Auguste Deter war fünfzig Jahre alt, als sie im Jahr 1901 von ihrem Mann in die Klinik gebracht wurde. Binnen eines Jahres hatte sie immer stärker ihr Erinnerungsvermögen eingebüßt, war phasenweise vollkommen orientierungslos geworden und ihre Stimmungsschwankungen zwischen mißtrauisch, hilflos und aggresiv führten dazu, daß ihr Mann sich keinen anderen Rat mehr wußte, als seine Frau den Psychiatern vorzustellen.

Dem behandelnden Arzt in der Frankfurter “Städtischen Anstalt für Irre und Epileptische” waren solche Patienten wohlvertraut. Allerdings hatte er eine solche Form geistiger Verwirrtheit noch niemals bei einer solch jungen Patientin erlebt. Er dokumentierte akribisch den Krankheitsverlauf von Auguste Deter und bezeichnete diese Verlaufsform der (prä-)senilen Demenz als “Die Krankheit des Vergessens“.

Auguste Deter verstarb. Und der Nervenarzt Alois Alzheimer, der sie in Frankfurt behandelt hatte, stellte bei der histologischen Untersuchung ihres Gehirns seltsame weiße Verklumpungen fest.

Und wenige Jahre später, als 1910 der große Psychiater Emil Kraepelin sein “Lehrbuch der Psychiatrie” neu herausgab, behandelte ein eigenes Kapitel solche Demenzerkrankungen, wie sie bei Auguste Deter erstmals detailliert beschrieben wurden.

Und Kraepelin nannte das Leiden die “Alzheimer-Krankheit”. Seitdem hat der Nervenarzt Alois Alzheimer seinen festen Platz in der Medizingeschichte.

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Der hundertjährige Kampf gegen die “Krankheit des Vergessens”

Und seitdem führt die Medizin einen Kampf gegen die Alzheimer-Krankheit, von der allein in Deutschland über 700 000 Menschen betroffen sind. Mit dem 65 Lebensjahr beginnen meist die ersten symptomatischen Auffälligkeiten und bei den über 80-jährigen muß bei rund 20% die Diagnose “Morbus Alzheimer” gestellt werden.

Klar ist, daß es sich bei Alzheimer um ein multifaktorielles Geschehen handelt. Eine genetische Disposition spielt eine Rolle, genauso scheinen etwa Diabetes-Erkrankungen eine spätere Alzheimer-Erkrankung zu begünstigen.

Allen Patienten gemein sind die charakteristischen Ablagerungen, die bereits Alois Alzheimer als weiße Verklumpungen im Gehirn von Auguste Deter fand. Bei diesen Verklumpungen handelt es sich um die berüchtigten Plaques, also falsch gefaltete Proteine, die sich ablagern und im fortgeschrittenen Stadium das Gehirn durchsetzen.

Die verfluchten Plaques: Proteinablagerungen, die den Geist verändern

Allerdings ist bis heute nicht ganz klar, ob diese Plaques krankheitsauslösend oder nur ein sekundärer Effekt der eigentlichen Erkrankung sind. Außerdem ist bekannt, daß das Fortschreiten der Erkrankungen mit dem Absterben von Nervenzellen einhergeht, die den wichtigen Neurotransmitter Acetylcholin herstellen.

Fest steht, daß eine erfolgreiche Therapie entweder an den Plaques (die v.a. aus Beta-Amyloid-Peptiden bestehen) oder am Botenstoff Acetylcholin ansetzen muß.

Hoffnungsschimmer oder Durchbruch?

Wie heute in einem Artikel in der Fachzeitschrift nature zu lesen ist, sind Wissenschaftler im Kampf gegen diese beängstigende Krankheit einen wichtigen Schritt vorangekommen. Ein Forscherteam um Thomas Kukar und Todd E. Golde von der Mayo Clinic/Florida konnte nun einen Angriffspunkt identifizieren, an dem die Produktion der besonders verhängnisvollen Beta-Amyloid-Proteine beeinflusst werden kann.

Die Therapie mit dem Wirkstoff “Tarenflurbil” führt in den derzeit laufenden klinischen Studien erfreulicherweise dazu – wie die Forscher heute in nature ausführen -, daß die Anzahl der langen (und damit besonders stark zu Verklumpung neigenden) Amyloid-Proteine sinke. Gleichzeitig konnte die Bildung von kurzen Proteinstücken positiv beeinflusst werden.

Im Blogartikel der Majo-Clinic wird Todd E. Golde, einer der Hauptautoren, folgendermaßen zitiert:

“So, as these compounds lower the amount of the bad, longer sticky Abeta peptides in the brain, they increase the quantity of shorter Abeta peptides that may protect against development of Alzheimer’s disease.”

Den weltweit rund 20 Millionen betroffenen Patienten wäre zu wünschen, daß dieser Hoffnungsschimmer diesmal vielleicht wirklich in vielversprechende Therapien münden kann. Die klinischen Studien laufen ja und sind offenbar durchaus erfolgreich.

Wissenschaftler der TU Darmstadt am Erfolg mitbeiteiligt

Und schön ist auch, daß – dies als Randbemerkung – bei diesem internationalen Erfolg auch deutsche Forscher beteiligt waren: Mitautoren der Studie sind nämlich Prof. Dr. Boris Schmidt und Dr. Rajeshwar Narlawar vom Clemens-Schöpf-Institut für Organische Chemie und Biochemie der TU Darmstadt.

Herzlichen Glückwunsch dazu.

Das nature-Paper:

Thomas L. Kukar, Thomas B. Ladd, Maralyssa A. Bann, Patrick C. Fraering, Rajeshwar Narlawar, Ghulam M. Maharvi, Brent Healy, Robert Chapman, Alfred Welzel, Robert W. Price, Brenda Moore, Vijayaraghavan Rangachari, Bernadette Cusack, Jason Eriksen, Karen Jansen-West, Christophe Verbeeck, Debra Yager, Christopher Eckman, Wenjuan Ye, Sarah Sagi, Barbara A. Cottrell, Justin Torpey, Terrone L. Rosenberry, Abdul Fauq, Michael S. Wolfe, Boris Schmidt, Dominic M. Walsh, Edward H. Koo & Todd E. Golde, Substrate-targeting-secretase modulators, Nature 2008, 453, 7197, doi:10.1038/nature 07055.