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Es ist ja fast schon selbstverständlich, heutzutage Bescheid zu wissen, was zum guten Ton im Ausland gehört. Wie man sich verhalten sollte – und wie eben nicht. Kulturelle Unterschiede finden sich in den kuriosesten Bereichen.

“Interkulturelle Kompetenz” nennt sich dieses Gebiet, und in Peking ist die momentan ein großes Thema. Anstatt aufzudecken, was Sportler verschiedener Kulturen unterscheidet, fasste sich die Psychologin Jessica Tracy von der University of British Columbia ein Herz und untersuchte im Rahmen einer Studie den Schlüssel zur Völkerverständigung: Was eint uns eigentlich?

Bei Sieg und Niederlage sind wir alle gleich

Siege und Niederlagen, meint Jessica Tracy. Für ihre Studie verglich Tracy das Verhalten, sowohl von Sehenden, als auch von Geburt an blinden Judokas bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen. Dabei stellte sie fest, dass sowohl die sehenden Sportler unterschiedlicher Kulturen, wie etwa Algerien, Taiwan, der Ukraine und den USA, als auch blinde Sportler, die ihr Verhalten nicht als Kind “abgeschaut” haben können, bei Siegen die Brust rausstrecken und die Arme in die Luft reissen. Ebenso scheinen sich frischgebackene Verlierer zu “verkriechen” – sie beugen sich, “verstecken” den Brustkorb und schlagen die Hände vors Gesicht.

Stolz und Niederlage wurden nach Jessica Tracys Angaben zuvor nie als für die Verhaltensforschung relevante Emotionen untersucht: “Dabei kann Stolz als angeborenes. biologisches Verhalten des Menschen Aussagen über die menschliche Sozialdynamik machen.” Bisher habe die Forschung andere Gefühle wie Angst, Ärger oder Freude untersucht. “Unsere Erkenntnisse unterstützen die Evolutionsthesen, dass Stolz und Schamgefühl leistungsstarke Mittel sind, um den eigenen sozialen Status zu stärken oder auch zu schwächen,” erklärt die Psychologin.

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Siegerfreude ist erlaubt, Verliererfrust manchmal unerwünscht

In der Studie wird leider nicht darauf eingegangen, ob nicht auch blinde Sportler – aus Beschreibungen, Radiokommentaren etwa – sehr genau wissen, wie sich andere Athleten bei Sieg oder Niederlage verhalten. Dafür stellten sie jedoch eine feine Abweichung bei den Sehenden fest: Sportler aus Nationen, in denen besonders großer Wert und damit auch Druck auf das Individuum gelegt wird – in der Studie etwa die USA und Länder Westeuropas – schämen sich öffentlich weniger. “Fare bella figura” scheint dort vorderrangig zu sein, oder auch “gute Miene zum bösen Spiel”.

Unterdrückte Gefühle bei Olympia? Geht es dort nicht um Leidenschaft beim Sport? Sie müssen sich ja nicht gleich auf die Suche nach dem inneren Kind machen. Aber, meine lieben Westeuropäer, wenn in Peking einer weinen muss, dann werden wir ihn in Gedanken zumindest umarmen. Und nicht lachen oder zur Disziplin mahnen. Okay?