Natürlich ist die Wirklichkeit komplexer, aber ich glaube dass dies der Effekt erster Ordnung ist, und dass sich die anthropogene Störung des Kohlenstoffkreislaufs daher noch weitgehend im linearen Bereich bewegt. Offensichtlich wirken sich alle nichtlinearen Effekte auf globaler Skala noch nicht messbar aus (auch wenn dies in der Literatur manchmal anders behauptet wird).
In gekoppelten Kohlenstoffkreislauf-Klimamodellen kann man dies nachrechnen. Alle Modelle zeigen längerfristig einen positiven Trend, d.h. dass Ozean und Land mit weiterhin zunehmenden Emissionen relativ weniger CO2 aufnehmen. Der Trend ist allerdings recht gering und dürfte sich, je nach angenommenem Emissionsszenarium, erst gegen Mitte dieses Jahrhunderts in den Beobachtungen abzeichnen. Für Details dazu siehe auch das Paper von Manuel Gloor, Jorge Sarmiento und Nicolas Gruber.
4) Für jede Art von Klimaverhandlungen, möchte man die CO2 Flüsse am besten für jedes Land, zumindest aber für jede Region so genau wie möglich abschätzen können.
A) Was denkst du, wie gut wird man in der Zukunft die Emissionen der einzelnen Länder/Regionen durch verschiedene Messsyteme kontrollieren können und welche Messungen sind momentan verfügbar?
Dies ist eine sehr schwierige Frage. Es gibt drei verschiedene Verfahren, um regionale Bilanzen zu quantifizieren, die einzeln oder in Kombination zusammen genutzt werden können:
(1) Mit Hilfe von atmosphärischen, sehr genauen, kalibrierten Konzentrationsmessungen: Man misst z.B. in Irland und in Ostpolen die CO2 Konzentration. Wenn man annimmt, dass der Wind von Irland nach Polen strömt, kann man aus der beobachteten Zu- oder Abnahme der CO2 Konzentration das auf dem Weg der Luft über Europa zugemischte, resp. entzogene CO2 schätzen. In der Praxis nutzt man ein dreidimensionales, zeitabhängiges Transportmodell, welches die Winde aus einem Modell der Wettervorhersage nutzt, um den Weg der Luft genauer zu beschreiben. Und man nutzt wenn möglich ein ganzes Netz an Beobachtungsstationen: über Europa mit seiner komplexen Quellen-/Senkenverteilung vorwiegend sogenannte „Tall Towers“, d.h. möglichst hohe Türme, z.B. Sendemasten, welche regional repräsentative Luftschichten erfassen (i.a. 200-500m hoch). Dieses Verfahren, das übrigens mathematisch nicht ganz trivial ist – Stichwort „Inversionsproblem“, wird oft als „Top-down“ Methode bezeichnet. Im wesentlichen liefert es die Netto-Kohlenstoffbilanz einer Region.
(2) Die lokalen CO2 Flüsse lassen sich an einzelnen Standorten mit Hilfe der Eddykovarianzmethode messen. Dabei misst man mit hoher Frequenz (20 Hz) den 3-dimensionalen Wind und die CO2 Konzentration an einem kleinen Turm z.B. über einem Wald oder einer Wiese. Da das Produkt Windgeschwindigkeit mal CO2 Konzentration dem CO2 Fluss entspricht, kann man mit diesem Verfahren durch Aufsummierung den durch die lokale Windturbulenz bewirkten vertikalen CO2 Transport messen. Um die Bilanz einer Region zu erfassen benötigt man repräsentative Eddykovarianz-Messtürme über allen relevanten Ökosystemen. Mit Hilfe von Vegetationskarten und Fernerkundungsdaten kann man die Punktmessung dann hochskalieren. Dieses Verfahren wird oft als „bottom-up“ Methode bezeichnet.
(3) CO2 Bilanzen einer Region lassen sich auch durch Inventurdaten ermitteln. Die Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas lassen sich nach wie vor am besten aus Statistiken des regionalen Verbrauchs dieser Energieträger quantifizieren. Auch die CO2 Bilanz von Wäldern einer Region lässt sich aus Forstinventaren ermitteln: Forstbesitzer sind interessiert am ökonomischen Wert ihres Waldes, daher werden periodisch alle 5-10 Jahre Inventuren der Dichte, Grössen- und Altersverteilung der Bäume aufgenommen. Da solche Daten oft landesweit vorliegen, lassen sich daraus recht belastbare Inventare der im Wald gespeicherten Kohlenstoffvorräte schätzen. Die Änderungen dieser Vorräte entspricht dann der regionalen Kohlenstoffbilanz dieser Waldflächen.
Jedes dieser Verfahren hat seine Stärken und Schwächen. Im Rahmen eines EU-weiten Projektes „CarboEuropeIP“ haben wir die verschiedenen Methoden verglichen und zeigen können, dass sie konsistente Ergebnisse zeigen, jedenfalls wenn man sie über den gesamten Kontinent aufsummiert. Generell gilt: je grösser die Region, desto genauer ist die top-down Methode, je kleiner die Region, desto besser ist das bottom-up Verfahren; vorausgesetzt, es sind genügend Messstationen vorhanden. Auf Grund dieser Erfahrung bauen wir zur Zeit auf europäischer Ebene das „Integrated Carbon Observation System (ICOS)“ auf. Dieses System, basierend auf allen drei oben angesprochenen Verfahren, soll langfristig die CO2 Bilanz Europas mit einer hohen räumlichen (10 x 10 km) und zeitlichen (wöchentlich) Auflösung dokumentieren. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Aber der Aufbau und Betrieb der Messnetze bestehend aus einem atmosphärischen Stationsnetz, einem terrestrischen Netz von Eddykovarianzstationen und einem ozeanischen Netz basierend auf automatischen Messungen auf Fähr- und Frachtschiffen, zusammen mit den notwendigen zentralen Einrichtungen (Labore, Datenbanken etc.) geht voran. Als europäische Infrastruktur wird ICOS von Finnland aus koordiniert.
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