In Europa sterben jährlich etwa doppelt so viele Menschen an einer Thrombose wie an Prostatakrebs, Brustkrebs, AIDS und Verkehrsunfällen zusammen. Doch die gängigen Medikamente zur Thrombose-Prophylaxe haben allerhand Nachteile – der neu entwickelte Wirkstoff Rivaroxaban ist hier eine echte Innovation; dessen Entwicklung wurde gestern durch die Verleihung des Zukunftspreises des Bundespräsidenten ausgezeichnet.

Rund zehn Jahre lang hat ein großes Team um die Mediziner Dagmar Kubitza und Frank Misselwitz, sowie die Biologin Elisabeth Perzborn an dem neuen Wirkstoff geforscht. Am 30.9.2008 wurde Rivaroxaban (Markenname Xarelto) erstmalig von der Europäischen Kommission zugelassen: nach großen chirurgischen Eingriffen (Hüftgelenksoperationen u.ä.) wird der Wirkstoff bereits eingesetzt. Die Besonderheit an dem neuen Medikament ist die Verfügbarkeit in Tablettenform. Die Heparinspritze ist nicht mehr notwendig.

Für diese Entwicklung wurden die drei Bayer-Wissenschaftler nun mit dem Zukunftspreis des Bundespräsidenten belohnt; die 250.000 Euro Preisgeld werden die Dagmar Kubitza, Frank Misselwitz und Elisabeth Perzborn übrigens in eine gemeinnützige Stiftung überführen, so haben sie bereits im Vorfeld angekündigt.

Hier die drei ausgezeichneten Forscher:

i-b59bcdf7e9e762b8c3e127094e35bac2-DZP_09a.jpg

(v.l.n.r) Dr. med. Dagmar Kubitza, Dr. med. Frank Misselwitz, Dr. rer. nat. Elisabeth Perzborn (Bild: Ansgar Pudenz/Dt. Zukunftspreis)

Für Rivaroxaban spricht seine gute Verträglichkeit, Zuverlässigkeit in der Wirkung und die einfache Darreichungsform. Insofern ist zu erwarten, dass es die derzeit gängigen Standardtherapien teilweise ablösen wird. Das Heparin muß gespritzt werden, außerdem ist für einige Patientengruppen ein detailliertes Monitoring erforderlich; die Vitamin-K-Antagonisten müssen zwar nicht gespritzt werden, allerdings ist der Wirkeintritt ziemlich verzögert und das Nebenwirkungsprofil (Blutungen) ist ebenfalls nicht ohne.

Rivaroxaban: Neues Wirkprinzip

Mit Rivaroxaban beschreitet man nun einen neuen Weg. Der Wirkstoff greift gezielt in die biochemischen Abläufe während der Blutgerinnung ein, wo er die Entstehung des Moleküls Thrombin beeinflusst, sodass eine überschießende Bildung von Blutgerinnseln verhindert werden kann.

Bis man Rivaroxaban freilich gefunden hatte, war es ein langer Weg: rund 500 Mitarbeiter – so schätzt Frank Misselwitz – waren insgesamt in den 10 Jahren beteiligt. Am Anfang stand lediglich die Idee, dass man am Faktor Xa ansetzen wollte. Elisabeth Perzborn erklärt, die ersten weiteren Schritte:

“Für das Projekt haben wir dann mit dem Hoch-Durchsatz-Test unserer BAYER-Substanzbibliothek, die aus circa 250.000 Substanzen bestand, begonnen. Hier wollten wir Substanzen finden, die Faktor Xa hemmen – und die wir anschließend chemisch verändern konnten, bis sie das gewünschte Profil hatten. Mit diesem Screening haben wir fünf Substanzen identifiziert, die möglicherweise mit Hilfe der medizinischen Chemie verbessert werden konnten.”

Es ist also zunächst wirklich die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Umso beachtlicher, dass die Suche von Erfolg gekrönt war. Wie bereits gesagt, ist Rivaroxaban bislang erst für eine Indikation zugelassen, denn das Risiko für Blutungen besteht (natürlich) auch bei ihm.

Derzeit laufen umfangreiche Studien (an weltweit mehr als 60.000 Patienten), um zu überprüfen, ob das Medikament auch bei venösen Thrombosen, Lungenembolien, zur Prävention von Schlaganfällen und Herzinfarkten eingesetzt werden könnte. Man darf also gespannt sein, welche “Karriere” Rivaroxaban in Zukunft macht.

Weitere Infos gibt es auf der Website des Deutschen Zukunftspreises