3) Zwei Frage zur globalen Verteilung der CO2 Emissionen. Es herrscht mittlerweile weitestgehend Einigkeit darüber, dass von den anthropogenen Emissionen ca 30% vom Ozean absorbiert werden, 30% in die terrestrische Biosphäre und die restlichen 40% in die Atmosphäre gehen. Lange Zeit sprach man aber von einer missing sink von ca 20% des totalen Budgets.
A) Was ist passiert, dass man meint, das Budget sei jetzt besser im Griff?
Der Begriff „missing sink“ stammt aus den 1960ern und frühen 1970ern, als man nur die fossilen Emissionen (Verfeuerung von Kohle, Öl und Gas) aufsummierte und dem Atmosphärenzuwachs und der Ozeanaufnahme (berechnet mit Hilfe der 14C Methode, wie oben aufgezeigt) gegenüber stellte. Ein allfälliges, meistens sehr kleines Residuum, wurde als „missing sink“ bezeichnet. In 1978 schlug dann ein Paper in Science von Woodwell und Kollegen wie eine Bombe ein: Sie hatten erkannt, dass durch Änderungen der Landnutzung, vor allem den Brandrodungen durch den Menschen, beträchtliche weitere Mengen CO2 freigesetzt werden. Woodwell et al.’s Schätzungen gingen dabei bis zu 18 PgC/Jahr! (zum Vergleich: In 2012 betrugen die gesamten anthropogenen Emissionen etwa 9.7 PgC/Jahr). Damit mussten neue Senken her, um die globale CO2 Bilanz zu schliessen. Viele Kohlenstoffkreislauf-“Experten“ wandten sich nun auch der Landbiosphäre zu und eine Vielzahl von Ökologen begannen sich nun auch für den Kohlenstoffkreislauf zu interessieren. Die zentrale Frage lautete damals und auch heute noch: welcher Prozess steckt denn hinter der nun beträchtlichen „missing sink“? Aus einer Vielzahl von Untersuchungen, deren Aufzählung hier den Rahmen sprengen würde, wissen wir, dass die „missing sink“ oder „unidentified sink“ in der Landbiosphäre zu suchen ist. Daher wird sie nicht mehr so benannt. Bei der quantitativen Berechnung der Bilanz ist es allerdings nach wie vor so, dass man den Emissionen die Zunahme in der Atmosphäre und die inzwischen sehr genau bekannte Ozeanaufnahme entgegenstellt und das Residuum der Landbiosphäre zuordnet.
B) Es gibt ja Arbeiten, die sagen, dass der Anteil des CO2, der in der Atmosphäre bleibt, über längere Zeitskalen (100 Jahre) relativ konstant ist (Airborne Fraction). Mit anderen Worten, ist die obige Aufteilung von 30:30:40 wirklich so stabil, wo doch anscheinend über die letzten 100 Jahren so viel passiert ist (wärmere Ozeanoberfläche, Waldnutzung, Landwirtschaft, etc)? Verstehen die Modelle die Gründe für diese Konstanz?
Die nahezu-Konstanz der „Airborne Fraction“ (AF) ist in der Tat auf den ersten Blick erstaunlich. Man muss allerdings die Daten über 10 Jahre mitteln; von Jahr zu Jahr gibt es schon erhebliche Veränderungen, die auf Klimaeffekte (u.a. El Nino) zurückgeführt werden können. Zudem ist fest zu halten, dass der aus Beobachtungen ermittelte Wert der AF beträchtliche Unsicherheiten aufweist, da die Emissionen aus den Änderungen der Landnutzung grosse Unsicherheiten aufweisen. Im neusten IPCC Bericht geben wir in Kapitel 6 den Wert der AF mit 0.44 ± 0.06 an, berechnet über den Zeitraum 1960-2010. In diesen Unsicherheiten könnte sich natürlich ein Trend verbergen, der jedoch zur Zeit statistisch nicht signifikant ermittelt werden kann.
Die Abbildung zeigt die AF berechnet aus den publizierten Daten des „Global Carbon Projects“. Die gestrichelte Linie bezeichnet die jährlichen Werte; die ausgezogene schwarze Linie stellt das gleitende 10-Jahresmittel dar.
Abbildung: Welcher Anteil des vom Menschen emittierten CO2 bleibt eigentlich in der Atmosphäre “hängen”. Die “Airborne fraction” variiert zwar stark, ist aber im langzeitlichen Mittel erstaunlich konstant bei ca. 44±6% und das, obwohl in den 150 Jahren stets anwachsender anthropogener Emissionen doch so viel mit dem Klima und den natürlichen Kohlenstoffsenken und Quellen passiert ist.
Warum ist die AF aber auf dekadaler und längerer Skala nahezu konstant? Als Physiker kann man dies recht gut verstehen, wenn man bedenkt, dass der globale Kohlenstoffkreislauf im wesentlichen ein System von Reservoiren unterschiedlicher Grösse und Umwälzraten ist, welche untereinander durch Transferprozesse verknüpft sind. Regt man ein solches System durch eine kleine Störung an, so kann man es mit einem Differentialgleichungssystem erster Ordnung beschreiben. Mathematisch entspricht dies einer Taylor-Entwicklung der u.U. sehr komplexen Austauschflüsse um einen Basiszustand. Wenn man sich den zeitlichen Verlauf der CO2 Emissionen ansieht, dann erkennt man, dass dieser nahezu exponentiell verläuft. Facht man ein solches Differentialgleichungssystem mit einer exponentiellen Störung an, dann ist leicht einzusehen, dass sich alle Inhalte der Reservoire und alle Austauschflüsse exponentiell mit derselben Zeitkonstante verändern. Und die Verhältnisse zwischen irgend zwei Variablen in diesem System sind konstant. Ergo ist auch die AF konstant.
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