Kurz vor dem Auto begegnet mir doch noch ein Kollege aus der Ausbildung. Damals hätte ich ihm die Pest an den Hals gewünscht. Heute reden wir ganz normal miteinander – so normal, wie es in dieser Situation eben geht: Er ist genau so betroffen wie ich. Als wir uns die Hand geben, denke ich: “Sieh da, er hat auch nen Ring am Finger.” Schon interessant, was sich mit den Jahren alles ändert.

Auf dem Weg nach Hause nieselt es. Das Wetter ist dem Anlass angemessen.

Ich denke daran, dass in der BG-Unfallklinik noch zwei schwer Brandverletzte um ihr Leben kämpfen. In Deutschland gibt es dafür kaum ein besseres Haus. Aber Brandwunden sind heimtückisch. Christoph hatte es schlimm erwischt – er hat fast zwei Wochen gekämpft. Und die andern beiden sind auch noch nicht über den Berg. Wollen wir hoffen, dass sie überleben. Für Feuerwehrleute gab es dieses Jahr schon zu viele Trauerfeiern.

 

Was bleibt

Die furchtbare Bilanz ein Jahr nach dem Unfall sind fünf Tote, fünf lebende Schwerzverletzte und über 30 Leichtverletzte. Unfassbar für alle ist 11 Monate nach dem Unfall ein vierter Feuerwehrmann seinen Verletzungen erlegen. Mir war zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewusst, dass überhaupt noch jemand im Krankenhaus liegt. Es dauert eben doch sehr lange, bis die körperlichen Wunden zumindest einigermaßen verheilen. Die seelischen Wunden, die der Unfall geschlagen hat, werden nie ganz verschwinden.

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Kommentare (4)

  1. #1 Hobbes
    17. Oktober 2017

    Ich fahre nebenbei auch im Rettungsdienst und wurde vor einem Jahr morgens auch von 2 Leuten abgelöst die dann einen Unfall hatten und samt Patient verstorben sind. Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie unwirklich sich das angefühlt hat als ich die Nachricht bekam. Einer der Kollegen die als erstes bei der Unfallstelle waren hat meines wissens auch den Job gewechselt.
    Erstaunlich ist auch wie unterschiedlich die Leute damit umgehen. Ich persönlich gehöre zu den Leuten die so etwas verdrängen und dann Stück für Stück aufarbeiten.

    • #2 Oliver Gabath
      20. Oktober 2017

      Irgendwie hab ich das Gefühl, wir haben erstaunlich viel gemeinsam – ich fahre zwar nicht im Regelrettungsdient, aber gehöre in unserem Landkreis zur SEG-SAN und nehme jeden Sanitätswachdienst wahr, zu dem ich gehen kann.

      Ich hab ehrlicherweise keine Ahnung, wie ich damit umgehen würde, wenn HiOrg-Kammeradinnen oder -Kammeraden im Einsatz ums Leben kommen, die ich persönlich kenne – mit Christoph hatte ich ja viele Jahre keinen Kontakt mehr, aber es hat mich damals ganz schön mitgenommen. Was auch immer die Umstände: Plötzlich auf der Beerdigung oder Trauerfeier von jemandem zu stehen, den man kennt und der unerwartet aus dem Leben gerissen wurde fühlt sich wohl immer unwirklich an…

  2. #3 PippiLotta
    18. Oktober 2017

    Auch ich arbeite in den beiden Welten Feuerwehr und Sicherheitstechnik, befasse mich tagtäglich mit den Wahrscheinlichkeiten für Fehler und Co. Natürlich hat man immer die Wahrscheinlichkeit im Kopf bei der nix passiert, die andere Seite versucht man auf das kleinstmögliche zu reduzieren und blendet sie dann aus.
    Aber sehr wenig wahrscheinlich bedeutet leider nie ausgeschlossen.

    Die Nachbesprechung so mancher (eigener, fremder) Einsätze zeigt dann, dass so manche Entscheidung aus einem anderen Blickwinkel gar nicht mehr so richtig wirkt. Und ich bin sehr froh, dass in meinem Umfeld bisher niemand zu Schaden kam und hoffe dass wir immer weiter lernen und dafür arbeiten (in beiden Welten, Feuerwehr und Sicherheitstechnik) Wahrscheinlichkeiten und Ausmaße zu reduzieren.

    • #4 Oliver Gabath
      20. Oktober 2017

      Ich glaube, dass ist vielen Leuten, die nie über große Summen oder menschliche Schicksale entscheiden müssen oft gar nicht klar. Ich hab für meine kleine Serie über Planung schon die nächsten Beiträge fast fertig und da geht es viel darum, dass ich mich für dieses oder jenes Konzept, für dieses oder jenes System und für dieses oder jenes Produkt entschieden habe. Wohlweisslich, dass ich mich auch irren kann. In der Tat ist das bei meiner täglichen Arbeit immer wieder mal der Fall. Egal wie gut man sich versucht abzusichern, bei jedem Projekt gibt es ein paar Entscheidungen, für die es am Ende keine wirklich bessere Begründung gibt, als die, “dass ICH das so entschieden habe. Mir ist klar, dass man es auch anders machen kann und andere mögen es anders sehen, aber aufgrund meiner Erfahrung und Expertise bin ich der Meinung, eine gute Entscheidung getroffen zu haben, die ich auch bereit bin zu verteidigen.”

      Aber da geht es nur um Geld, deshalb wieder ein Beispiel aus dem Rettungsdienst:

      Triage macht der Notarzt oder das erste an der Einsatzstelle eintreffende Fahrzeug. In Deutschland ist der Regelrettungsdienst zwar meistens als erstes vor Ort, aber unter Umständen nicht immer. Was, wenn die SEG doch vor dem Notarzt da ist? Vielleicht brauchen viele Menschen Hilfe – aber wer am nötigsten? Wenn kein Arzt mit dabei ist, entscheidet der mit der höchsten medizinischen Qualifikation oder der Gruppenführer. Und so wird der Karl vom KegelKlub auf einmal zum Herrn über Leben und Tod. So was geht schon bei Übungen an die Nerven. Wie erst im richtigen Einsatz.