Unsichtbar sein – das wäre nicht nur direkt nach dem Betreten eines Fettnäpfchens nützlich, sondern vor allem der heimliche Wunsch der Rüstungsindustrie. Und wenn man dem Tenor der gestrigen Tageszeitungen Glauben schenkt, ist es gar nicht mehr so weit hin mit der Tarnkappe.
“Eine knackige Überschrift ist die halbe Miete,” sagte mir mein ehemaliger Vorgesetzter mal. “Dann wird der Text auch gelesen, wenn’s Grütze ist.” Grütze möchte ich diese Meldungen nicht nennen – aber sagen wir mal “heiß gekocht”.
“Forscher entwickeln Tarnkappe” titelte gestern die Berliner Zeitung, das Handelsblatt ließ sich zur knappen “Tarnkappe in Sichtweite” (haha.) hinreissen. Dort und in vielen, vielen weiteren Nachrichtenmagazinen konnte man dann lesen, dass Forscher der Universität Berkley einen künstlichen Stoff aus Metamaterialien geschaffen hätten, der Licht eben nicht bricht, sondern zerstreut und deswegen unsichtbar sei.
Ein Exklusivfoto vom Forscherteam in Anzügen aus Metamaterial gibt es hier.
Nein, das ist natürlich Unfug. Es gibt keine Bilder vom Tarnkappenstoff. Was zum einen daran liegen mag, dass er ja unsichtbar ist und Fotos daher sehr langweilig wären. Zum anderen, so erklärt der Phyisikprofessor und Projektleiter Xiang Zhang, ist der unsichtbare Stoff ein kleines Gitter aus abwechselnden Silber- und Magnesiumfluoridlagen, insgesamt 80 Nanometer stark. Das entspricht etwa 1/250 von der Stärke eines menschlichen Haares – ziemlich klein also, fast unsichtbar.
Man soll ja nicht alles glauben, was in der Zeitung steht. Eine Sprecherin der UC Berkley erklärt, das neue Material solle Lichtstrahlen nicht wie üblich reflektieren, sondern an sich vorbeifliessen lassen wie etwa ein Stein in einem Fluss.
Bisher könne dies jedoch nur mit sehr kleinen Stoffen funktionieren, da die Abstände zwischen Silber und Magnesiumfluorid kleiner sein müssen, als die elektromagnetische Wellenlänge. Diese, zu der auch Licht gehört, liegt im sichtbaren Bereich zwischen 400 und 700 Nanometern.
Zu früh gefreut also.
Dabei laufen die Forschungen zu Tarnkappenstoffen weltweit an verschiedenen Instituten schon seit Jahren. 2012 könnte es nach Schätzungen des britischen Physikers Sir John Pendry so weit sein – dann könnte es Demonstrationsobjekte geben, die sichtlich unsichtbar sind, erklärte er Spiegel Online.
Vor zwei Jahren ließen Physiker der Duke University in North Carolina einen Kupferblock unter Tarnmaterial verschwinden – unsichtbar war dieses jedoch nur für Mikrowellen, nicht aber für die elektromagnetischen Wellen unseres Lichts.
Wir müssen uns scheinbar noch gedulden, und vielleicht ist das ein Segen. Denn so bleibt genügend Zeit, um schon mal die Probleme aus der Welt zu schaffen, die Tarnkappen nun mal mit sich bringen: Wer darf sich verstecken? Werden wir nicht alle paranoid – zu Recht! – wenn die ständige Beobachtung droht? Und was wird aus der Glasfensterindustrie?
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