Man bekommt Antimaterie in den Körper gespritzt! Wie cool ist das denn? Na OK, sorry, lasst mich lieber von vorne anfangen und mal ausführlich erzählen. Ich werde jetzt nicht anfangen für jede medizinische Prozedur, die man an mir verübt hat, einen eigenen Artikel zu schreiben, aber gerade der PET-Scan ist aus Sicht des Strahlenphysikers hochgradig interessant und mit Sicherheit ein paar eigene Zeilen wert, da man gerade hier ein super Beispiel für radioaktive Isotope und Detektortechnik findet, die sogar noch mit tollen biologischen Wirkmechanismen gepaart sind. Fun Fun Fun!
Also ein PET-Scan ist ein bildgebendes Verfahren, das vor allem dazu verwendet wird Zellen mit erhöhtem Stoffwechsel (also meistens Krebszellen) aufzuspüren. Man wird wie auch beim CT und MRT in eine Art Röhre gesteckt, aber das physikalische Verfahren dahinter ist ein total anderes. Zuerst bekommt man ein radioaktives Präparat gespritzt. Im Fall von normalen Krebszellen ist es z.B. Zucker, an dem das radioaktive Isotop Fluor 18 angedockt ist. Da Krebszellen im Allgemeinen einen höheren bzw. schnelleren Zellstoffwechsel mit Zucker haben, nehmen sie den Zucker schneller auf, als gesunde Zellen. Dadurch, dass sie mehr Zucker aufnehmen, leuchten sie dann nachher auf dem PET-Bild heller als die gesunden Zellen und können darüber identifiziert werden.
Das radioaktive Fluor 18 hat eine Halbwertszeit von 2 Stunden. Das heißt nach der Faustregel der 10 Halbwertszeiten ist nach 20 Stunden alle Radioaktivität wieder verflogen, was für den Patienten zwar gut und sinnvoll ist (damit er eben nicht ewig in der Gegend herumstrahlt) aber das medizinische Personal vor eine Herausforderung stellt. Das heißt nämlich, dass das F18 vor Ort hergestellt werden muss und man es nicht im Schrank lagern kann. Um das F18 herzustellen benötigt man einen Teilchenbeschleuniger und es ist für ein Krankenhaus gar nicht mal so einfach einen eigenen Teilchenbeschleuniger anzuschaffen und zu betreiben. Glücklicherweise hat sich da in der Beschleunigertechnik in den letzten Jahrzehnten einiges getan und aktuell ist es mit der neuen Generation an medizinischen Zyklotron Geräten – von der Stange – für eine gut ausgestattete größere Klinik durchaus im Bereich des Machbaren.
Also man bekommt das radioaktive F18 gespritzt und muss dann eine Stunde (oder so) warten, bis es von den Krebszellen aufgenommen worden ist. Der radioaktive Zucker wird idr. in einer echten Bleispritze … also einer mit Blei ummantelten Spritze, vom Teilchenbeschleuniger zum Patienten gebracht, weil es schon ordentlich in der Gegend herumstrahlt und man natürlich das Personal schützen will, dass damit Tagtäglich umgeht. Eine Aktivität von 200 GigaBequerel pro 100kg Körpergewicht, ist dabei eine durchaus übliche Dosis um ein vernünftiges Bild zu bekommen. Grundsätzlich würde (von einem rein physikalischen Standpunkt aus) gelten: Je höher die Aktivität des radioaktiven Materials, desto besser die Bildqualität. Das stimmt aber in der Welt der Biologie leider nicht mehr. Denn nicht nur die Krebszellen nehmen den Zucker auf, sondern auch gesunde Zellen und diese produzieren dann ungewollte Störsignale, auch bekannt als Rauschen. Letztendlich ist es das Verhältnis zwischen Signal und Rauschen, was die Bildqualität ausmacht und dieses Verhältnis basiert halt auch maßgeblich auf den Biologischen Faktoren. Naja und man möchte den Patienten natürlich auch nicht zu viel verstrahlen. Das ist halt alles ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren.
Jetzt kommen wir zurück zu der Antimaterie. Denn das verwendete radioaktive Mittel (z.B. das F18) ist ein Beta+ Strahler und Beta+ Strahler strahlen Positronen ab. Positronen sind die Antimaterie zu Elektronen. Das heißt sie haben die gleiche Masse wie ein Elektron, nur das Vorzeichen der elektrischen Ladung ist umgekehrt. Jetzt ist es wie bei StarTrek. Wenn Materie und Antimaterie aufeinandertreffen, dann vernichten sie sich gegenseitig und produzieren sehr viel Energie. Weil das Antiteilchen zum Positron eben das Elektron ist, geschieht das sehr sehr schnell, sprich das Positron fliegt gerade mal bis zum nächsten Atom, bevor es dann dort von einem Elektron vernichtet wird.
Die viele Energie, die bei dem Anihilierungsprozess produziert wird, sind zwei elektromagnetische Gamma-Quanten mit jeweils 511keV an Energie. Diese haben den super Vorteil, dass sie genau in einem 180° Winkel, von ihrem Entstehungsort aus gesehen, auseinander fliegen. Beim PET-Scan baut man jetzt einen Ring aus Detektoren um den Patienten und wenn zwei Detektoren gleichzeitig ein 511keV Gamma Teilchen detektieren, dann weiß man, dass gerade genau zwischen diesen beiden Detektoren auf einer geraden Linie ein Positron gestorben ist.
Das die Detektoren nur Photonen mit einer Energie von exakt 511keV detektieren müssen ist ein riesiger Vorteil aus ingenieurtechnischer Sicht. Denn es prasseln immer Störsignale und Rauschen auf einen Detektor ein und wenn man z.B. ein ganzes Energiespektrum von 10keV bis 10MeV zur selben Zeit aufnehmen möchte, dann handelt man sich auch über diesen ganzen Energiebereich die entsprechenden Störsignale ein. Wenn ich aber nun mein Energieband auf das kleine Intervall um 511keV herum diskriminieren kann, dann gewinne ich einen großen Vorteil im Signal zu Rausch Verhältnis und damit auch in der Bildqualität.
Ich habe mir bei meinem PET-Scan natürlich einen Strahlungsmesser in die Hosentasche gesteckt um mal zu dokumentieren, wieviel Dosis dabei überhaupt so in der Gegend herumfliegt. Also wir fangen mit der natürlichen Hintergrundstrahlung mit 0,1µSv/h an und schon direkt nachdem man den radioaktivien Zucker in meine Armvene gespritzt hat schnell die Dosisleistung auf 150µSv/h hoch. Dann nimmt die Dosis wie erwartet mit der Zeit ab, wie es sich für ein Isotop mit einer Halbwertszeit von 2Stunden gehört (exponentieller Abfall, rote Linie) so dass nach 20 Stunden kaum noch was da wäre. Bei Punkt A hat man mich dann ins CT gesteckt und da kommt dann noch die Dosis von dem Röntgen dazu. C, B und D sind Bewegunsartekfakte. Wie gesagt hatte ich das Messgerät in der Hosentasche und bin danach nach Hause gefahren. Im Laufe dieser Tätigkeit habe ich dann die Elektronik noch mal ordentlich durchgeschüttelt, was bei dem billigen Messgerät eben zu Fehlmessungen geführt hat.
Das ist jetzt beileibe nicht die schönste Messung der Welt und wenn ich es hätte drauf anlegen wollen, dann hätte ich sicherlich schönere Daten produzieren können, aber für einen Schnellschuss war es doch schon mal interessant. Da das Messgerät in der Hosentasche gesteckt hatte ist die gemessene Dosis auch nahe an dem, was die Person auf dem Stuhl neben mir abbekommen hat. Das war nämlich jemand, der eine Angehörige zu ihrem Scan begleitet hat und selber gar kein Patient war. Aus Strahlenschutzsicht ist mal eben 150µSv abzubekommen, nur weil man auf dem falschen Stuhl sitzt jetzt nicht unbedingt die hohe Schule der Kunst und sollte eigentlich nach Möglichkeit vermieden werden. Naja, aber ein Fass werde ich jetzt sicher nicht deswegen aufmachen und den Kollegen in der Unikinik in ihre Arbeit reinreden.
In der praktischen Anwendung kombiniert man gerne einen PET-Scan auch noch mit einem CT um ein schönes Bild von dem Patienten zu bekommen. Sprich das CT liefert ein 3D Bild von Organen und Knochen des Patienten in Schwarz/Weiß je nachdem, wieviel Röntgestrahlung von den entsprechenden Organen absorbiert wird und das PET liefert ein Blau/Rot Bild je nachdem, wieviel Zucker von den entsprechenden Zellen aufgenommen wurde. Diese beiden Bilder liegen dann übereinander und die Ärtze können leicht erkennen, wo denn Zellen mit erhöhtem Zucker-Zellstoffwechsel im Körper liegen.
Theoretisch kann man beide Messungen gleichzeitig durchführen. Rein physikalisch spricht nichts dagegen und die moderne Detektortechnik ist so weit, dass sie das durchaus bewerkstelligen könnte. Das Gerät, in das sie mich reingeschoben haben, hatte zwei Detektorringe. Einen für das CT und einen anderen für den PET-Scan, die hintereinander angeordnet waren. Das heißt auch die Messungen wurden hintereinander durchgeführt. Erst 20 Minuten PET, dann 20 Minuten CT. Der Nachteil dabei ist natürlich, dass so Bewegungsartefakte entstehen, wenn sich der Patient zwischen den beiden Messungen bewegt und die beiden Bilder dann nicht mehr 100%tig übereinander passen. Das ist aber mal wieder ein übliches Problem der Medizintechnik über das ich mich hier schon öfter mal ausgelassen habe. Aktuelle Technik benötigt immer 10-20 Jahre, bis sie in der Medizin angekommen ist. Sprich auch die modernsten medizinischen Maschinen arbeiten mit Technik, die mir als Physiker in dem entsprechenden Bereich total veraltet vorkommt. Naja, ist halt so.
PET ist eine tolle Technik, aus Sicht des Physikers, aber auch teuer und aufwendig. Der Beta+ Strahler muss vor Ort aufwendig hergestellt werden und dann hat man nur ein kleines Zeitfenster, in dem man das Bild vom Patienten machen kann. Darüber hinaus ist die Ortsauflösung der aktuellen Geräte nicht unbedingt die Beste, vor allem, wenn man es mit aktuellen Röntgen oder MRT Geräten vergleicht. Wie schon oben gesagt könnte man da theoretisch einiges dran tun (aus physikalischer Sicht), aber diese Möglichkeiten haben ihren Weg noch nicht in die Humanmedizin gefunden. Interessanterweise gibt es sehr leistungsstarke PET-Scanner für Mäuse, die in wissenschaftlichen Studien benutzt werden und sich technisch wesentlich mehr austoben können, weil man hier eben keine medizinischen Zulassungsprozesse braucht.
Außerdem geht man hier immer von der Prämisse aus, dass Krebszellen deutlich mehr Zucker aufnehmen, als gesunde Zellen. Grob gesehen stimmt das zwar, aber es gilt noch lange nicht für alle Krebsarten in der gleichen Art und Weise. Daher ist auch hier wieder Vorsicht geboten. Grundsätzlich werden aktuell viele neue Möglichkeiten entwickelt chemische Substanzen im menschlichen Körper an bestimmte Orte zu bringen. Speziell gezüchtete Antikörper und Nanoteilchen sind nur zwei Möglichkeiten und solche Transporter könnten natürlich auch mit Beta+ Strahlern beladen werden um schöne PET-Bilder zu machen. Diese Bildgebende Methode hat auf jeden Fall noch viel Potential. Vielleicht nicht in der Breite der Anwendungen, wie Röntgen oder MRT, aber sicherlich für Spezialfälle vor allem in Kombination mit den anderen existierenden Verfahren.
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