In größeren Gruppen jede noch so kleine Entscheidung im Konsens zu treffen kann sehr nervenzehrend sein und ist vermutlich deswegen auch eine überholte Vorstellung der Basisdemokratie. Dennoch steckt vermutlich genügend Mutter Natur in uns, damit wir in Massen mit kollektiver Intelligenz entscheiden können. Ähnlich einem Fischschwarm etwa.

i-306e16adf9ce5d855209271a3ab66854-Fischschwarm250.jpg

Einen Versuch zur sogenannten Schwarmintelligenz führten Mathematiker der Universität Bremen beim diesjährigen lokalen “Viertelfest” durch: Das Stadtteilfest, das jährlich etwa 150.000 Besucher anzieht, wurde zum Schauplatz für das größte in Deutschland je durchgeführte Experiment zur kollektiven Intelligenz von Menschenmengen.

Dazu erhielt jeder Besucher ein kleines Blech-Insekt, mit dem man Knackgeräusche machen konnte. Damit sollte getestet werden, ob sich bei der Aufforderung zu knacken, ein gemeinsames Knackverhalten entwickelt und sich die Masse automatisch rhythmisch koordiniert.

In einem zweiten Experiment überprüften die Wissenschaftler die “Weisheit der Vielen” – stimmt die Annahme, dass der Durchschnitt aller Einschätzungen in einer großen Masse näher am realen Ergebnis liegt, als wenn man nur wenige Personen befragt? Dazu sollten die Besucher des Viertelfests raten, wie viele Lose bei der “Haste mal ‘ne Mark?”-Tombola verkauft wurden. Zum Vergleich schätzte ein Organisator der vorjährigen Tombolas, seines Zeichens Experte für die Fragestellung, wie viele Lose verkauft würden.

“Das Interessante an diesem Versuch ist der Vergleich, wer klüger ist,” erklärt der Studienleiter Prof. Dr. Ulrich Krause im Interview mit ScienceBlogs. “Ist die Masse doof und die Elite klüger oder setzt sich die kollektive Intelligenz gegen einen Experten durch?”

Wenn die Experimente auch kleiner als geplant ausfielen – der Samstag ertrank im Bremer Schietwedder und zog weniger Besucher als erwartet an – konnten die Mathematiker doch eines feststellen: Der Mensch ist ein Rudeltier. “Beim Knack-Experiment hat eindeutig eine Synchronisation stattgefunden,” erklärt der Mathematiker Krause. “Anfangs knackten die Blech-Insekten noch wild durcheinander, bald stellte sich aber ein immer schneller werdender Rhythmus heraus. Wenn das Tempo zu schnell wurde, verlor sich der Rhythmus wieder – ganz wie beim Applaus nach Konzerten.”

Die Ergebnisse der Knack-Synchronisation wurden noch während des Festes verarbeitet und grafisch auf eine Leinwand projiziert – so konnten die Besucher direkt verfolgen, ob sie gerade als Masse oder Individuum handeln.

Außerdem haben nach Geschlechtern getrennte Versuche gezeigt, dass Männer stärker synchronisieren als Frauen. Prof. Dr. Krause vermutet dahinter mehr Übung: “Männer haben zum Beispiel im Stadion öfter mit synchronisiertem Klatschen oder Gröhlen zu tun.”

Das Ergebnis des Tombola-Experiments ist noch nicht bekannt, erscheint aber am Mittwoch zum einen im Weser Kurier, zum anderen hier auf ScienceBlogs.

Kommentare (1)

  1. #1 Mike
    April 15, 2011

    3Sat neues Sendung vom 10.04.2011 – Thema: “Online-Crowd”: Zusammen sind wir klüger. http://www.3sat.de/page/?source=/neues/sendungen/magazin/152817/index.html