, das in der chronometrisch-relativistischen Definition von
    "Distanz zwischen zwei gegenüber einander ruhenden Enden"
    als
    "c * halbe Ping-Dauer dieser beiden Enden gegenüber einander"
    eingesetzt wird, um diese besondere Bewertung von Ping-Dauern gegenüber verschiedentlichen Bewertungen jeglicher anderer Dauern formal und damit dimensional hervorzuheben.

    Aus der Definition von
    "Durchschnitts-Geschwindigkeit_{bzgl. Inertialsystem AB} von P"
    als
    "Strecken_Distanz[ AB ] /
    Strecken_Belegungs_Dauer τA[ _P, _gleichzeitig_zu_B_P ]"

    ergibt sich für die Durchschnitts-Geschwindigkeit einer/jeder von A zu B gesendeten Signalfront zwangsläufig wiederum “c” als Wert ihres Betrages; auch “Lichtgeschwindigkeit” genannt.

  3. #3 Matthias
    SC, USA
    21. August 2020

    Einige “bedauerlichen Formulierungen” habe ich da scheinbar eingebracht. Gut, dass ich mich gleich als nicht-Physiker geoutet habe! 🙂 Danke fuer die Antworten.

  4. #4 Frank Wappler
    22. August 2020

    Matthias schrieb (#3, 21. August 2020):
    > Einige “bedauerlichen Formulierungen” habe ich da scheinbar eingebracht. […]

    Solange die Physiker und die nicht-Physiker dadurch Gelegenheit erhalten, sich (selbst oder auch gegenseitig) jeweils als solche zu outen, haben doch alle was davon.

    > Danke fuer die Antworten.

    Was mich angeht, so weit gern geschehen — aber:
    Sofern Du Dich nicht dauerhaft als nicht-Physiker geoutet betrachten lassen willst, frag (Dich) doch wenigstens noch, wie denn überhaupt zumindest im Prinzip festzustellen wäre, ob zwei Beteiligte (oder wie viele dafür insgesamt erforderlich wären), die durchwegs (oder wenigstens langfristig) voneinander getrennt waren und blieben, »gegenüber einander stillsaßen, d.h. ruhten«, oder nicht. …

  5. #5 Spritkopf
    22. August 2020

    @Jan, Matthias

    Ich weiß nicht, in welchem Bezugssystem die Geschwindigkeiten der beiden Sterne gemessen wurden. Beide umkreisen das supermassive schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, also ist vielleicht das das Bezugssystem?

    Laut dem Paper handelt es sich um die Geschwindigkeit des Sterns in der Periapsis (S. 7, Tabelle 3), also wird in der Tat das Bezugssystem das schwarze Loch sein.

  6. #6 Rudi
    26. August 2020

    Warum wählt man nicht einen Referenzpunkt, der in Bezug auf die Hintergrundstrahlung still steht?

  7. #7 Jan
    26. August 2020

    @Rudi:
    Im Prinzip könnte man das tun. (Also strenggenommen gibt es keinen Punkt, der in Bezug auf die Hintergrundstrahlung still steht; aber man könnte ein System nehmen, in dem die Hintergrundstrahlung so isotrop wie möglich ist.)

    Die Frage ist, ob das für den Zweck, weshalb man die Geschwindigkeit eines Sterns bestimmt, hilfreich ist. Man möchte ja vermutlich nicht einfach nur eine Liste “Top 10 der schnellsten Sterne des Universums” aufstellen. Sondern man möchte Dinge wie den Aufbau, die Dynamik, oder die Entstehungsgeschichte eines bestimmten Teils des Universums besser verstehen. Oder man möchte überprüfen, wie gut unsere bisherigen Theorien dort funktionieren. Und dafür sind Geschwindigkeiten in Bezug auf den Schwerpunkt der Materie in der Umgebung, oder in Bezug auf ein dominantes Objekt (wie das supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße) hilfreicher.

    Im Straßenverkehr auf der Erde gibt man ja Geschwindigkeiten auch in Bezug auf die (mitrotierende) Erdoberfläche an, und nicht in Bezug auf den nichtmitrotierenden Mittelpunkt der Erde, oder in Bezug auf die Sonne.

  8. #8 Frank Wappler
    27. August 2020

    Rudi schrieb (26. August 2020):
    > Warum wählt man nicht einen Referenzpunkt, der in Bezug auf die Hintergrundstrahlung still steht?

    Ein Referenzpunkt ist ja noch kein Bezugssystem;
    und nicht jeder denkbare Referenzpunkt ist Mitglied eines Inertialsystems.

    Zwei voneinander getrennte Antennen, auf die die CMBR jeweils möglichst isotrop einstrahlte, sind wohl i.A. nicht mal gegenüber einander starr.