Es ist für Segelflieger ganz normal, dass Vögel mit ihnen im Aufwind fliegen und sie über weite Strecken begleiten. Pilot und Vogel beobachten sich gegenseitig. Sehen die Piloten, dass ein Vogel ein besseres Steigen hat, fliegen sie selbstverständlich dem Vogel hinterher oder zentrieren entsprechend nach. Und oft hat man den Eindruck, die Vögel tun dies auch umgekehrt.
Endlich belegt eine Studie, was ich als passionierte Segelfliegerin – mit derzeit leider ruhendem Flugschein – schon immer wusste: Wir fliegen wie die Vögel. Oder die Vögel so wie wir. Zwar untersuchten Zsuzsa Akos und Kollegen von der Eötvös Universität in Budapest Gleitschirmflieger und keine Segelflieger, aber ich freue mich trotzdem.
Die Forscher wollten wissen, welche Strategien Vögel oder Piloten im Flug anwenden. Dazu haben sie Falken (und einen Storch) mit GPS ausgestattet, deren Flugdaten aufgezeichnet und mit dem Gleitschirmflieger verglichen, wie sie in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) berichten. Die Falken legen übrigens, so das Paper, im Durchschnitt 190 Kilometer am Tag zurück, um nach Beute Ausschau zu halten – dabei nutzen sie vor allem den Gleitflug ohne Flügelschlag.
A: Gleitschirmflieger mit Falke, B: Falke mit GPS, C: schematische Darstellung des thermischen Kurvenflugs und Streckenflugs eines Storchs.
© PNAS/National Academy of Sciences (copyright 2008)
Höhe können die motorlosen Flieger allesamt mittels warmer Luft gewinnen, die nach oben steigt und in der sie möglichst optimal kreisen. Wollen Vogel, Drachenflieger, Gleitschirmflieger oder Segelflieger Strecke machen, müssen sie in der Luft zwischen den Aufwinden mit ziemlichen Höhenverlusten rechnen. Nun gibt es eine recht einfache Formel, die hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Wenn ein Segelflieger zwischen zwei Aufwinden eine Strecke im Sinken fliegt, so ist es unter Umständen schlauer, schneller zu fliegen und sogar größeres Sinken auf dieser Strecke in Kauf zu nehmen.
Denn der Schnellflieger ist früher im nächsten Aufwind und hat nach ein paar (langsameren) Kurven in diesem Aufwind die verlorene Höhe schnell wieder wettgemacht. Der zögerliche Langsamflieger zwischen den beiden Aufwinden käme zwar mit mehr Höhe, aber deutlich später an. Da ist Ersterer vielleicht schon längst wieder weitergezogen.
Diese Erkenntnisse wurden (ich lasse die Rechnungen hier beiseite) sehr erfolgreich umgesetzt in einem einfachen Hilfsmittel für das Ermitteln der optimalen Fluggeschwindigkeit zwischen zwei Aufwinden, dem sogenannten McCready-Ring. Dieser wird am Variometer (zeigt Steigen und Fallen in Metern pro Sekunde an) angebracht. Es ist die Einschätzung der Piloten gefragt, wie viel Steigen in Metern pro Sekunde sie im nächsten Aufwind erwarten. Der Ring wird auf das erwartete Steigen eingestellt. Optimal ist der Flug dann, wenn die Fahrtanzeige im Fahrtmesser (km/h) der auf dem McCready-Ring angezeigten Sollfahrt entspricht. Außerdem kann mittels McCready etwa noch der Endanflug optimiert werden und mehr.
In den Untersuchungen von Zuszsa Akos, Maté Nagy und Tamas Vicsek zeigte sich, dass insbesondere die Falken diese McCready-Formel umsetzen. Sie verglichen die per GPS aufgezeichneten Aufwindstrecken, zurückgelegte Strecke und mehr miteinander.
Aufzeichnungen von Falke und Gleitschirmflieger
A zeichnet den Flugweg eines Falken nach. Rot sind die die Wege gekennzeichnet, wenn er sich im thermischen Aufwind befand. Blau, wenn er sich im Sink-Geschwindigkeitsflug befand.
C zeichnet den Flugweg eines Gleitschirmfliegers nach. Auch hier steht rot für Thermikflug und blau für Sinkflug.
© PNAS/National Academy of Sciences (copyright 2008)
Weiter ins Detail will ich hier nicht gehen. Die Auswertungen der Flüge ergaben jedenfalls, dass vor allem Falken intuitiv die McCready-Formel umsetzen.
Schön finde ich ein Zitat aus dem Paper:
„We consider thermalling as one of the scarce examples when an intellectually driven activity of humans is apparently so closely related to the actual behavior of an animal.”
Ich mich bekenne mich dazu, eine reine Luft- und Lustfliegerin zu sein. Ich bin nicht leistungsorientiert in Strecke und Geschwindigkeit. Ich liebe es, wie die Vögel und mit ihnen von der Luft getragen zu werden. Deshalb freut es mich so, dass meine Freunde der Lüfte hier zu Ehren kommen. Sie sind natürlisch schon längst so schlau, wie wir…
Und zum Schluss noch mein Lieblingsgedicht zum Fliegen, von Charles Baudelaire, der im 19. Jahrhundert sicher nicht in den Lüften schwebte, aber gekonnt davon träumte:
„Erhebe Dich im Flug aus niederen Gebreiten,
lass in der Höhenluft Dich läutern, werde rein,
und trinke Dir zum Heil wie klaren Götterwein
das helle Feuer in den flüssig goldnen Weiten.
Wem die Gedanken sich bis in die Himmel schwingen,
so wie die Lerchen in den Morgen, frei und groß,
– hoch über aller Welt versteht er mühelos,
was ihm die Blume sagt, und lauscht den stummen Dingen.”
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