Es muß lange her sein, daß Gerhard Schröder Kanzler war. “Zum Regieren brauche ich nur BILD, BamS und Glotze”, gab der Basta-Kanzler zu Protokoll und erscheint damit heute wie ein Relikt aus längst vergangener Zeit. Innerhalb weniger Jahre hat sich der Schlüssel zum politischen Erfolg digitalisiert. Heute wäre für Schröder mit seiner damaligen Haltung kaum mehr als eine Karriere in der niedersächsischen Provinzpolitik denkbar.
Die Möglichkeiten der politischen Kommunikation und Mobilisierung von Wählern im und durch das Internet sind riesengroß – das belegt auch die aktuelle Internet-Politics-Studie, die nun im Vorfeld des DLD veröffentlicht wurde.
Barack Obama, der charismatische Menschenfischer, hat es vorgemacht: er hat den Wahlkampf geradezu mustergültig auf das Internet ausgeweitet. Zur Motivation seiner Anhänger und Wahlhelfer, zur Akquise von Spenden und zur Popularisierung seiner Botschaften nutzte Barack Obama ein ganzes Arsenal an Online-Tools. Egal ob Facebook, Twitter, Flickr, YouTube oder MySpace – Barack Obamas Team setzte von Beginn auf Online-Informationskanäle. Am Ende hatte Obama etwa bei Facebook rund 3,8 Millionen Unterstützer – John McCain sah auch hier mit seinen gerade einmal 600.000 Fans alt aus.
Dort hingehen, wo die Wähler sind
Es wäre vermessen, wenn man für den erfolgreichen Wahlkampf von Barack Obama allein die (richtige!) Nutzung des Internets verantwortlich machte. Noch werden Wahlkämpfe nicht allein im Netz gewonnen, aber man kann hier entscheidenden Boden und Sympathien verlieren. Das Internet spielt – sowohl wenn es um die Diskurshoheit im politischen Gefecht, als auch den kleinteiligen Dialog mit den einzelnen Wählern geht – eine immer größere Rolle.
Zu diesem Ergebnis kommt auch die DLD-Studie, die auf Initiative von Dr. Marcel Reichart erstellt wurde. Der zurückliegende US-Wahlkampf wurde analysiert und das Potential des Online-Wahlkampf für Deutschland ausgelotet. Das Autorenteam um Marcel Reichart kommt für die Bundestagswahl zum Schluß:
Wer die Wahl 2009 gewinnen will, muss cybergen sein und sich in die Herzen der Wähler surfen, bloggen, SMSen und twittern.
Eine These, die jüngst durch die Landstagswahl in Hessen durchaus Bestätigung fand. Die überzeugende Internetkampagne von SPD-Kandidat Thorsten Schäfer-Gümbel bewahrte die SPD vor einem noch schmerzhafteren Absturz. Und Schäfer-Gümbel – der sich als “TSG” in kürzester Frist viele Sympathien erarbeitet – setzte explizit auf seine Internetkampagne. Und er illustrierte damit, daß auch in Deutschland der Dialog mit den Wahlbürgern über Twitter, Blogs und Social Networks gelingen kann.
Der politische Dialog wird online geführt
Es sind also im wesentlichen zwei Aspekte, die eine Trendwende für die politische Kommunikation markieren. Erstens ist das Internet inzwischen zum wichtigsten Informationsmedium avanciert. Und zweitens hat sich die Erwartungshaltung der Bürgerinnen an die Politiker in den letzten Jahren deutlich verändert: heute ist tatsächliche Dialogfähigkeit gefragt. Und wo sollte die anders stattfinden, als im Social Web?
Es wird also spannend, wie sich die Internet-Aktivitäten der Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl weiter entwickeln. Klar ist, daß sich die Wahlkämpfer kaum erlauben können, die Möglichkeiten des Internet nicht zu nutzen.
Weitere Details und eine Analyse der Online-Aktivitäten der deutschen Parteien finden sich in der DLD-Studie (Download als PDF), oder hier:
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