Mittelfristig wird das Konzept von ICOS ergänzt werden durch Fernerkundungsdaten von neuen Sensoren auf Satelliten. Zur Zeit kann die Fernerkundung die existierenden in situ Beobachtungen nur ergänzen aber in 5-10 Jahren dürfte sich dies ändern. Neue Verfahren, z.B. aktive Verfahren (LIDAR) könnten die regionale und globale Konzentrationsverteilung von CO2 und anderen Spurengasen (z.B. Methan) in der Atmosphäre erfassen und kartieren. Daraus lassen sich dann die zu Grunde liegenden raumzeitlichen Verteilungen der Quellen und Senken dieser Gase berechnen. Aber bis dies soweit ist, müssen diese Satelliten wirklich fliegen und genügend genaue Messungen erzeugen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
B) Vor kurzem meldete etwa die Presse, dass Chinas Emissionen um ganze 20% falsch berechnet sein könnten. Wie kann es immer noch zu solchen Löchern im Budget kommen? Etwa hier bei Reuters.
Dies ist nicht nur ein Presseartikel, sondern basiert auf einer seriösen, begutachteten Studie von Guan et al., 2012, in Nature Climate Change. Die Forscher des „Global Carbon Project“ glauben, dass sie die globalen fossilen Emissionen mit einer Genauigkeit (±1 sigma) von etwa 5% im Griff haben. Die Emissionen einzelner Länder sind allerdings unsicherer, aber man glaubt, dass die regionalen Unsicherheiten unabhängig sind und sich bei der Aufsummierung zum Teil aufheben. Wenn Guan et al. recht haben, dann ist dies allerdings Wunschdenken.
5) Die Gründe für die natürlichen Schwankungen des CO2 waren immer sehr umstritten. Möglicherweise das gröszte Rätsel von allen ist der um ca. 100ppm niedrigere glaziale CO2 Wert, für dessen Erklärung man sicher einen Nobelpreis der Geowissenschaften bekäme, wenn es den einen gäbe. Warum ist es so schwierig dort irgendwelche Fortschritte zu machen?
Dies ist sicher eines, wenn nicht gar DAS spannendste Problem der Biogeochemie-Zunft. Wir bezeichnen es oft als „Biogeochemie-Enigma“. Leider fehlt uns bis jetzt der passende Rosetta-Stein oder ein Alan Turing um den Code zu knacken. Hypothesen gibt es zuhauf; und während der letzten Dekaden wurden unzählige Paleo-Datensätze erarbeitet, die ein Licht auf den einen oder andern Aspekt des Problems werfen. Die Schwierigkeit liegt u.a. darin begründet, dass auch der Zustand des physikalischen Systems (Temperaturen, Ozeanzirkulation, Niederschlagsverteilung, Eisbedeckung etc.) während der Kaltphasen nur ungenau bekannt ist. Dass der atmosphärische CO2 und CH4 Pegel während der Kaltphasen tiefer lag als im Holozän ist eigentlich plausibel, aber warum beim CO2 immer etwa 100 ppm während der letzten 4 glazialen Zyklen? Und davor, als der Temperaturunterschied zwischen Warm- und Kaltphasen kleiner war, schwankte die CO2 Konzentration auch nur um etwa 70 ppm…
6) Es gab ja mal einen gröszeren Konflikt zwischen der Eiskern-Community, die du ja als Berner besonders gut kennst, und denjenigen, die das CO2 vergangener Zeiten über die Analyse der morphologischen Eigenschaften von fossilierten Blättern (Stomataanzahl) rekonstruieren wollen. Während die Eiskerne langsame und träge Bewegungen des CO2 auf Skalen von ca. 1000 Jahren sehen, wackelt es bei den Paleobotanikern wild hin und her (Groeszenordnung 50ppm). Was ist denn da jetzt so der letzte Zwischenstand?
Die aus der Stomataanzahl rekonstruierten atmosphärischen CO2 Schwankungen sind an sich interessant, wiederspiegeln aber nicht den echten Atmosphärenwert. Ähnliches gilt für Rekonstruktionen der CO2 Konzentration aus 13C/12C Isotopenmessungen an Moosen o.ä. Bei diesen Verfahren hängen die benutzten Transferfunktionen zwischen der Messgrösse (Stomatadichte, 13C/12C Isotopenverhältnis) und der geschätzten CO2 Konzentration von vielen weiteren Einflussgrössen ab, die quantitativ schwer rausgerechnet werden können. Die Transferfunktionen basieren zudem im wesentlichen auf empirischen Beziehungen, welche die zu Grunde liegenden komplexen biologischen Prozesse nur beschränkt darstellen. Bei den Eiskerndaten hat man ein grösseres Vertrauen, da der Gas-Einschluss im Firn und Eis ein physikalischer Prozess ist, den man modellieren kann und wo man das Einschlussmodell mit Messungen von anderen Gasen oder deren Isotopenzusammensetzung überprüfen kann.
Schnelle natürliche Schwankungen im atmosphärischen CO2 wären aus der Sicht der Dynamik des Kohlenstoffkreislaufs auch schwierig zu verstehen. Da der Ozean das atmosphärische CO2 puffert, müssten enorme Mengen Kohlenstoff im System verschoben werden: Um eine Änderung des atmosphärischen CO2 um 50 ppm über 50 Jahre zu bewirken müssten über 200 PgC emittiert werden – woher sollten diese auf die Schnelle kommen? Dennoch besteht natürlich ein grosses Interesse, die vergangene CO2 Konzentration mit einer von den Eiskernmessungen unabhängigen Methode zu ermitteln.
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