Functional Food ist eine tolle Sache. Es hält den Körper an irgendeiner Baustelle fit und gut schmecken tut es auch. Danone plant nun einen Coup, der gesunde Ernährung revolutionieren dürfte: Einen Drink, der das Fortschreiten von Alzheimer verzögert.
“Souvenaid™“, eine Mischung aus dem französischen “se souvenir” (sich erinnern) und “aide” (Hilfe) soll “bestimmte kognitive Fähigkeiten verbessern können”, erklärt Stéphanie Rismont, Sprecherin von Danone, gegenüber der Schweizer Zeitung Tagblatt. Dabei beruft sich die Zeitung unter anderem auf einen Artikel im Parisien – den Originaltext gibt es hier.
Studie lässt keine Zweifel: Souvenaid™ hat uns noch gefehlt
Beweisen lässt sich die wundersame Wirkung von Souvenaid™ mittlerweile auch: Beim International Congress on Alzheimer’s Disease stellte der Amsterdamer Neurologe Philip Scheltens eine Studie zum Getränk vor:
In zwei Gruppen aufgeteilt tranken Patienten im Frühstadium ihrer Krankheit entweder Souvenaid™ oder ein Getränk, von dem nur bekannt ist, dass es etwa gleich viel Kalorien hat. Und siehe da: Nach drei Monaten war die Krankheit bei Souvenaid™-Trinkern noch nicht so weit fortgeschritten, wie bei ihrer bemitleidenswerten Kontrollgruppe.
Wirkstoff von Souvenaid™ ist “Fortasyn™”, das im Abstract als “Gemisch verschiedener Nährstoffe” erklärt wird.
Fortasyn™ ist wie auch Souvenaid™ ein geschützter Begriff von Nutricia – einem Unternehmen, dass nach eigenen Angaben auf “Ernährungstherapien” spezialisiert ist und – hoppla – Teil der Danone Gruppe ist.
Probiotische Joghurts können einpacken
Diese gesunden Drinks sind ja per se nicht neu. “Leckere Produkte für eine gesunde Ernährung. Und das mit wissenschaftlichem Nachweis der positiven Effekte auf die Gesundheit.” – so lautet der Anspruch, den Danone sich auf die Fahnen schreibt.
Wir erinnern uns:”So wertvoll wie ein kleines Steak,” hieß vor Jahren schon der Slogan vom Fruchtzwerg, dieser halben Portion. “Activia hilft die Verdauung natürlich zu regulieren”, lässt uns Danones probiotoscher Joghurt seit ein paar Jahren wissen, dazu aktiviert Actimel noch unsere Abwehrkräfte. Und schmeckt! Actimel beurteilte Stiftung Ökotest im Jahr 2001 übrigens sogar mit “sehr gut”, fügte aber hinzu:
“Alle elf Joghurts und Milchgetränke bestanden unseren Test. Allerdings bedeutet unser Urteil »empfehlenswert« in diesem Test nicht, dass wir probiotische Bakterien für gesünder halten als die üblichen Joghurtkulturen. Denn das konnte bisher nicht nachgewiesen werden.”
Wie? Die wirken gar nicht? Die Kügelchen, diese “lebensfähigen Mikroorganismen”, die in der Werbung meinen lahmen Darm anschubsen… gibt es gar nicht? Nun ja, es gibt diese Bakterien ja im Joghurt. Nur überleben sie den langen Weg zum Darm größtenteils nicht – und selbst dann ist der Darm keine leere Wüste sondern bereits voll von was…? Aktiven Bakterien. Genau.
Was nicht heißt, dass man sie prinzipiell vermeiden sollte. Sie schmecken ja, das will ich gar nicht abstreiten. Trotzdem gibt es ein paar Randgruppen, die lieber keine probiotischen Joghurts essen sollten: Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist. Zu dem Schluss kam ärgerlicherweise eine Studie von Kinderärzten der Universität Virginia.
Einen Joghurt für jede Generation
Alzheimerpatienten haben kein besonders gutes Immunsystem und sollten auf ihre Ernährung achten. Dafür haben sie bald Souvenaid™.
Sogesehen entsprechen der Joghurt und sein trinkbarer Bruder der Erwachsenen-Version des Fruchtzwergchens: Nein, Kalzium ist mehr so wichtig wie früher, wachsen tut man ja nicht mehr. Aber wenn Mama und Papa mal Darmprobleme haben oder eine Erkältung fürchten, dann sind sie mit probiotischen Joghurts gut beraten. Und dann wird es da noch Opas leckeren Vergissnichttrank geben. Den kann er ja auch präventiv zu sich nehmen – kann ja nicht schaden, der kommt schließlich nicht aus der Apotheke, sondern aus dem Supermarkt.
Die Health-Claims-Verordnung auf der Suche nach Beweisen
Denn wenn es Souvenaid™ erst mal im Supermarkt gibt, wird die Generation, die im Laufe ihres Lebens schon munter zu probiotischen Vorläufern gegriffen hat, sich ihren eigenen Reim machen: Was nicht verschreibungspflichtig ist und trotzdem – wissenschaftlich erwiesen! – wirkt, damit kann ich vielleicht auch vorbeugend meine grauen Zellen schützen. Starkes Arguement, diese Angst vor geistigem Verfall.
Es kann kein Zufall sein, dass Danone so ein kurioses Getränk aus dem Hut zaubert. Derzeit befinden sich probiotische Joghurts auf Grund der Health-Claims-Verordnung der Europäischen Union in einer Übergangsphase: Ab Ende 2009 dürfen sie dann nur noch gesundheitsbezogene Aussagen machen, wenn sie diese auch wissenschaftlich belegen können. Souvenaid soll voraussichtlich 2010 auf den Markt kommen – ein fließender Übergang also.
Gegenüber der Financial Times äußerte sich Udo Pollmer vom Europäischen Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften dazu: “Kuriose Ideen wie Alzheimer-Getränke nutzen in erster Linie nur einem – dem Lebensmittelkonzern.”
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