Blut ist ein ganz besonderer Saft

Blut ist ein ganz besonderer Saft

Als ich gestern Abend nach Hause kam, war ich gemolken. Gestern hatten wir einen der längsten und erfolgreichsten Blutspendetermine unserer Geschichte. Statt unserer normalen 80 bis 100 Spender haben uns gestern runde 130 besucht – und das mitten in der Pandemie. Gerade in diesen Zeiten, in denen leider viele Termine ausfallen, weil die Spendelokale nicht geöffnet werden, ist es schön zu sehen, dass die Termine die stattfinden besonders gut besucht sind. Bei unserem letzten Termin März, dem ersten unter Corona-Bedingungen, waren es schon 120 – gestern noch mal zehn mehr. Davon 25 Erstspender. Wartezeiten von anderthalb Stunden zwischen Ankunft, Aufnahme und Spende waren keine Seltenheit. Und die Leute haben mitgemacht. Beeindruckend.

Das ist nicht nur unsere Erfahrung, sondern auch die der Spendeteams vom Blutspendedienst West, unseres Referenten dort und der anderen DRK Ortsvereine in unserer Gegend, die noch Spenden durchführen können. Die Leute bleiben nicht daheim – im Gegenteil: Sie kommen jetzt erst recht, sind bereit lange Wege in kauf zu nehmen und bringen viel Geduld mit.

Im Einzugsgebiet des Blutspendedienstes West wird alle 15 Sekunden eine Blutkonserve benötigt, das sind fast 6.000 am Tag, davon etwa 1.000 allein in Rheinland-Pfalz. Vier von fünf Menschen in Deutschland sind im Laufe ihres Lebens mindestens ein Mal auf eine Bluttransfusion angewiesen. Trotz dessen spenden nur etwa 3 % der Bevölkerung regelmäßig. Blut ist nicht nur während einer Operation nötig, es ist auch die Basis lebensrettender Medikamente für seltene Krankheiten und wichtiger Rohstoff für die Forschung. Blut spenden heißt Leben retten und wer’s nicht beim DRK machen will, findet bestimmt auch ein Spendezentrum oder ein Krankenhaus in der Nähe (außer, man lebt irgendwo mitten Pfälzerwald oder ähnlich weit ab vom Schuss. Dann ist der DRK Blutspendedienst fast das einzige, was sinnvoll geht).

Viele Leute fragen sich in diesen Zeiten, wie so eine Blutspende eigentlich abläuft, wenn zur gleichen Zeit die gefährlichste Krankheit der jüngeren Geschichte grassiert. Ich will versuchen, mal einen Einblick anhand eines Beispiels zu geben – nämlich unserer eigenen jüngsten Spende.

Blutspenden des DRK finden in den Ortsvereinen in einem Spendelokal statt. Das sind oft Gemeindehäuser, Sport- und Mehrzweckhallen, Pfarrheime, Firmen oder wie in unserem Fall eine Schule. Die Organisation der Spendelokale übernehmen die Ortsvereine, die Durchführung der eigentlichen Spende ein Team des Blutspendedienstes. Die Spendelokale müssen baulich so beschaffen sein, dass es zur Wahrung der Diskretion und aus Datenschutzgründen die verschiedenen Stationen in getrennten Räumen aufgebaut werden können. In der Jetztzeit gibt zusätzlich die Herausforderung, die Abstände zwischen den Personen zu gewährleisten, einen ausreichend großen wettergeschützten Wartebereich vor dem Spendelokal zu schaffen und die Stationen so aufzubauen, dass die Spender das Lokal nur in einer Richtung durchqueren und es keinen Gegenstrom gibt. Die Stationen sind:

  • Der Wartebereich vor dem Spendelokal. In unserem Fall ein überdachter Schulhof zwischen Schule, Turnhalle und einer Mehrzweckhalle der Gemeinde
  • Der Eingangsbereich. Hier steht ein Tisch mit Händedesinfektionsmittel und ein Helfer, der als Maitre de die Spender fragt, ob sie gesund sind, ob sie in letzter Zeit im Ausland waren und ob es in ihrem Verwandten- oder Bekanntenkreis Covid19-Fälle oder den Verdacht darauf gibt. Außerdem misst er ihnen die Temperatur an der Stirn.
  • Die Anmeldung, wo die Spender sich mit ihrem Blutspenderausweis anmelden oder als Erstspender registrieren
  • Die Selbstauskunft, wo die Spender einen Selbtsauskunftsbogen ausfüllen, der beim Arztgespräch wichtig wird. Außerdem entscheiden sie hier durch Aufkleben eines von zwei Barcodes auf den Selbstauskunftsbogen, ob ihr Blut verwendet werden darf oder verworfen werden soll. Das hat folgende Bewandtnis: Es kommt gar nicht so selten vor, dass Firmen, Sportgruppen, Parteien oder Vereine gemeinsam zur Blutspende gehen und ein Gruppenmitglied sich nicht vor den anderen wegen einer Kondition outen will, die gegen eine Spende spricht. Das kann eine Krankheit wie HIV sein, Homosexualität oder häufig wechselnde Partner bzw. Prostitution, ein früherer Gefängnisaufenthalt oder etwas ganz anderes. In solchen Fällen wird die Spende ganz normal durchgeführt, niemand muss wissen, dass das Blut nicht weiterverwendet wird, aber in dem Moment, wenn der Barcode mit dem Spendegerät eingelesen wird, weiss das System bereits, dass die Spende später bei der Aufbereitung automatisch ausgesondert entsorgt wird.
  • Die HB-Messung. Hier gibt es einen kleinen Pieks in den Finger und der Hämoglobinwert wird gemessen. Bei zu niedrigen Werten darf nicht gespendet werden. Außerdem wird nochmal die Temperatur gemessen. Diese Station ist normalerweise erst nach dem Arztgespräch vorgesehen, aber unter den Pandemiebedingungen ist manches einfacher, wenn man diese beiden Stationen tauscht.
  • Das Arztgespräch. Hier misst der Arzt Blutdruck und Puls und geht mit dem Spender den Selbstauskunftsbogen durch. Ganz wichtig ist, dass Blutspender mindestens eine richtige Mahlzeit hatten und vor der Spende mindestens zwei Liter trinken (Für alle Büromenschen: Dazu zählen auch Tee und Kaffee). Bei Erstspendern findet auch noch ein Aufklärungsgespräch statt. Wenn der Arzt die Spendetauglichkeit bescheinigt, geht es weiter. Alle Gespräche sind vertraulich und der Arzt unterliegt natürlich der Schweigepflicht. Deswegen müssen sie in einem separaten Raum stattfinden.
  • Der Spenderaum, wo die eigentliche Spende stattfindet. Der Spender liegt dazu auf einer Liege und hat die Wahl zwischen linkem und rechtem Arm. Gespendet werden je nach Spendegerät 500 ml bzw. 530 g Vollblut und das Ganze dauert etwa fünf bis zehn Minuten. Nach der Spende kann man, sofern Platz ist, noch ein bisschen liegen bleiben, gleich aufstehen und zum Essen gehen oder sich von einem Helfer zu einer Liege im Ruhebereich geleiten lassen und dort noch ein bisschen ausruhen.
  • Der Ruhebereich mit einigen Ruheliegen. Für viele Menschen ist die Blutspende anstrengend und sie müssen sich davon erholen. Gerade dünne, kleine, ältere Menschen brauchen einen Moment, um den Verlust eines halben Liters Blutes zu verdauen. Sie können sich so viel Zeit nehmen wie sie wollen, wir schmeißen niemanden raus und wer noch da liegt, wenn wir abbauen wollen, sollte sich besser gleich ins Krankenhaus fahren lassen, denn um die Zeit hat kein Arzt mehr offen.
  • Die Essensausgabe, wo man sich nach der Spende stärken kann. Getränke stehen auf dem ganzen Weg bereit oder können den Spendern gebracht werden, aber als kleines Dankeschön vom Ortsverein gibt es danach noch etwas zu essen. Normalerweise bestellen wir das Essen (in der Regel so was wie Gulaschsuppe oder Lasagne, jeweils mit und ohne Fleisch) beim Caterer und die Spender können sich zum Essen zusammensetzen, aber in Zeiten der Pandemie bieten wir nur Lunchpakete zum Mitnehmen an. Vom Blutspendedienst gibt es auch noch was Süßes obendrauf.
  • Der Ausgang muss im Moment getrennt vom Eingang sein.

Idealerweise können alle Stationen in gerader Richtung besucht und das Spendelokal durch eine andere Tür wieder verlassen werden, aber aufgrund der baulichen Gegebenheiten ist das nicht immer möglich. Wir haben z.B. bei uns keine Möglichkeit dazu, deswegen müssen wir uns anders behelfen. Mit Stellwänden, Stühlen und Flatterband trennen wir die Aula der Schule so auf, dass die Spender das Lokal durch den einen Flügel der Eingangstür betreten, wie in einem großen U durch das Lokal geführt werden und es durch den zweiten Flügel wieder verlassen.

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Kommentare (2)

  1. #1 Skeptikskeptiker
    18. Juni 2020

    Danke für den ausführlichen Bericht. Schön dass ihr so einen Andrang hattet. Nächste Woche habe ich meine 147. Spende, wenn alles gut geht, schaffe ich noch diese Jahr die 150 🙂
    Ein paar kleine Anmerkungen:
    Über den Sinn des freiwilligen Selbstausschluss habe ich schon immer gerätselt. Deine Erklärung, naja, scheint mir doch ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Interessant wäre mal die Gesamtzahl solcher Ausschlüsse, möglicherweise sogar mehrheitlich einfach falsch geklebt…
    Pieks in den Finger, aua, bis jetzt konnte ich die Schwester immer überzeugen, doch mein Ohrläppchen zu nehmen. Auch wenn das nicht gern gesehen wird.
    Dünnere kleinere Menschen – 50kg muss man laut Fragebogen schon wiegen.
    Selbstauskunft: die meisten Auschlüsse noch beim Arzt erfolgen meiner Erfahrung nach durch Auslandsaufenthalte vor der Spende, zumal sich die Regeln dort ständig ändern. Letztes Jahr wurde ich nach einem Urlaub in Russland – im gemäßigten klimatischen Teil – wegen möglicher Westnil-Fieber-Infektionsgefahr wieder nach Hause geschickt.
    Einladung zur Blutspende: Irgendwo hakt es auch in der Datenbank, ich bekomme immer wieder genau eine Woche, nach dem ich spenden war, eine dringende Einladung.

    • #2 Oliver Gabath
      20. Juni 2020

      Wenn das, was der Blutspendedienst zu mir sagt stimmt (und ich hab keinen Grund, Leuten, mit denen ich seit Jahren zusammenarbeite zu misstrauen), dann ist das, was ich geschrieben habe der Hauptgrund für den Selbstausschluss. Ich persönlich hab mit dem freiwilligen Selbstauschluss weit weniger Probleme, als z.B. mit dem neuen Selbstauskunftsbogen und wie er in der offiziellen Handreichung gehandhabt werden soll. Insbesondere die Fragen zu Gefängnisaufenthalten und dem Sexualverhalten werden viel strenger bewertet als das heutzutage nötig wäre. Was genau die häufigsten Gründe sind, müsste ich mal nachfragen – da gibt es bestimmt interne Statistiken. Vielleicht kann ich dazu ja mal was schreiben. Und was dann mit dem Blut eigentlich weiter passiert.

      Die Einladung ist wirklich ein Problem, dass der Blutspendedienst nicht in den Griff bekommt. Keine Ahnung, was daran so kompliziert ist, aber zwischen keine Einladung, gleich drei Einladungen, per E-Mail obwohl postalisch angemeldet war oder umgekehrt oder gar nix oder beides ist alles drin. Scheint nicht so einfach zu sein – warum auch immer.