Ich wollte schon seit langem versuchen, Interviews mit Klimaforschern zu führen und dann hier zu veröffentlichen. Es sollen da die vermeintlich großen Fragen des Klimageschäfts behandelt werden, aber auch gefragt werden, wie denn der eine oder andere überhaupt dazu gekommen ist, zu diesem Thema zu arbeiten. Man mag es nämlich kaum glauben, aber als ich angefangen habe, war das Thema Klima noch längst nicht so en vogue wie heute und und als mein erster Interviewpartner, Dr. Martin Heimann, damit anfing erst recht nicht. Martin Heimann ist Schweizer und arbeitet seit einiger Zeit aber am MPI für Biogeochemie in Jena als Chef der Arbeitsgruppe Biogeochemische Systeme. Er ist contributing und lead author von mehreren IPCC Berichten (ich glaube alle, die ich kenne). Ach ja, und vor langer Zeit hatte er einen Doktoranden namens Georg Hoffmann.
Bild: Prof.Dr.Martin Heimann irgendwo in Sibirien bei der Erstellung der Kohlenstoffbilanz von Taiga und Tundra. © MPI für Biogeochemie
Guten Tag Martin.
1) Was ist deine momentane Tätigkeit?
Ich schreibe diese Zeilen im Allegro-Zug von St. Petersburg nach Helsinki; komme zurück von einem kleinen Workshop über Methanemissionen aus Permafrostregionen. Zur Zeit bin ich Gastprofessor am physikalischen Institut der Uni Helsinki und leite aber nach wie vor die Abteilung „Biogeochemische Systeme“ am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena.
2) Wie bist du eigentllich zum Thema Erforschung des Kohlenstoffkreislauf gekommen?
Ich habe in den 1970’er Jahren an der Uni Bern in der Schweiz Physik studiert. Obwohl ich mich zuerst für die Theorie interessierte, wurde ich aufmerksam auf die Arbeitsgruppe von Hans Oeschger und Uli Siegenthaler, die sich mit der Erforschung des Kohlenstoffkreislaufs befassten. Im Rückblick würde man dies heute wohl schon mit „Erdsystemforschung“ bezeichnen. Oeschger hatte einen neuen, besseren Zähler für die Messung von Radiokohlenstoff (14C) entwickelt und nutzte eine Batterie dieser Zähler in einem extra dafür gebauten „Tiefenlabor“, einem etwa 30m tief unter dem Institut gelegenen Keller, um alle möglichen Substanzen zu datieren. Der Keller sollte dabei die kosmische Strahlung reduzieren, zudem wurde ein Uran-armer Spezialbeton verwendet um möglichst wenig falsche Impulse im Zähler zu registrieren. Um den Effekt der verschiedenen Abschirmungen zu bestimmen, brauchten sie einen Rechenknecht, der sich mit Numerik und Programmierung des damaligen IBM-360 Universitätsrechners auskannte. Ergo I.
Um die Radiokohlenstoffmessungen in den unterschiedlichsten Medien über die reine Datierung hinaus zu interpretieren, interessierte sich die Oeschger-Gruppe für den globalen Kohlenstoff und dessen Veränderungen durch das Klima und den Menschen. Änderungen der Produktion des natürlichen 14C aber auch das durch die Atomwaffentests erzeugte 14C wiederspiegeln sich unterschiedlich in den verschiedenen Kohlenstoffreservoiren der Erde. Aus diesen Unterschieden lässt sich sehr viel über die Transferraten und Umwälzzeiten im Kohlenstoffkreislauf lernen. Die Berner Gruppe entwickelte hierzu ein globales, recht simples, aber auch heute noch aktuelles Kohlenstoffmodell (das sogenannte Box-Diffusion-Model), dessen Modellparameter durch 14C-Beobachtungen kalibriert wurden, und welches die globale Dynamik des Kohlenstoffkreislaufs eigentlich recht realistisch wiedergibt. Auch hier wurde ein Rechenknecht gesucht, der u.a. das stabile Isotop 13C in das Modell einzubauen hatte. Ergo II.
Ein dritter Grund ergab sich aus der damals faszinierenden Hoffnung, aus Eiskernen durch hochpräzise Analysen der Gaskonzentrationen in den Eisbläschen die Geschichte der Zusammensetzung der Atmosphäre in der Vergangenheit zu rekonstruieren. War technische eine enorme Herausforderung und es dauerte etwa 10 Jahre bis erste glaubwürdige Resultate etwa um 1984 publiziert werden konnten. Allein schon die Aussicht als Student möglicherweise nach Grönland oder sogar in die Antarktis zur Feldarbeit mitgenommen zu werden hatte was, auch wenn es dann nur zu einigen Messkampagnen auf Alpengletschern und mit Schweizer Militärflugzeugen reichte.
Nach meinem Diplom kam Dave Keeling, der Vater der Mauna Loa Kurve, zu uns nach Bern für ein Gastsemester mit einem tollen Projektthema. Es ging dabei um die Interpretation einer seiner atmosphärischen Messkampagnen mit Hilfe von einem Modell des atmosphärischen Transports. Daraus wurden dann zwei Paper in meiner Diss und danach eine Stelle als Postdoc am Scripps Institution of Oceanography in La Jolla in Kalifornien.
Kommentare (36)