3. Zudem nehmen wir an, dass die Windströmung in der Vertikalen i.A. recht klein ist und dass bei einer vertikalen Bewegung die Reibung vernachlässigbar ist. Wie spalten also die Navier-Stokes-Gleichungen von oben in einen horizontalen und vertikalen Teil und streichen im Vertikalen alles, was wir in erster Näherung vernachlässigen können. Nicht wundern, dass unsere vertikale Geschwindigkeit jetzt w heißt.

4. Weiterhin kommt nichts von nichts. Im Großen und Ganzen verschwindet die Atmosphäre nicht irgendwo und wird auch nicht irgendwo neu generiert. Diese Aussage packen wir auch in eine Formel (stimmt so natürlich nicht 100%ig, aber wie gesagt “relativity of wrong” 😉 Und wir müssten schon sehr genau hinsehen, um die Abweichungen von dieser Aussage zu sehen. Wir fahren ja auch nicht mit nem relativistischen Tacho durch die Gegend, nur weil’s “richtiger” wäre.).

5. Bestimme die Höhe jetzt nicht mehr in Metern sondern anhand des Luftdrucks in der entsprechenden Höhe. (Wir führen also eine Koordinatentransformation aus von x,y,z(p) zu x,y,p(z)). Und siehe da: die Gleichungen sehen wieder was einfacher aus.

6. Jetzt müssen wir noch festlegen, innerhalb welcher Grenzen die Gleichungen oben gelten sollen. Wir müssen also die Randbedingungen festlegen. Die sind in unserem Fall durch zwei Dinge festgelegt: Erdboden und Weltall.

7. Kommen wir jetzt zur Reibung, die  beliebig komplex sein kann und bei sehr viskosen Stoffen so richtig schwer zu berechnen ist. Zum Glück ist Reibung für die Erdatmosphäre im Allgemeinen global gesehen vernachlässigbar; außer  an der Grenze zwischen Erdboden und Atmosphäre. Da müssen wir die Reibung auf jeden Fall berücksichtigen. Held&Suarez machen es sich denkbar einfach und benutzen eine simple pi-mal-Daumen-Annahme bzw. eine Fermi-Abschätzung: Reibung = k mal Geschwindigkeit. Setze k=1 am Boden und lasse k linear so absinken, dass er bei einem Druck von 700 mbar (also in etwa 2-3 km Höhe) null wird. Darüber merkt die Atmosphäre eh nicht mehr, dass da weiter unten ein fester Boden ist.

8. Setze für deine einzelnen Luftpäckchen eine Gleichgewichts-Temperatur an, die zumindest grob für eine bestimmte Höhe und einen Breitenkreis den Wärmehaushalt der Erde nachbilden kann unter Berücksichtigung von Sonneneinstrahlung und der Zusammensetzung der Atmosphäre, die für langwellige Strahlung durchlässig ist, dafür aber im Infraroten recht viel schluckt und gleichzeitig wieder abgibt. (Genaueres dazu gibt es z.B. hier)

Zudem müssen wir auch berücksichtigen, dass insbesondere am Äquator die Luft in Bodennähe durch dieses Wechselspiel an Strahlung von der Sonne, von der Atmosphäre und auch vom Erdboden dermaßen stark erhitzt wird, dass es zur Umwälzungen also zur Konvektion kommt: Ein erhitztes Luftpäckchen steigt wie ein Heißluftballon nach oben. Oben ist aber die Wärmequelle weg und es befindet sich zudem in relativ kühler Umgebung, so dass es abkühlt. Dabei wird es schwerer und sinkt wieder nach unten, wo der Kreislauf wieder von vorne beginnen kann. Das ist auch ungefähr das, was wir in einem Kochtopf sehen, wenn wir Wasser erhitzen. Zum Glück müssen wir die Konvektion nicht in allen Einzelheiten beschreiben. Es genügt, wenn wir das in den Wärmehaushalt einbeziehen und annehmen, dass die Konvektion wiederum einen neuen Gleichgewichtszustand herstellt – was sie in der Realität in der Regel auch tut  (Genaueres dazu gibt es hier, genauer gesagt im Abschnitt 4.3.1.).

Ach ja und das Video hier ist auch recht hilfreich:

9. Jetzt kann die Luft aber frei hin-und her schwappen. Wenn also ein Luftpäckchen mit einer anderer Temperatur als der Umgebungstemperatur vor Ort daherkommt, dann sorge dafür, dass die Temperatur in dem entsprechenden Luftpäckchen sich exponentiell mit der Zeit der Umgebungstemperatur angleicht – und dabei umgekehrt natürlich auch die umgebenden Luftpäckchen aufheizt. (Mein morgendlicher Kaffee verhält sich übrigens auch so. Der heiße Kaffee nähert sich (leider) exponentiell mit der Zeit der Umgebungstemperatur an. Hier ist die Umgebungstemperatur, die durch die Heizung eingestellt wird, die ‘verschriebene’ Temperatur.)

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Kommentare (18)

  1. #1 MartinB
    Dezember 6, 2012

    Ganz großes Kino – bei den Formelerklärungen habe ich mich gekringelt.

  2. #2 Lars Fischer
    Dezember 6, 2012

    Sehr schöner Artikel, der kommt gleich mal in unseren Newsletter.
    Allerdings meinst du in der Überschrift bestimmt Taufliege, nicht Fruchtfliege. *duck*

  3. #3 Ludmila Carone
    Dezember 6, 2012

    @MartinB Schön, dass es gefällt.
    @Lars: Taufliege? Zumindest bei der Wiki steht, dass ich die Viecher auch Fruchtfliegen nennen darf. Ich geb aber zu, dass ich einfach das englische Wort übersetzt hab, ohne mir groß Gedanken zu machen, ob das Viech auf Deutsch auch so heißt. Das kann natürlich böse in’s Auge gehen und sollte ich für die Zukunft auf jeden Fall abklären.

  4. #4 Quantom
    Dezember 6, 2012

    Super geschrieben.
    Bitte ein weiteres Rezept aus deinem Kochstudio 😀

    Mach weiter so!

  5. #5 rolak
    Dezember 6, 2012

    Zur weiteren Vertiefung werde ich mir diesen post morgen nochmal in aller Ruhe zu Gemüte führen {müssen}, doch nach dem ersten Durchlesen und -klicken kann ich mich MartinBs Meinung nur anschließen:

    Um Dich selber zu zitieren: Tres chic!

  6. #6 wereatheist
    Berlin
    Dezember 6, 2012

    Très chic, en verité 🙂
    Trotzdem bischen nitpicken: es sind nicht 192 x 20, also
    6 x 32 x 20 Zellen, sondern 6 x 32 x 32 x 20 Zellen.

  7. #7 wereatheist
    Dezember 6, 2012

    Und wie geht ´köcheln´? (Link würd allemal reichen)

  8. #8 rolak
    Dezember 6, 2012
  9. #9 Ludmila Carone
    Dezember 7, 2012

    @wereatheist https://mitgcm.org/public/r2_manual/latest/online_documents/node30.html Das ist das entsprechende Kapitel im MITgcm-Handbuch.
    Kurz: Zeitliche Integration mit der Adam-Basforth-Methode
    räumliche Integration mit der finiten Volumen-Methode. Dabei Verwendung des Arakawa-C-Grids, um festzulegen wo zu welchemn Zeitschritt welche Größe berechnet wird.
    Dann gibt es da aber noch einen fiesen nichtlinearen Teil, der – wenn ich das so halbwegs durchschaut habe – durch die Integration der Kontinuitätsgleichung innerhalb der Randbedingungen entsteht, der auf ne Art und Weise gelöst wird, die ich noch gar nicht verstanden habe. Aber das wird sich sicherlich irgendwann ergeben, wenn ich noch tiefer in die Materie einsteige.

  10. #10 wereatheist
    Dezember 7, 2012

    @rolak: haha!
    @Ludmila: mille grazie!

  11. #11 Alderamin
    Dezember 9, 2012

    @Ludmila

    Sehr schön, wie das Modell all die atmosphärischen Effekte hervorbringt, die wir von der Erde kennen.

    Funktioniert Dein Kochrezept eigentlich auch auf dem Jupiter? Evtl. mit der zusätzlichen Zutat eines inneren Wärmeflusses? Die Entstehung der horizontalen, teils gegenläufigen Wolkenbänder ist doch m.W.n. bisher noch nicht völlig geklärt (wobei ich darüber schon lange nichts mehr gelesen habe, vielleicht hänge ich dem aktuellen Wissen da 10 Jahre nach).

  12. #12 Alderamin
    Dezember 9, 2012

    @Ludmila

    Hm, bei Dir hängt meine andere Mail-Adresse wohl auch im Spam-Filter. Was habe ich da bloß böses verbrochen, dass mich Science Blogs überall aussperrt?

    Die Frage war, ob das Modell auch die Jupiter-Atmosphäre modellieren kann, wenn man aufsteigene Wärme und schnelle Rotation mit einbezieht. Ob sich dann die typischen gegenläufigen Streifenzonen ausbilden würden.

  13. #13 Ludmila Carone
    Dezember 9, 2012

    @Alderamin: Bei mir ist das System sowieso noch extra stark eingestellt und schiebt fast jeden in die Moderation. Ich hoffe, das legt sich, wenn ich was aktiver bin.

    Bezüglich Jupiter: Das ist eine gute Frage und wird mich sicherlich auch noch beschäftigen. Aber wenn ich die Rotation hochschraube, zerfällt die Atmosphäre bereits in verschiedene streifenförmige Zellen. Zusätzlicher Wärmefluss dafür gar nicht vonnöten.

  14. #14 Alderamin
    Dezember 9, 2012

    Danke, dann freue ich mich schon auf den zugehörigen Artikel 🙂

  15. #15 fj
    https://blog.effjot.net/
    Februar 16, 2013

    Das ist toll, wie ein relativ einfaches Modell die großskaligen Strömungsmuster erzeugen kann. Wie lange rechnete das Modell (mit welcher Hardware) für die 1200 Tage?

    Das Konvektionsvideo ist auch großartig. Der Prof. erinnert mich irgendwie an Doc Brown. Fehlt nur noch, daß er uns zeigt, was er entdeckt hatte, als er im Klo ausrutschte und sich den Kopf anschlug. Great Scott! 😉

  16. #16 Ludmila Carone
    Februar 17, 2013

    @fj Wenn ich das auf 6CPUs parallel (jeweils 2,4 GHz) rechne, dauert es etwa 12 Stunden.

  17. #17 fj
    https://blog.effjot.net
    Februar 25, 2013

    Oha, das ist doch noch einiges. Ich hatte gehofft, daß wäre was zum „rumspielen“. Aber selbst ohne Wasser scheint das alles noch viel zu rechenaufwendig zu sein. 🙁

  18. #18 Ludmila Carone
    Februar 26, 2013

    @fj Andererseits, laueft das Modell auf einem Dektop-Computer. Halt mit 8-CPU core. Da ist mensch mit 1500 Euro schon dabei 🙂 Will sagen, fuer engagierte Laien oder/ und Schulen ist das bereits durchaus bezahlbar. Die Schule braeuchte im Grunde nur 1-2 solcher Rechner und die Ergebnisse koennen dann wieder auf rechenschwaecheren Rechnern ausgewertet werden.

    In ein paar Jahren koennte das Beispiel auch auf Standard-Rechnern laufen, wenn die Rechenpower weiterhin nach oben geht.