Ist hier noch jemand, der aus Unwissenheit heute so gar nichts zum LHC beitragen kann? Ja? Sie? Dann gäbe es hier die Top drei Suizidpräventionsmethoden, pünktlich zum Weltsuizidpräventionstag. Ein spannendes Thema. Denn obwohl man meinen könnte, Selbstmord sei zu persönlich, als dass sich Suizidwillige da reinreden ließen, gibt es zahlreiche Möglichkeiten der Vorbeugung:
Platz Drei: Hotspots absichern.
Orte wie der Eiffelturm oder die Europabrücke am Brenner bei Innsbruck sind traditionelle Magneten für Selbstmordwillige. Von dort zu springen, ist – ander als ein Selbstmordversuch mit Tabletten etwa – kaum zu überleben. Zudem versprühen ja gerade Orte wie der Eiffelturm oder auch das Empire State Building eine gewissen Romantik – Grund genug, für Liebeskummer-Leidende, auch mal hunderte von Kilometern zu fahren, um dann in einem scheinbaren Akt der Leidenschaft zu springen.
Und was, wenn dann die Absperrung zu hoch ist? Dann muss das Schicksal eingegriffen haben. Sagen sich zumindest die meisten “Affekt”-Suizidanten, die ihr Vorhaben dann auch nicht mehr auf andere Art in die Tat umsetzen möchten. Dass bauliche Maßnahmen wie Sicherheitsnetze oder hohe Brüstungen Suizidraten von Regionen oder im Falle des Eiffelturms eines ganzen Landes merklich senken können, belegen diverse Studien: Der Psychologe Richard Seiden vom der School of Public Health an der Universität Berkeley etwa kam zum Ergebnis, dass nur 6 Prozent derer, die durch bauliche Maßnahmen am Suizid gehindert werden konnten, sich später auf andere Art das Leben nahmen, wie die New York Times berichtet.
In der Schweiz wurde 1998 die Terrasse des Berner Münsters mit einem Netz gesichert – seitdem sprang dort niemand mehr in den Tod. An andere Brücken oder hochgelegenen Plattformen in Bern und im Berner Umland haben sich die Suizide nach Angaben des Schweizer Psychiaters Dr. med. Thomas Reisch auch nicht gesteigert, es fand also nicht einfach eine Verlagerung der Suizide statt. Die Anzahl der Sprünge von der nahegelegen Kirchenfeldbrücke halbierte sich sogar.
Weshalb die Golden Gate Bridge in San Francisco dennoch der “beliebteste” Hot Spot der Welt bleibt, erklärte vor drei Jahren Spiegel Online in einem interessanten Artikel.
Platz Zwei: Medien vor dem Werther-Effekt warnen
Seinen Namen trägt er von den “Leiden des jungen Werthers” – nachdem der Roman 1774 veröffentlich wurde, identifizierten sich zahlreiche junge Leser mit dem tragischen Helden und nahmen sich auf ähnliche Art das Leben. Dieser damals erstmals beschriebene “Werther-Effekt” brachte Goethe sogar dazu, in späteren Ausgaben den Satz
Und du, gute Seele, die du eben den Drang fühlst wie er, schöpfe Trost aus seinem Leiden, und laß das Büchlein deinen Freund sein, wenn du aus Geschick oder eigener Schuld keinen nähern finden kannst!”
ins Vorwort einzufügen.
Auch heute noch lässt sich ein Anstieg der Suizidraten beobachten, wenn der Suizid eines Prominenten bekannt wird – nicht selten nehmen sich Fans auf ähnliche Art das Leben. Aber auch “Unbekannte” Lebensmüde sind Medien oft eine Meldung wert.
Wie über Selbsttötungen berichtet wird, hat nur ebenfalls Einfluss auf Suizidraten. Schließlich prägen Tageszeitungen, Fernsehen und Radio die Art und Weise, wie Suizide wahrgenommen werden, wenn beispielsweise von einem romantischen Selbstmord aus Liebeskummer berichtet wird. Formulierungen wie “er wurde in den Selbstmord getrieben” oder “es gab für ihn gab es keinen anderen Ausweg”, suggerieren, dass Suizid manchmal eben doch eine plausible Lösung sei – und lassen dabei außer Acht, dass sich Depressionen etwa durchaus behandeln lassen.
Der Deutsche Presserat hat 1997 folgenden Absatz in den Pressekodex in den Absatz zu Persönlichkeitsrechten aufgenommen:
Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände. Eine Ausnahme ist beispielsweise dann zu rechtfertigen, wenn es sich um einen Vorfall der Zeitgeschichte von öffentlichem Interesse handelt.
Das Nationale Suizid Präventionsprogramm hat einen recht anschaulichen Flyer für Journalisten zu dem Thema erstellt. Und tatsächlich klingt folgende Einstellung zum Thema “Suizid in den Medien” von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann im Interview mit dem Evangelischen Pressedienst ganz verantwortungsbewusst:
Heute wissen wir, dass die Berichterstattung über Selbstmorde labile Menschen möglicherweise zum Nacheifern veranlasst. Deswegen sind wir in diesem Bereich extrem zurückhaltend. Und die entsprechenden Artikel müssen von der Chefredaktion genehmigt werden. Wenn jemand aber mitten in der Stadt vom Rathausdach springt und ein riesiges Verkehrchaos verursacht, können wir nicht einfach sagen, darüber berichten wir nicht. Das wäre Nachrichtenunterdrückung. Es gibt aber ganz viele Fälle ohne jegliche Relevanz. Die gehören auch nicht in die Zeitung.
Im wunderbaren Bildblog kann sich der geneigte Leser jedoch genauer ansehen, weshalb die auflagenstärkste deutschsprachige Tageszeitung im letzten Jahr dennoch Rügen vom Presserat erhielt – mit Zurückhaltung und Fingerspitzengefühl zumindest wurde wohl nicht geschrieben…
Platz Eins: Aufklärung!
Wer sich lange mit Selbstmordgedanken rumschleppt, leidet in der Regel an Depressionen. Das Kompetenznetz Depression infomiert über Behandlungsmöglichkeiten, vernetzt Multiplikatoren wie etwa Psychologen, Lehrer, Hausärzte und Pfarrer und betreibt seit 2001 Öffentlichkeitsarbeit gegen die Stigmatisierung von Depressionen.
In diesem Sinne: Seien Sie achtsam, wenn jemand in Ihrem Umfeld scheinbar gleichgültig vom Freitod spricht. Die Annahme, dass “wirklich” Depressive mit ihrer Krankheit und ihren Gedanken nicht hausieren gehen, ist verkehrt. Und um mit dem Slogan des Bündnis gegen Depressionen zu enden: “Depression ist behandelbar.”
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