Wenn sich Studienergebnisse mit der eigenen Erwartungshaltung decken, dann ist das wunderbar. Noch besser ist es, wenn sich auf dieser Basis freche Schlagzeilen basteln lassen. Dumm ist es allerdings – wie ein aktueller Fall zeigt -, wenn man die Studie nur halb gelesen oder nicht verstanden hat.
Der deutsche Wissenschaftsjournalismus illustriert erneut, daß er viel zu häufig leichtgläubig am Agenturtropf hängt und zu bequem für eigene Recherchen ist…
Wenn sich zwei Menschen besonders “gut riechen” können
Menschen, die sich mögen, können sich “gut riechen”. Diese Redewendung verrät mehr über die Art und Weise, wie wir unsere Sympathien verteilen, als wir üblicherweise ahnen.
Denn die Gerüche unserer Mitmenschen, die feinen olfaktorischen Nuancen, bestimmen auf subtile Weise, mit welchen Menschen wir uns gut und mit welchen wir uns weniger verstehen. Klar, daß die olfaktorische Komponente auch bei der Partnerwahl (wenn sich potentielle Liebespartner “beschnuppern”) ins Spiel kommt.
Fremde Düfte sind attraktiv
Dieser Zusammenhang ist altbekannt. Denn über den Geruch können wir offensichtlich unbewußt feststellen, ob das genetische Profil des künftigen Partners “günstig” ist. Und günstig heißt schlicht: anders. Wenn die genetische Ausstattung der Eltern eine größere Variation aufweist, dann ist das – so die gängige Lehrmeinung – ein evolutionärer Vorteil.
Eine aktuelle Studie, die von Wissenschaftlern der Universität Liverpool durchgeführt wurde, ist nun der Frage nachgegangen, ob die Einnahme der Anti-Babypille dieses olfaktorische Partnerwahlsensorium beeinflusst. Und wenn man all den Artikeln in der Tages- und Onlinepresse glauben darf, dann krempelt die Pille die Geruchsvorlieben der partnersuchenden Frauen gehörig um.
Bei SpiegelOnline konnte man gestern lesen: “Pille lässt Frauen auf falsche Männer fliegen” und Welt-Online titelte zwar noch zurückhaltend mit: “Antibabypille beeinflusst die Partnerwahl” klärt die neugierigen Leser und Leserinnen dann aber folgendermaßen auf:
Doch durch die Pille suche sich eine Frau eher genetisch ähnliche Partner aus, berichteten britische Forscher in Studie der Universität Liverpool. Diese „Störung” der instinktiven Partnerwahl könne zu einem höheren Risiko von Fehlgeburten, Empfängnisproblemen und längeren Abständen zwischen Schwangerschaften führen.
Und auch das Immunsystem des Nachwuchses sei möglicherweise durch die Pille beeinträchtigt.
Das Problem: die Studie lässt solche Schlußfolgerungen strenggenommen gar nicht zu! Und von wegen “Die Pille lässt Frauen auf falsche Männer fliegen“… – der Fall illustriert allenfalls, daß auch in der Sommerpause höchst schlampig recherchiert wird und man es scheut, den Originalartikel in die Hand zu nehmen.
Wie Christoph Larssen bereits notiert hat, ist Nina Bublitz mit ihrem Text bei stern-online eine löbliche Ausnahme. Sie schreibt:
In der zugehörigen Studie, auf die sich die steile These stützt, fehlt der Beweis dafür.
Und Nina Bublitz liegt mit ihrer Bemerkung ganz richtig. Denn die Ergebnisse von Craig Roberts und seinem Team sind eher ernüchternd. Die Forscher hatten rund hundert Frauen vor und nach der Einnahme der Pille zum Schnuppertest gebeten.
Zweimal zum Schnuppertest
Die Probandinnen sollten an sechs T-Shirts von unterschiedlichen Männern riechen. Darunter waren jeweils drei Männer mit einem ähnlichen und drei Männer mit einem möglichst von der schnuppernden Kandidatin unterschiedlichen Genprofil. Gradmesser war dabei der „Major Histocompatibility Complex (MHC)”. Ein Proteinkomplex, der innerhalb des Immunsystems eine Rolle spielt, über Hautbakterien aber auch für die Duftnote mitverantwortlich ist.
Die Frauen sollten bewerten, welcher Geruch ihnen angenehm oder unangenehm ist. Doch nach dem ersten Schnupperdurchgang waren die Ergebnisse mehr als ernüchternd. Weder die Düfte der ähnlichen, noch der genetisch unähnlichen Mannsbilder wurden meßbar bevorzugt.
In der Originalstudie kann man lesen:
Although several studies have reported significant effects of MHC dissimilarity on women’s preferences for male body odour, we were unable to replicate this on our main sample of women…
Erstaunlich, denn in unzähligen Meldungen vom gestrigen Tag liest sich das deutlich anders. Und die Forscher beichten keineswegs nur an einer Stelle, daß ihre Ergebnisse nicht sehr eindeutig sind – sie notieren weiter:
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