Eines der Stichwörter der letzten Tage und Wochen war ja die Behauptung, wir seien in eine postfaktische Phase der Geschichte eingetreten. Die Idee ist, dass so etwas wie Fakten eben aus einer anderen, früheren, irgendwie positivistischen Epoche stammen und schlicht nicht mehr zählen. Es ist sicher faszinierend und erstaunlich, wie einerseits Wissenschaft und Technik den letzten Winkel unseres Daseins bestimmen, wie sie unsere Arbeitswelt radikal verändern und auseinandernehmen, ja die biologischen Grundlagen dessen, was ein Mensch ist, in Frage stellen, und andererseits diese Entwicklungen auf eine Menschheit treffen, die so etwas wie Tatsachen schlicht nicht mehr erkennt und anerkennt, der schlicht alles zur konspirativen Lüge wird und die in einem halbmagischen Universum verharrt, welches eher an eine abenteuerliche Mischung von Mittelalter und Starwars erinnert, an ein Game of Thrones in der “starke Männer” Entscheidungen fällen und die “Reinheit des Blutes” wieder an die Stelle einer Verfassung tritt.
Wir sind in erschreckender Weise nicht auf das 21te Jahrhundert vorbereitet: intellektuell, politisch, emotional, institutionell. Trump ist sicher ein Protofaschist, wie es nach dem zweiten Weltkrieg noch keiner in einer westlichen Demokratie an die Macht geschafft hat und bei dem einzig sein maßloser und grotesker Narzissmus Hoffnung gibt, dass er eben nicht tun wird, was er angekündigt hat. Aber das hat man von Hitler schliesslich auch mal gesagt. Dass Fakten Trump nicht aufhalten werden, steht jetzt schon fest: Der Klimawandel, um mal beim Thema dieses Blogs zu bleiben, sei eine Erfindung der Chinesen, um den Amerikaner die Jobs zu stehlen, so sagte er. Was soll man da noch Strahlungstransportgleichungen lösen?
Als größere und fundamentale Krise der Demokratie verstanden, zeigen sich im Aufstieg von Trump und Seinesgleichen Tendenzen und Probleme, wie sie für mich besonders anschaulich in David van Reybroucks “Gegen Wahlen” beschrieben sind. Das Buch möchte ich an dieser Stelle als kleines Antidot gegen eventuelle Wahlnachtsschmerzen ausdrücklich empfehlen. Es beschreibt nicht nur, welche Prozesse die Demokratie systematisch annagen, sondern macht auch interessante Vorschläge, wie man eventuell die jetzigen Erosionsprozessen aufhalten kann. Zur Herstellung von Legitimität der politischen Macht und zur Erreichung von Effektivität der politischen Akteure, beide notwendig um die Demokratie am Leben zu erhalten, schlägt van Reybrouck eine Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie vor. Statt also langer Trauerarbeit wegen der gestrigen Trumpwahl schlage ich die Lektüre von “Gegen Wahlen” vor und natürlich das eifrige Diskutieren hier im neuen “Dies und Das”.
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