Die katholische und evangelische Kirche in Deutschland haben übereinstimmend alle Gottesdienste und sonstige Veranstaltungen abgesagt, folgen damit den politischen Vorgaben und verhalten sich in diesem Sinne gesellschaftlich verantwortungsvoll und vernünftig. Die Botschaft der beiden großen Konfession ist, den Maßnahmen zur sozialen Distanzierung zu folgen. Dass jede religiöse Gemeinschaft in Deutschland so vernünftig ist, kann ich mir zwar nicht vorstellen, aber zumindest die großen christlichen Konfessionen und soweit ich das mitbekomme, gehen auch die meisten muslimischen und jüdischen Konfessionen in diese Richtung (Für orthodoxe Juden, die am Sabbat keine Elektrizität benutzen dürfen, stellen beatmungspflichtige Patienten eine ganz besondere Herausforderung dar. Und Amerikanische christliche Fundamentalisten – da fehlen mir grade die Worte).
Ich komme wie gesagt aus einem christlich geprägten Umfeld und deswegen bekomme ich in der Hinsicht eine Menge mit, für andere Religionen kann ich deswegen nicht sprechen. Aber ich finde interessant und wissenswert, wie diverse Bistümer, Pfarreien und Pfarrer mit der Pandemie umgehen.
Zunächst werden ganz allgemein und auch in normalen Zeiten Gottesdienste im Fernsehen und Radio übertragen. Man muss nur kurz Google anwerfen (bzw. die Kinder darum bitten) oder ans schwarze Brett der eigenen Pfarrei gucken und wird fündig. Dem Fest des Glaubens am Fernseher oder Radio beizuwohnen ist zwar kein Ersatz für das eigene Erleben, aber ein Trost, der die Hoffnung am leben hält, dass wieder andere Zeiten kommen.
Im Bistum Speyer sollen jeden Abend um 19:30 die Glocken leuten, um die Gläubigen daran zu erinnern, dass es eine christliche Gemeinschaft gibt und zum gemeinschaftlichen Innehalten aufrufen, wenn schon das gemeinsame Treffen nicht möglich ist.
Jaoachim Geisler aus Aachen kam auf die Idee seine Schäfchen zu bitten, ihm ein Photo von sich zuzusenden, dass er ausdrucken und in die Kirchenbänke stellen kann. So hat er nicht das Gefühl, vor einer leeren Kirche die Messe zu lesen und die Gemeindemitglieder haben das Gefühl, dabei zu sein. Auch das Sakrament der Beichte, für gläubige Christen ein unverzichtbarer Bestandteil des religiösen Lebens, ist so durchführbar.
Ludger Jonas aus Emstek hat die Mitglieder seiner Pfarrei gebeten, einen persönlichen Gegenstand in der Kirche abzulegen. So hat er das Gefühl, dass sie bei ihm sind und umgekehrt. Mehr noch: Die Gegenstände sind sie unterschiedlich wie die Menschen selbst und symbolisieren damit die Vielfalt in der Gemeinde. Es sind fast alles Dinge aus dem täglichen Leben, keine Ideale, keine Ikonen. Es ist, was wirkliche Menschen in einer wirklich schwierigen Lage von sich preisgeben.
Ein Pfarrer mit dem meine Eltern gut befreundet sind, hat für den heutigen Palmsonntag eine Menge Palmwedel vorbereitet, die vor der Kirche stehen, damit die Gläubigen sich einen nehmen können. So haben sie Teil am Osterfest, immerhin dem wichtigsten Feiertag der Christenheit.
Diverse Kirchen sind unter der Bedingungen weiterhin geöffnet, dass die Gläubigen verschiedene Zugänge für Ein- und Austritt nutzen, in der Kirche selbst Abstand halten und ihren Aufenthalt auf das Nötigste beschränken.
Man kann das alles bescheuert finden oder gefährlich oder irrational und hat damit von einem gewissen Standpunkt aus recht, aber der Tatsache, dass in diesem unserem Land nennenswert viele Menschen auf das spirituelle Leben in ihren Gemeinden angewiesen sind, sollte man Rechnung tragen. Von ihrer Gemeinde abgeschnitten zu sein ist für spirituelle Menschen Stress, dem man mit relativ einfachen Mitteln abhelfen kann und zumindest so weit ich sehen kann, gibt es da einige gute Ideen. Ich denke sogar, dass es Zeichen dafür ist, wie wir als Gesellschaft enger zusammenrücken, obwohl die räumliche Distanz zugenommen hat.
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