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Die Jury des Deutschen Zukunftspreises hat heute Morgen die Nominierung des Forscherteams um Prof. Dr. Dr. Axel Haverich von der Medizinischen Hochschule überraschend zurückgezogen. Nachdem zuvor bereits ethische Bedenken an der von Haverich entwickelten, mitwachsenden Herzklappe geäußert wurden, erklärte die Jury nun in einer Pressemitteilung ihre Entscheidung mit patentrechtlichen Problemen.

Zwar handele es sich “bei den Arbeiten von Professor Haverich um ein außerordentlich qualifiziertes Forschungsprojekt […], dessen Innovationspotential außer Zweifel steht.” Dennoch müssten die Ansprüche Dritter berücksichtigt werden, die sich als vergessene Erfinder der Kinderherzklappe sehen.

Axel Haverich äußerte sich seinerseits im Rahmen einer Pressekonferenz in Hannover zu den Vorwürfen: Bis zur Nominierung des Teams habe niemand sein Patent auf die Herzklappe beanstandet. Seiner Ansicht nach resultiert der Rückzug der Nominierung aus einem “gezielten Rufmord” seitens der Süddeutschen Zeitung. Seitdem bekanntgegeben wurde, dass das Team potentieller Preisträger des mit 250.000 Euro dotierten Zukunftspreises ist, habe die Tageszeitung zwei Mal einen Berliner Arzt zu Wort kommen lassen, der die Patentrechte für die Herzklappe bei sich sieht.

“Das Einzige, was tatsächlich beanstandet wird, ist nicht unsere Herzklappe, sondern unser Verfahren zur Dezellularisierung,” erklärte Haverich. Für die mitwachsende Herzklappe wird eine Spendeherzklappe von Spenderzellen “gereinigt” und anschließend mit Zellen des kleinen Patienten versehen. Seit den Achtziger Jahren gibt es verschiedene Waschlösungen und Verfahren zur Reinigung der Gewebematrix. “Diese Artikel haben katastrophale Konsequenzen nach sich gezogen.”

Seiner Meinung nach habe die Süddeutsche Zeitung bewusst einen falschen Eindruck des Projekts vermittelt und beispielsweise betont, dass Haverich seine ersten Transplantationen in Moldawien, dem ärmsten Land Europas, durchgeführt habe. “Nur Schafe waren vor den moldawischen Kindern in den Genuss der hannoverschen Innovation gekommen,” schrieb die Zeitung am 20. Oktober.

Der Mediziner jedoch verteidigt sich: Seit den Neunziger Jahren arbeite er regelmäßig in Moldawien und versuche eben den ärmsten Bewohnern Europas zu helfen. Dr. Serghei Cebotari, Mitentwickler der Herzklappe, stamme zudem aus Moldawien. Außerdem habe auch die Jury des Deutschen Zukunftspreises seine Arbeit vor Ort von einem Expertenteam prüfen lassen und sei zu dem Schluss gekommen, dass “weder aus rechtlichen noch aus medizinethischen Gründen” etwas zu beanstanden sei.

Die MHH hat nun neben einem Patentanwalt auch einen Medienanwalt für den Fall bemüht und hofft auf eine Richtigstellung ihrer Situation – auch wenn die Chancen auf eine Wiedernominierung gleich Null sind.

Kommentare (6)

  1. #1 Peter Artmann
    Oktober 29, 2008

    Haverich schäumt vor Wut, hat sofort per Eilmeldung für den selben Tag (14.30 Uhr) eine Pressekonferenz angesetzt.

    Aber irgendwie ist das Verhalten schon etwas seltsam. Auf der einen Seite ist er stinksauer auf die Presse und auf der anderen Seite beruft er dann gleich eine eigene Pressekonferenz ein.

    Für ihn liegt der Fall zum Glück ganz klar: Wie kann es jemand nur wagen, einen von Deutschlands besten Forschern zu kritisieren …?

  2. #2 Jessica Riccò
    Oktober 29, 2008

    Ja, ich weiß. Ein, sagen wir mal, “ScienceBlogs-Korrespondent” war dort und berichtete live von Haverichs Wut. Allerdings habe ich das Ganze so verstanden, dass er lediglich der Süddeutschen Vorwürfe macht und das ja nicht ausschließt, dass er z B der HAZ gegenüber seine Sicht der Dinge schildert.

    Wie schätzt du ihn denn ein? Hätte er die Nominierung verdient oder nicht?

  3. #3 Rincewind
    Oktober 29, 2008

    @Peter Artmann:
    Warum hat man bei Ihnen immer nur den Eindruck, dass Sie eine tiefe Frustration gegen den Wissenschaftsbetrieb haben? Kann man ja. Aber dieses Verallgemeinern (Wie Sie es gerade machen: “Wut auf Presse” – wobei es sich nur um die Süddeutsche handelt) ist nicht konstruktiv.

    Ich finde es eigentlich gut, wenn es jemand schafft, eine mitwachsende Herzklappe zu schaffen. Sowas scheint Ihnen aber egal zu sein. Hauptsache, man hat eine (vermeindliche) Schwäche einer der Macher aufgedeckt, mit dem man – wie es den Anschein hat – ein persönliches Hühnchen zu rupfen hat.

    Warum auch nicht. Aber Wissenschaftsjournalismus ist was deutlich anderes, ehrlich.

  4. #4 Peter Artmann
    November 5, 2008

    Hallo Rincewind und Jessic,

    sorry, hatte gar nicht gesehen, dass ich angesprochen wurde.

    Also Haverich ist hier ein sehr wichtiger und mächtiger Mann. Seine Herzklappen sind eine prima Erfindung.

    Was ihm ja auch keiner absprechen möchte (wenngleich jetzt der Patentstreit losgeht).

    Bei der Kritik geht es doch darum, dass er sich nicht bemüht hat, die hiesige Ethikkommission davon zu überzeugen die Herzklappen an Kindern seiner Klinik einzusetzen und stattdessen Feldforschung in Moldawien betrieben hat.

    Hartmut Kliemt hat diese Art der Versuche “Karniggelversuche” genannt, die durchgeführt wurden, “bei denen, die sich nicht wehren können”.

    Man kann ja darüber diskutieren, weshalb das so ist. Ich hab aber kein Hühnchen mit Haverich zu rupfen. Es ist “nur” ein großes Thema.

    Mir gefällt aber, dass Rincewind weiß, was Wissenschaftsjournalismus ist. Demnach darf man nämlich nicht über die Personen schreiben, die Wissenschaft betreiben, stimmts?

  5. #5 Ludmila
    November 6, 2008

    Also bei WDR5 Leonardo vom 29.10. (gibt’s als Podcast zum Nachhören) hört sich der Fall irgendwie ganz anders an. Nämlich deutlich zugunsten von Havermann. Jedenfalls mein Eindruck. Immerhin hat sich Axel Havermann bei der DFG selbst angezeigt, um die Vorwürfe aus der Welt zu räumen. Hat jetzt natürlich nichts per se auszusagen, aber macht auch keinen schlechten Eindruck.

    Außerdem verstehe ich nicht recht, warum in einigen Kommentaren die Ansicht vertreten wird, dass sich jemand nicht öffentlich über öffentlich geäußerte Vorwürfe äußern sollte/darf. Was ist denn daran seltsam? Der Vorwurf ist öffentlich und die Verteidigung ist öffentlich.

    Die Aussage “Ich bin unschuldig” ist das gute Recht eines jeden Menschen. Oder wird hier nach dem Motto verurteilt: “Immer schön die Fresse halten, wenn öffentliche Vorwürfe erhoben werden”?

  6. #6 Peter Artmann
    November 10, 2008

    Es geht darum, dass ein Forscher, der sich weit aus dem Labor hervorwagt und für den deutschen Zukunftspreis bewirbt –
    mit unfairen Attacken und Mauscheleien im Hintergrund rechnen muss.

    Auf Bundesebene weht nun mal ein schärferer Wind, das hat mit Wissenschaft nichts mehr zu tun.

    Ich glaube es wäre gesünder, solche Dinge nicht so persönlich zu nehmen.