i-82ba3632606953060e19f850bfbef6d6-pixelio invisiblekilla  Montelimar Frankreich.JPG

Die Internationale Energie-Agentur (IEA) hatte am Freitag ihre dringlichen Empfehlungen für den Klimaschutz bis zum Jahr 2050 vorgelegt: Demnach bräuchte der Planet Erde zur Klimarettung neben vielen Energiesparinvestitionen, dem Ausbau erneuerbarer Energien etc. von 2010 an jährlich 32 neue Atommeiler. Das macht 1280 neue Atomkraftwerke bis 2050, eine Vervierfachung der Anzahl heutiger AKWs.

Derzeit sind laut dem Power Reactor Information System der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) weltweit
439 Nuklearanlagen in Betrieb
5 werden demnächst abgeschaltet werden
34 werden gebaut.

Die IEA präsentierte ihre Vorschläge just am selben Tag an dem in Deutschland der erste Teil des Klimapaketes in neue Energiegesetze gegossen wurde, die insbesondere erneuerbare Energien, Kraft-Wärme-Kopplung, erneuerbare Wärme etc. fördern sollen (hier, hier, hier und hier)

Wie aber ist der deutsche Atomausstieg angesichts solcher Vorschläge von Seiten der IEA haltbar. Irgendwie klingt der Mayday-Ruf der IEA auch plausibel und macht auf den ersten Blick nicht den Eindruck unbedingt einseitig zu sein. Zitate aus der Süddeutschen Zeitung-Print vom Wochenende:

“…bereits 2010 müssten 20 Kohlekraftwerke neuer Technologien ans Netz gehen, die Kohlendioxid auffangen und unterirdisch speichern. 2050 sollen 14 bis 19 Prozent des CO2-Ausstoßes aufgefangen werden. Vor allem aber müsse 2050 mindestens die Hälfte der Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen stammen, die Sonnenenergie müsse um den Faktor 200 zulegegen, die Windkapazität um das 50-fache. Ein Viertel der Energie müsse mit Atomkraft generiert werden.”

Deutschlands Umweltminister Sigmar Gabriel bezeichnete die Vorschläge der IEA als energiepolitsichen Amoklauf (n-tv).
Ich wünsche mir, dass das so ist und wir weltweit Klimaschutz auch ohne zusätzliche Kernkraftwerke realisieren können. Allerdings scheint es mir irgendwie logisch, dass aufstrebende Staaten wie Indien oder China in Sachen Klimaschutz lieber auf Atomkraft bauen, als auf Energieeinsparungen. Und so wirken die Empfehlungen der IEA irgendwie recht ehrlich.

Ich hoffe auf weitere Hintergründe, Aufklärung und Meinungen!

Zum Thema Atomkraft und Klima gab es auf ScienceBlogs in jüngster Zeit folgende Themen

Atomkraftwerke als Klimaretter?
Atomkraftwerke als Klimaretter? (Teil 2)
Energie der Zukunft – Zukunft der Energie
Europaweiter Atom-Alarm ausgelöst

Kommentare (9)

  1. #1 student_b
    Juni 8, 2008

    So weit ich weiss, beträgt die momentane Uranproduktion 60’000 Tonnen jährlich, bei einem Verbrauch von 80’000t. (Das Defizit wird durch hochangreichertes Uran aus Nuklearwaffen gedeckt.)

    Bei einem ungefähren Verbrauch von ungefähr 200t Uran pro Reaktor und Jahr, würde man auf einen zusätzlichen Verbrauch von 256’000t Uran kommen. Über das vierfache der momentanen Jahresproduktion.

    Ich würde sagen, der Preis von Uran wird wohl stark steigen. Aktien von iranischen Uran-Anreicherungsanlagen sollen momentan besonders günstig zu haben sein, habe ich gehört.

    Ob das wohl einen Anlagemöglichkeit wäre?

    😉

  2. #2 Soziobloge
    Juni 8, 2008

    Hat eigentlich jemand mal gefragt wie lang dann das Uran hält? Hab mal irgendwo gesehen, dass das Uran bei weniger als den angeblich benötigten Kraftwerke noch ca 30 Jahre reichen würde. Hab leider noch keine Quelle zur Überprüfung der Daten gefunden.

    Abgesehen davon ist die Endlagerung ja auch ein massives Problem. Ich glaube CO2 ist weniger schädlich als die Strahlung des Atommülls. Abgesehen von der Wahrscheinlichkeit eines Störfalls.

  3. #3 student_b
    Juni 8, 2008

    Imho eine gute Seite (auf Englisch) über alle Arten von Ressourcen ist InfoMine http://www.infomine.com .

    Laut (I) [Quelle Atomindustrie] sind die momentan bekannten Reserven ca. 5 Mio. t Uran. Bei dem momentanen Verbrauch von ca. 60’000t Uran pro Jahr würde das für etwas über 80 Jahre reichen.

    Wie oben gesagt, kommt man (wenn all diese Reaktoren tatsächlich gebaut würden[sehr unwahrscheinlich]) auf einen Verbrauch pro Jahr von um die 250’000 – 300’000t. Die Reserven würden also für ca. 16-20 Jahre reichen.

    Es wird jedoch geschätzt, dass ca. das 10fache dieser Vorkommen ausbeutbar ist (mit gesteigerter Explorationstätigkeit) laut (I).

    Ein Report auf Deutsch aus dem Jahre 2006 (von Greenpeace). Dieser kommt auf ca. 14 Mio. t Uran für einen Uranpreis von ungefähr 130 $/kg (momentaner Preis ist zufälligerweise um die 130$/kg Uran, bei einem Höchststand von 300 $/kg Mitte Juni 2007) (gesicherte Vorkommen).

    Wären also beim momentanen Verbrauch über 200 Jahre, bei den genannten 1280 neuen Reaktoren immer noch über 60 Jahre. Bei momentan bekannten Vorkommen.

    Als Schlussfolgerung kann man sagen, die Vorräte reichen locker. Das Problem ist eher, das Uran an die Oberfläche zu bekommen. Wie oben gesagt, ist man momentan um ca. 20’000t im Jahr in der Kreide. Das Uran von Atomwaffen aus russischer Seite hört (je nach Quelle) um 2011-2013 auf (Auslaufen von Lieferverträgen, und Russland scheint nicht bereit zu sein die Verträge zu verlängern. Selbst verbrauchen, bzw. verkaufen nach Afrika, naher Osten, scheint deren Wahl zu sein.)

    Die Uranaufbereitung (La Hague, Sellafield) ist aufwendig und politisch stark umstritten. Das bauen neuer Minen braucht auch recht viel Zeit (besonders wenn die Vorkommen in Nationalparks sind, wie z.B. in Australien (Löwenanteil aller bekannten Vorkommen).

    Uran hat es also genug (es hätte sowieso noch über 40’000Mt im Meerwasser. Nur soll man das mal kostengünstig rausfiltern). Nur, wie teuer kann es/muss es werden damit auch die Förderkapazitäten geschaffen werden und wird dann der Strom aus Nuklearkraft nicht zu teuer?

    Von der Endlagerung wollen wir ja mal nicht sprechen. 😉

    (I) http://www.world-nuclear.org/info/inf75.html

    (II) http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/atomkraft/uranreport2006_lf.pdf

  4. #4 L. Carone
    Juni 8, 2008

    @Soziobloge: Na ja, die Gefährlichkeit von CO2 und Uran lässt sich so einfach nicht vergleichen. CO2 hat nun mal globalen Einfluss und lässt sich kaum aufhalten, während man den radioaktiven Sondermüll erst mal lokal irgendwo sammeln und irgendwo in Bergwerken unter Verschluss halten kann. Hofft man zumindest…Wobei natürlich auch die Frage aufkommt, wieviel CO2 der Bau und der Betrieb des Kernkraftwerkes erzeugt und wieviel nach Abzug dieser Kosten tatsächlich gespart wird.

    Es ist “nur” die Frage, was weniger schädlich ist und wie weit man im voraus planen möchte. 100 Jahre, 200? Tausend? Geht das überhaupt?

  5. #5 Soziobloge
    Juni 8, 2008

    @Carone: Meiner Meinung nach kann man auf lange Sicht eine Klimaveränderung, in welcher Richtung auch immer nicht aufhalten. Auf die Erdgeschichte hin gesehen, leben wir eh in einer ungewöhnlich kühlen Zeit. Aber ob wir gefährlichen Strahlungsmüll irgendwo vergraben, wo wir nur hoffen können, dass da die nächsten paar tausend Jahre nichts passiert, das können wir schon beeinflussen.

    Vielleicht sollte man mal überlegen ob dezentrale Energieversorgung nicht das beste wäre. Die Verlusste bei einer großen Anzahl von kleinen Kraftwerken beispielsweise für mehrere Häuser, wären zwar insgesamt größer als bei großen zentralen Kraftwerken, aber mit einem vernünftigen Energiemix auf lokaler Ebene könnte man sicher einige Probleme lösen. Das würde aber den Stromkonzernen das Wasser abgraben, von daher ist das sicher nicht gewünscht.

    Vielleicht liest ja jemand hier mit, der Ahnung von der Sache hat und kann zu der Idee mal was sagen.

  6. #6 Beatrice Lugger
    Juni 9, 2008

    @soziobiologe @student b – die Vorräte reichen zudem, da man Uran in bestimmtem Umfang wiederaufbereiten und neu anreichern kann.

  7. #7 Christian
    Juni 18, 2008

    Der republikanische Kandidat John McCain hat heute einen Teil seines Plans “gegen den Klimawandel” bekanntgegeben: Den Bau von 45 neuen Atomkraftwerken in den USA bis zum Jahr 2020….

  8. #8 Oliver
    Juni 19, 2008

    Eine gesteigerte Nutzung von Atomenergie wirft aber auch wesentliche Sicherheitsfragen auf. Je mehr radioaktives Material ich von je mehr Quellen an je mehr Orte hinverfrachte, desto größer -rein statistisch- das Risiko, dass a)bei einem Transport ein Unfall geschieht bzw. b)so ein Transport in die falschen Hände fällt. Dies einzudämmen bzw. entsprechende Präventivmaßnahmen zu ergreifen verursacht zusätzliche Kosten, und wenn es insbesondere im Fall b)mal nicht zur Vermeidung reicht haben wir ein Riesenproblem.

    @student b)
    Eine gesteigerte Explorationstätigkeit würde die CO2-Bilanz von Atomstrom aber auch nachhaltig verschlechtern, insofern müsste man dann sowieso nochmal komplett neu rechnen.

  9. #9 Fahrerlaubnis
    März 2, 2009

    Es muss erst offensichtlich zu einem erneuten GAU kommen damit die profitorientierten Menschen sich Klar machen was Sie der Zukunft hinterlassen.