Nico Marquardt, ein 13-jähriger Gymnasiast aus Potsdam, berichtigte Kalkulationen der NASA – und er hat Recht!
Dabei ging es nicht etwa um einen kleinen Rechenfehler, sondern um die “größte Bedrohung unseres Planeten” (erwartbar angespitzter Bild-Griffel): die Möglichkeit, dass der Asteroid Apophis im Jahr 2036 auf die Erde einschlägt und eine weltweite Katastrophe auslöst.
Der erdnahe Asteroid war erst vor vier Jahren überhaupt als Apokalypse-Kandidat entdeckt worden. In einer Hauruck-Hochrechnung schätzte die NASA die Wahrscheinlichkeit eines Aufpralls zunächst auf 1:37, um dann doch auf den entspannteren Wert von 1:45.000 zurückzurudern.
Doch das Szenario bleibt genauso erschreckend:
In ziemlich genau 21 Jahren, am Freitag den 13. (!) April 2029, soll Apophis haarscharf (kosmisch gesehen) an der Erde vorbei pflügen… um dann, von der Gravitation der Erde umgelenkt, exakt sieben Jahre später doch wieder die Bahn unseres Planeten zu kreuzen, am Sonntag den 13. (puh!) April 2036.
Dabei trifft er wahrscheinlich nicht die Erde, aber unwahrscheinlich eben doch. Landet Apophis wie gehofft im Atlantik, wäre eine gigantische Tsunami-Welle die Folge – landet er auf dem Festland, könnte es das gewesen sein mit der Zivilisation. In jedem Falle wären die Folgen wie globale Staubwolke, Asche- und Säureregen, Ernteausfälle und jahrelange Finsternis gigantisch in ihrem Ausmaß.
Nico Marquardt war fasziniert von der Geschichte des “Killerasteroiden”, der damals noch 2004-MN4 hieß – aber die Risikoskala der NASA kam ihm seltsam vor…
So beschloss er, die Angaben lieber selbst noch mal nachzurechnen.
Er stellte fest, dass NASA einen wichtigen Faktor unberücksichtigt gelassen hatte: Geostationäre Satelliten, die die Wahrscheinlichkeit, dass Apophis schon 2029 IRGEND ETWAS trifft, merklich erhöhen.
Erst Ende letzter Woche hatte die ESA Grafiken veröffentlicht, die zeigen, wie viel Weltraumschrott so herumschwirrt — nur 13% der rund 6.000 Satelliten im erdnahen Orbit sind überhaupt noch in Betrieb (via).
Und mit einer zunehmenden Menge Technikschrott im Orbit kommt es folglich zunehmend häufig zu Explosionen und Kollisionen – mit anderem Zeug, oder aber mit anderen astronomischen Körpern.
Visualisierung der Satellitenschrott-Daten, über die Seite der ESA
Nico rechnete die Daten des Satellitenkontrollzentrums der ESA in die Impact-Faktoren des Asteroiden mit ein – und kam auf eine Wahrscheinlichkeit von 0,22 Prozent. Das ist zwar etwas unwahrscheinlicher als ein Fünfer im Lotto, aber immerhin 200x wahrscheinlicher als ein Sechser im Lotto.
Für seine Forschung zum “Killerasteroiden” bekam Nico im März den Sonderpreis für Physik im “Jugend Forscht” Regionalwettbewerb Brandenburg verliehen.
Das ist wissenschaftlicher Nachwuchs, wie er sein sollte: Mit Eigeninitiative, Kreativität und Arbeitswut Dinge in Erfahrung bringen, die nicht auf einen Merzschen Bierdeckel zusammengestaucht werden müssen.
[Was im benachbarten Bundesland Sachsen allerdings anders aussieht: für eine Bildergalerie im Jugendmagazin Spießer posierten die Gewinner mit DinA4-Blatt — was auf den ersten Blick wirkt wie die berüchtigte WM der schönsten Hintern, entpuppt sich dann doch als vielseitiger Teenie-Forschungsüberblick, von Fahrradsattel über Zauberpilz bis Sudoku-Software. Wobei auch durch mehr Geklicks nix über die Forschung zu erfahren ist. Aber auch Spießer verdienen PIs…]
Doch die ultimative Würdigung von Nicos Arbeit kam dann eher indirekt daher.
Auf der NASA-Seite zur Risikoeinschätzung des Apophis-Asteroiden steht zwar nach wie vor “0.002200000% chance of Earth Impact“. Immerhin ließ aber NASA kürzlich ESA ausrichten, dass ESA Nico ausrichten möge, er habe wohl Recht.
Derweil werden mit viel Geld und Fleiß neue Programme gestrickt, die gefährlich erdnahe Objekte überwachen und zur Not kontrolliert abschießen sollen. Doch auch das beste Budget kann die Frage nicht beantworten, wer in diesem Spiel nun der Spatz und wer das Kanonenrohr sein wird.
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