Seit knapp zwei Tagen ist “Wolfram Alpha” nun online. Und wenn es nach dem Willen und den Ankündigungen von Stephen Wolfram geht, dann erleben wir mit dem Start von WolframAlpha den Beginn einer neuen Zeitrechnung der Online-Informationssuche. Grund genug für die Scienceblogger, sich diese selbsternannte Wissensmaschine einmal genauer anzusehen.

Die Berichterstattung im Vorfeld des Starts weckte große Erwartungen. Stephen Wolfram, ebenso talentierter Mathematiker wie Selbstdarsteller, hatte in unzähligen Interviews recht vollmundig angekündigt, daß man sich auf eine wirkliche Innovation freuen dürfe. Einerseits sei das System bereits so weit, daß es – das semantische Web lässt grüßen – die eingegeben Fragen der Nutzer zutreffend interpretieren könne, andererseits berechne man mittels “intelligenter” Algorithmen solche Antworten, für die man in früheren Zeiten wirkliche Experten gebraucht hätte.

Wie gut ist WolframAlpha? Welche Stärken und Schwächen hat es in verschiedenen Anwendungsfeldern?

Klingt vielversprechend. Doch Jürgen Schönstein, der vor sieben Jahren Stephen Wolfram persönlich kennengelernt hatte, war bereits vor dem Start von “WolframAlpha” etwas skeptisch. Ob die Antwort- bzw. Wissensmaschine die hochgesteckten Erwartungen würde halten können?

Wie schlägt sich WolframAlpha in verschiedenen Wissensgebieten?

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Stephen Wolfram ist Vater des Softeware-Pakets “Mathematica”, das bis heute Standards setzt. Insofern liegt nahe – zumal WolframAlpha teilweise auf Mathematica aufsetzt – , daß die “Knowledge Engine” gerade im mathematischen Bereich ihre Stärken ausspielt. Als erster Tester versuchte sich Thilo vom Mathlog. Sein ernüchtertes Fazit:

“Ein paar Mathematica-Features neu aufbereitet, mehr kann ich zum Thema Mathematik bei dieser groß angekündigten neuen Suchmaschine nicht entdecken.”

Überraschend, denn hier hätte man doch vermutet, daß Wolfram Alpha gute Informationen auswirft. Wie schlägt sich die neue Software dann in Disziplinen, die weniger deutlich an Formeln und Zahlen ausgerichtet sind?

Ali von zoon politikon konnte einige hilfreiche Features entdecken. Dennoch ist er kaum überzeugt:

“Wolfram Alpha taugt bestenfalls als Ersatz für was ich als ‘um zwei-Ecken googeln’ bezeichnen würde: Wenn ich mir beschränkte spezifische Daten beschaffen möchte, wie ein Währungsvergleich zwischen zwei Ländern oder die Mitglieder des Menschenrechtsrates muss ich so nicht mich durch die Datenbanken der Weltbank, der WHO oder dem CIA Factbook wühlen, sonder einfach kurz bei Wolfram Alpha abholen.”

Ganz ähnlich das Fazit von Florian, der zuerst überrascht war, daß WolframAlpha nicht einmal eine “Supernova” kennt. Für astronomische Recherchen taugt es jedenfalls (noch) nicht:

“So ganz ausgereift erscheint mir das Ding bis jetzt noch nicht. Und die großen Erwartungen hat Wolfram Alpha auch nicht wirklich erfüllt. Naja – vielleicht wirds ja noch.”

Immerhin Marcus war halbwegs zufrieden. Denn die Fragen aller Fragen beantwortet die Wissensmaschine ganz ordentlich. Weniger positiv fällt das Fazit von Jörg aus, der die physikalischen Kenntnisse abgeklopft hat:

“Im besten Fall, wenn man noch dran arbeitet, dann kann Alpha etwas nützliches werden. Eine Formelsammlung mit einem Infocom-Eingabefeld. Aber auch dazu ist noch einiges nötig, vor allem die semantische Erkennung ist miserabel. […] Alpha hat vor allem Sachen gefunden die ich eh weiß, und taugt bislang wenig mehr als ein Taschenrechner.”

Immerhin ein paar positive Aspekte kann Stefan Jacobasch der angeblichen Wissensmaschine abgewinnen. Er schätzt die Angabe weiterführender Quellen und glaubt, daß sich WolframAlpha in den nächsten Monaten deutlich steigern wird. Doch sein erster Eindruck bleibt:

“Unbefriedigend verlaufen alle Suchanfragen, wenn man im Bereich Ernährung mehr erwartet als die direkten Nährwerte.”

Ich selbst habe mir WolframAlpha auch angesehen und getestet, ob es möglicherweise für die Recherche zu sozialwissenschaftlichen Fragestellungen ein gutes Werkzeug sein kann. Und auch ich war enttäuscht. Die Qualität der Antworten (wenn man denn “verstanden” wird) läßt zu wünschen übrig:

“Wie schon zu erwarten war, liefert die mit so viel Vorschußlorbeeren ausgestattete Antwortmaschine nichts außer Fehlermeldungen oder Quasi-Antworten, denen eine falsche Interpretation der Frage zugrunde liegt.”

Und auch Georg hat sich Zeit genommen, um zu prüfen, was WolframAlpha denn in seinem Bereich leisten kann. Aber im ganzen klima- und geowissenschaftlichen Bereich offenbart WolframAlpha riesige Lücken. Georgs Fazit:

“ich mach’s kurz, die Geowissenschaften/Klimatologie/Paleowissenschaften sind praktisch nicht vorhanden.”

Wer sein Produkt als revolutionäre Wissensmaschine verkauft, muß mit Kritik leben, wenn die intelligente Antwortmaschine doch etwas begriffsstutzig daherkommt.

Eine überzeugende Bilanz ist das nicht. Dabei ist klar, daß WolframAlpha gerade gestartet ist und man vielleicht keine Wunderdinge erwarten konnte. Dennoch wurde genau das suggeriert. Stephen Wolfram hat sein neuestes Produkt als revolutionäre Wissensmaschine verkauft – und insofern darf man Kritik daran üben, daß die intelligente Wissensmaschine bislang doch etwas begriffsstutzig daherkommt. Was freilich nicht ausschließt, daß in einigen Jahren WolframAlpha nicht doch ein spannendes Werkzeug sein kann…

Zum Start waren die ScienceBlogger allerdings nicht überzeugt:

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Im Gesamturteil kommt WolframAlpha auf bescheidene 3.4 von 10 Punkten.

Kommentare (1)

  1. #1 Bertram Simon
    Mai 18, 2009

    Ich verstehe die allgemein negative Stimmung nicht. Das WA nicht mit dem Datenstamm von großen Suchmaschinen konkurrieren kann, steht außer Frage. Das ein Prototyp grundsätzlich unvollständig ist, liegt doch auch auf der Hand. Die Aussagen erinneren mich ein wenig an typische Grundsatzdebatten ala “Was soll ich mit einem Handy? Ich habe zu Hause und bei der Arbeit Festnetz.”

    Ich glaube, WA wird das Tor zu einem neuen Wissenszugang aufstossen. Ich finde die semantische Suche, die Aufbereitung der Daten und ganz allgemein den Grundgedanken super. Ich habe mir die Beispielgalerie angeschaut und bin beeindruckt.