Blut ist ein ganz besonderer Saft

Mund-Nasenschutz ist Pflicht, die Händedesinfektion vor Betreten des Lokals und die Fragen durch den Maitre de sind obligatorisch. Außerdem müssen die Abstände eingehalten werden (Erfahrungsgemäß funktioniert das sehr gut. Die Leute haben das im Griff). Seit Juni 2020 kommt noch ein neues Stück Technik dazu, das Terminreservierungssystem: Der Blutspendetermin wird in Zeitblöcke von 15 Minuten Dauer eingeteilt. In jedem Block steht eine bestimmte Anzahl von Spendeplätzen bereit. Über die DRK-Blutspende-App fürs Smartphone sowie die verschiedenen Websites können sich die Spender für einen ihnen genehmen Zeitblock reservieren. Für alle ohne Smartphone und Internet wird bald auch eine Telefonnummer zur Verfügung stehen. Das soll Zeit sparen und die Durchführung des Termins effektiver machen. Die Blutspende in unserem Ortsverein läuft immer von 16:30 Uhr bis 20:00 Uhr (geplant) und wir haben 8 Spendeplätze für Reservierer. Außerdem gibt es noch einen Spendeplatz für Leute ohne Termin. Insgesamt macht das 126 Plätze. Mehr als genug unter der Voraussetzung, dass alle pünktlich kommen und wir nicht zu viele Erstspender haben, denn die brauchen mindestens doppelt, wenn nicht drei Mal so lang wie ein Stammspender.

Gestern war für uns die Premiere mit dem neuen Reservierungssystem und es war…durchwachsen. Das Reservierungssystem und die verschiedenen online-Systeme funktionieren und sind, zumindest meiner Meinung nach, einfach und zweckmäßig zu bedienen. Technisch ist alles in Ordnung. Es wurde auch gut angenommen – fast 100 Spender hatten sich im Vorfeld angemeldet. Da das System aber noch so neu ist, haben viele andere Spender gar nicht mitbekommen, dass es überhaupt existiert. Der Blutspendedienst hat zwar kräftig die Werbetrommel gerührt und überall im Netz und der App gibt es Hinweise darauf, aber eben erst seit Juni. Wer also Ende Mai den Termin rausgesucht hat, konnte noch gar nichts reservieren. Die Stammspender wurden zwar mit der postalischen Einladung zur Blutspende informiert, aber ganz ehrlich: Viele lesen die Einladung gar nicht (ich zum Beispiel), weil ihnen sowieso klar ist, wann sie wo sein sollen. Wir vom Ortsverein haben in unserem Amtsblatt auch darauf hingewiesen, aber das bringt keinem was, der von auswärts kommt.

Und so begab es sich denn, dass gestern zum Terminstart nicht maximal neun, sondern fast 30 Leute vor Ort waren, viele davon aus Nachbargemeinden oder sogar den nächsten Landkreisen, von denen zwei Drittel bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal was von einem Terminreservierungssystem erfuhren. Und der als Maitre de fungierende glückliche Helfer am Eingang – meine Person – hatte die ehrenvolle Aufgabe, diesen weitgereisten Leuten zu erklären, dass heute alles anders sein würde. Entsprechend gereizt war die Stimmung und so manche Spender machten ihrem Unmut lautstark Luft. Aber was soll ich sagen – wir haben’s hingekriegt.

Wir sind alle am Ende doch ruhig geblieben, haben mit Spendern aus dem Ort geredet, ob sie auf spätere Termine ausweichen können, haben hin und her geschoben und Ende tatsächlich alle 90 Spender mit und 40 Spender ohne Reservierung in einen Termin eingetaktet, der für maximal 14 Spender ohne Reservierung ausgelegt war. Und nicht nur das: Wir hatten gestern enorm viele Erstspender. Fast ein Viertel aller Spender kam zum ersten Mal (und kommt hoffentlich wieder). Deshalb kam es oft zu langen Staus vor den Stationen, denn Erstspender brauchen wie gesagt eben mindestens doppelt so lang für alles. Mehr als eine Handvoll Leute mussten nicht nach Hause gehen. Die Bereitschaft der Spender ihren Termin zu verschieben, andere vorzulassen, lange Wartezeiten zu ertragen war enorm und ganz großartig. Und das, obwohl’s bei uns nur ein kleines Geschenk und ein bisschen was Süßes gibt. Alles freiwillig. Und die letzten Spenden begannen erst gegen 21:00 Uhr, obwohl schon eine Stunde vorher Schluss sein sollte. Bemerkenswert.

Ich denke, bis Endes des Jahres wird das System seinen Zweck erfüllen. Wir hatten gestern ja keine technischen Probleme, es war einfach noch zu neu und die Umstellung braucht eine gewisse Zeit. Ich würde mir nur zwei Dinge für die App wünschen:

  • Die Möglichkeit, den nächsten Spender direkt auf dem Smartphone zu informieren bzw. den Namen durch eine Nummer zu anonymisieren. Gestern musste ich die Spender mit Namen aufrufen und das ist im Sinne des Datenschutzes eigentlich nicht mehr zeitgemäß
  • Das System sollte nur zwei Erstspender pro Zeitblock zulassen, denn vier oder fünf auf ein Mal belegen zu viele Plätze bei der Anmeldung und Selbstauskunft. Die Ärzte können zwar Sammelunterweisungen machen, in denen sie die allgemeinen Punkte einer ganzen Gruppe erklären, bevor es ins persönliche Gespräch geht, aber dieser Zeitgewinn wird durch den Verlust an den anderen Stationen mehr als wettgemacht, wie wir gestern gelernt haben.

Gestern haben wir eine der erfolgreichsten Blutspenden in der Geschichte unseres Ortsvereins durchgeführt. Trotz der Pandemie. Trotz des neuen Reservierungssystems. Trotz der großen Verzögerungen. Und trotz der knappen Personalsituation sowohl bei uns als auch beim Blutspende-Team. Alles in allem war ich fast acht Stunden vor Ort, von der Vorbereitung vor dem Aufbau bis nach dem Abbau und ich kann mich nicht erinnern, wann mich ein Dienst mal so geschlaucht hätte. Aber sich angestrengt zu haben und dafür mit Erfolg belohnt zu werden ist ein schönes Gefühl. Und deswegen freue ich mich jetzt schon auf unseren nächsten Termin im August.

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Kommentare (2)

  1. #1 Skeptikskeptiker
    18. Juni 2020

    Danke für den ausführlichen Bericht. Schön dass ihr so einen Andrang hattet. Nächste Woche habe ich meine 147. Spende, wenn alles gut geht, schaffe ich noch diese Jahr die 150 🙂
    Ein paar kleine Anmerkungen:
    Über den Sinn des freiwilligen Selbstausschluss habe ich schon immer gerätselt. Deine Erklärung, naja, scheint mir doch ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Interessant wäre mal die Gesamtzahl solcher Ausschlüsse, möglicherweise sogar mehrheitlich einfach falsch geklebt…
    Pieks in den Finger, aua, bis jetzt konnte ich die Schwester immer überzeugen, doch mein Ohrläppchen zu nehmen. Auch wenn das nicht gern gesehen wird.
    Dünnere kleinere Menschen – 50kg muss man laut Fragebogen schon wiegen.
    Selbstauskunft: die meisten Auschlüsse noch beim Arzt erfolgen meiner Erfahrung nach durch Auslandsaufenthalte vor der Spende, zumal sich die Regeln dort ständig ändern. Letztes Jahr wurde ich nach einem Urlaub in Russland – im gemäßigten klimatischen Teil – wegen möglicher Westnil-Fieber-Infektionsgefahr wieder nach Hause geschickt.
    Einladung zur Blutspende: Irgendwo hakt es auch in der Datenbank, ich bekomme immer wieder genau eine Woche, nach dem ich spenden war, eine dringende Einladung.

    • #2 Oliver Gabath
      20. Juni 2020

      Wenn das, was der Blutspendedienst zu mir sagt stimmt (und ich hab keinen Grund, Leuten, mit denen ich seit Jahren zusammenarbeite zu misstrauen), dann ist das, was ich geschrieben habe der Hauptgrund für den Selbstausschluss. Ich persönlich hab mit dem freiwilligen Selbstauschluss weit weniger Probleme, als z.B. mit dem neuen Selbstauskunftsbogen und wie er in der offiziellen Handreichung gehandhabt werden soll. Insbesondere die Fragen zu Gefängnisaufenthalten und dem Sexualverhalten werden viel strenger bewertet als das heutzutage nötig wäre. Was genau die häufigsten Gründe sind, müsste ich mal nachfragen – da gibt es bestimmt interne Statistiken. Vielleicht kann ich dazu ja mal was schreiben. Und was dann mit dem Blut eigentlich weiter passiert.

      Die Einladung ist wirklich ein Problem, dass der Blutspendedienst nicht in den Griff bekommt. Keine Ahnung, was daran so kompliziert ist, aber zwischen keine Einladung, gleich drei Einladungen, per E-Mail obwohl postalisch angemeldet war oder umgekehrt oder gar nix oder beides ist alles drin. Scheint nicht so einfach zu sein – warum auch immer.