i-86ee0e6eecf435bb49222b90913aad23-Energy_01.jpg

Heute hat das Bundeskabinett den zweiten Teil des Klimaschutzprogramms beschlossen. Und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ließe sich am liebsten als Robin Hood der Ökobewegung feiern.

Doch ist der dicke Gabriel wirklich der ruhmreiche Held, der die Republik mit einem Maßnahmenpaket für mehr Energieeffizienz beglückt und gleichzeitig dem Ziel näherbringt, den CO2-Ausstoß bis 2020 um rund 40% Prozent (im Vergleich zu 1990) zu senken? Oder hat er sich von den Verhandlungspartnern einlullen lassen?



Größtes Klimapaket aller Zeiten?

Während sich Sigmar Gabriel gerne in der Rolle des umjubelten Klimaretters sieht, wird von anderer Seite der Zuschnitt des Maßnahmenkatalogs bemängelt. Die Kritiker lamentieren, daß das Programm zuviele Kompromisse beinhalte und nicht viel mehr als “heiße Luft” sei, so etwa der Vorwurf von Renate Künast (Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen).
Und von Seiten der Verkehrslobbyisten hagelt es ebenfalls Kritik: der Bundesverband der Spediteure bezeichnete das Paket als “gnadenloses Existenzvernichtungsprogramm”.

Was ist dran an der Kritik und welche Punkte beinhaltet das Maßnahmenprogramm konkret?

Als Überschrift über diesem zweiten Teil des Klimaschutzpakets, um den nun wochenlang gestritten wurde, steht das Thema “Energieeinsparung”. Und die größten Einsparpotentiale liegen schlicht im Bereich des Bau- und Verkehrssektors.

Insofern sind die fünf Hauptpunkte des Programms zunächst plausibel:

  1. Wohnungsbau und Wärmedämmung: Neubauten sollen ab 30 Prozent weniger Enrgie verbauchen.
  2. Heizkostenverordnung: Energiesparen soll sich lohnen, deshalb dürfen in Mietgebäuden die Heizkosten nicht mehr pauschal auf alle Parteien umgelegt werden.
  3. Intelligente Stromzähler: Die Einführung neuer Stromzähler soll den Verbrauchern mehr Einblick in die Einsparmöglichkeiten geben. Stichwort: Verbrauchstransparenz.
  4. Beschleunigung des Stromnetzausbaus: um Ökostrom (v.a. aus Offshore-Windparks) effizient in die Verbrauchszentgren zu transportieren sind Neubauten notwendig.
  5. Erhöhung der LKW-Maut: schadstoffärmere LKWs werden bevorzugt, die Dreckschleudern zahlen mehr.

(Mehr Details im Hintergrundpapier zur Verabschiedung des Maßnahmenpakets.)

Das alles liest sich gut und ist sicher nicht verkehrt. Traurig ist, daß man auf dem Weg zu diesem Teil II des Pakets soviele Kompromisse machte und letztlich hinter den Möglichkeiten zurückbleibt.

Die Kritik von Seiten der Umweltverbände ist insofern berechtigt. Auch der “Sachverständigenrat für Umweltfragen” (SRU) der Bundesregierung zeigte sich enttäuscht darüber, daß das Programm “verwässert” wurde.

Was fehlt?

Vor allen Dingen fällt auf, daß die Maßnahmen kaum mit Sanktionsmöglichkeiten flankiert sind. Beispiel: Vermieter, die die Energiestandards nicht einhalten bzw. die notwendigen Sanierungsmaßnahmen nicht einleiten, müssen seitens der Mieter nicht mit Einbehalt der (unnötig hohen) Heizkosten rechnen. Es gibt schlicht keine Pflicht zur Altbausanierung. Und an Kontrollmechanismen mangelt es auch an anderen Stellen…

Genauso ärgerlich ist, daß man die lange diskutierte Umstellung der KFZ-Steuer von Hubraum auf den CO2-Ausstoß nochmals vertagt hat. Und so wie es aktuell aussieht, wird die Neuregelung der Besteuerung (die dringend geboten wäre) ohnehin nur Neufahrzeuge betreffen – auch hier hat die Autolobby offenbar gesiegt.

Ehrenwerte Motive, mangelhafte Umsetzung

Die Verhandlungsrunden haben im Detail viele kleine Zugeständnisse im Hinblick auf (kurzfristige) Wirtschaftsinteressen ergeben – in der Gesamtschau ist das bedauerlich. Auch weil der Innovationsschub für die Branche der Bauwirtschaft, die sich auf Energieeffizenz spezialisiert, kleiner ausfällt, als es möglich gewesen wäre. (Und auch anderen Orten der Blogosphäre stößt das Paket auf wenig Gegenliebe.)

Fazit: Das Programm beinhaltet wichtige und richtige Konzepte. Und es schadet nicht. Allerdings hätte man sich eine konsequentere Umsetzung gewünscht – aber vermutlich wird es ohne sanften Zwang nicht gehen.

Und dieser “Zwang” wird möglicherweise aus Brüssel kommen (Stichwort: Verbot von konventionellen Glühbirnen). Zugleich werden die steigenden Energiepreise ihr weiteres tun, um uns zu Verhaltensänderungen zu veranlassen. Selbst in den USA entdeckt man – wie Jürgen Schönstein schildert – mehr und mehr das Fahrrad als Fortbewegungsmittel…