Neulich bin ich beim Aufräumen über eine Kiste Zeugs aus meiner Liverollenspiel-Zeit gestolpert, darunter auch diverse Accessoires für meine Steampunk-Figur. Dabei kam ich ins Träumen. Ich mag Geschichten und mochte sie immer, ich lese sie gerne und habe hin und wieder selbst was geschrieben. Sich in fremde Welten zu versetzen, dem Alltag für ein paar Stunden zu entfliehen, ist wunderbar. Und wie ich mich so auf den Gedankenwellen treiben lasse, erscheint das Bild eines Schiffes vor meinen Augen. Ein riesiges Schiff von einzigartigem Design. Klare Linien, massive Konstruktion. Segel und Schornsteine. Schaufelräder an beiden Seiten. Ein Schiff, direkt aus einer Geschichte von Jules Verne.

Aber dieses Schiff, von dem ich spreche, hat es tatsächlich geben. Der Name: Great Eastern

SS Great Eastern in See (Bildquelle: Library of Congress, gemeinfrei)

Die Geschichte der Great Eastern ist aus dem Stoff gewoben, aus dem Träume sind. Sie beginnt als Idee im Kopf eines der großen Ingenieure des 19. Jahrhunderts, keinem geringeren nämlich, als Isambard Kingdom Brunel, einer der zweifellos legendären Figuren jener Zeit und Vorbild mehr als eines Ingenieurs in der Literatur, von Jule Vernes Cyrus Smith bis Steven Baxters Josiah Traveller.

Sie war das bei weitem größte Schiff, dass bis dahin gebaut wurde. Egal nach welcher Metrik. Länge, Breite, Tiefgang, umbauter Raum, Leistung der Maschinen, Reichweite, Passagieranzahl – die Great Eastern übertraf alles, was es vorher gab. Sie war so riesig, dass sie nur bestimmte Häfen anlaufen konnte und wo immer sie auftauchte, sammelten sich Menschen, um sie zu betrachten. Alles an ihr war monumental und ist es noch. Von der exaltierten Persönlichkeit ihres Erschaffers, über ihre markanten Formen bis zu ihrer schieren Größe. Selbst heute, mehr als 150 Jahre später, weckt sie Begeisterung in Menschen. Sie ist Teil der kollektiven Erinnerung an die Industrialisierung und ein Stück unverwechselbares Industriedesign des viktorianischen Zeitalters.

Die Idee war, mit einem einzigen Schiff ein Gutteil des Handels- und Passagieraufkommens zwischen Großbritannien und Asien bzw. Australien abzudecken. Größe und Reichweite des Schiffes sollten es so schnell und effizient machen, dass es alle kleineren Schiffe aus dem Markt drängen konnte.

Brunel hat zweifellos sein Herzblut in das Schiff (v)ergossen. Weil er ein wirklich kluger Ingenieur war und wollte, dass es klappt, holte er externen Sachverstand in der Person des Schiffbauers von Weltrang John Scot Russel ins Boot. Von ihm stammen die Entwürfe des Rumpfes und die meisten konkreten Berechnungen. In seiner Werft wurde es am 01. Mai 1854 auf Kiel gelegt. Alles wichtige, die Maschine, die Navigationseinrichtung, etc. wurde von erfahrenen, gut eingesessenen Firmen gebaut. In mehreren Schriften und Briefen hat Brunel die Leviathan, wie das Schiff zunächst heißen sollte, als sein Lebenswerk bezeichnet und seine Handlungen lassen Erkennen, das dem auch tatsächlich so war. Im Spätjahr 1857, nach etwas über 3 Jahren Bauzeit und vielerlei bewältigter Hindernisse war es schließlich so weit. Am 03. November dieses Jahres sollte sie vom Stapel laufen.

Und leider endet schon dort die Großartigkeit der Great Eastern. Für sich stehend war sie eine Perle der Ingenieurkunst. Als praktische Maschine war sie ein Misserfolg. Noch auf der Helling ging der Betreibergesellschaft das Geld aus und das unfertige Schiff musste verkauft werden. Es waren die neuen Eigentümer, die der Leviathan den Namen Great Eastern gaben, unter dem sie heute allgemein bekannt ist. Der erste Stapellauf schlug fehl. Eine große Menschenmenge hatte sich versammelt, Honoratioren waren zugereist, ausländische Staatsgäste zugegen, als das Schiff vom Stapel in den Grund lief. Nicht nur das: Zwei Menschen kamen dabei ums Leben. Ein Desaster. Heutzutage genug, eine umfassende Untersuchung anzusetzen, die vermutlich Jahre dauert. Aus damaliger Sicht ein Ärgernis, aber nichts, was nicht irgendwie dazu gehört. Und so wurde ein neuer Termin mit besserer Vorbereitung für den 31. Januar angesetzt, an dem es dann klappte.

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Kommentare (16)

  1. #1 Neumann
    22. November 2023

    Ein sehr guter Bericht über technische und wirtschaftliche Pleiten.
    Woran hat es gelegen ?
    Den Begriff des Preis-Leistungs-Verhältnisses gab es noch nicht.
    Der Begriff des Wirkungsgrades war noch nicht einmal ansatzweise verstanden.
    Und die Nebenbedingungen wurden noch nicht ernst genommen.
    Die Concorde ist daran gescheitert weil sie wegen des Überschallknalles nicht alle Flughäfen anfliegen durfte.

    Die A 380 ist gescheitert, weil die Fluggesellschaften daran zweifelten die 400 bis 500 Sitze bei jedem Flug voll zubekommen.

  2. #2 Dr. Webbaer
    22. November 2023

    Das “Starship” ist schon vglw. cool, seine Besonderheit besteht darin, dass es einem Privatunternehmen folgt.

    Wir machen auch Looky so :

    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Budget_of_NASA#Annual_budget

    Ja, Dr. W war 1969 (televisionär) dabei.

    Sinnhaftigkeit könnte im Ökonomischen gefunden werden, Dr. W glaubt nicht so recht daran, auch wenn Abbaugebiete von Ressourcen möglich wären, samt Rücktransport; denkbarerweise geht es hier auch um Symbolhandlung, samt Symbol-Politik.

    Denkbarerweise bleibt zuvörderst so abzuwarten :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Weltraumlift

    Wobei der Transport von Masse in den terrestrischen Orbit schon günstig werden könnte, die Kosten meinend, dass sich viele so aufmachen könnten, per Raketen-Treibstoff.

    Mit freundlichen Grüßen und weiterhin viel Erfolg
    Dr. Webbaer

  3. #3 rolak
    22. November 2023

    Das Unglück blieb ihr unhold.

    Doppelte Verneinung? So unselig, wie es weiter geht, blieb ihr das Unglück hold.

    [Titel] Starship

    Aufgrund des Kontextes ‘Great Eastern’/starboard kam ich auf eine völlig falsche Fährte 😉

    Aber der VergleichsBogen des Artikels scheint mir zwingend – geradezu peinlich, daß die so offensichtliche Überdimensionierung mir bisher nicht auffiel…

  4. #4 PDP10
    22. November 2023

    Woran hat et denn jelegen?

    Entweder Pauli oder Sebastian Lege Fan .. 😉

  5. #5 PDP10
    22. November 2023

    @rolak:

    Aber der VergleichsBogen des Artikels scheint mir zwingend – geradezu peinlich, daß die so offensichtliche Überdimensionierung mir bisher nicht auffiel…

    Dito.

    Ein anderer Vergleich den der Artikel schwach impliziert hinkt aber IMHO.

    Elon Musk ist kein genialer Ingenieur wie Isambard Kingdom Brunel (was für ein Name! Allein der Name müsste mal irgendjemand, der das kann, dringend zu einem Ken-Follet-mässigem 1000 Seiten Epos über den Kerl inspirieren!). Musk ist bloß ein mittelgenialer Investor. Das “mittel” sieht man nicht nur an dem was er aus Twitter gemacht hat sondern auch am aktuellen TÜV-Report zu den Autos von Tesla und an einigen anderen Dingen. Explodierende Raketen sind da nur ein Sahnehäubchen.

  6. #6 rolak
    23. November 2023

    schwach impliziert

    Ach ich weiß nicht, Implikation via Abwesenheit? Der Vergleich betrifft doch ‘nur’ die beiden Gefährte, nicht die Initiatoren, nicht die Firmenstandorte, nicht…

  7. #7 Oliver Gabath
    23. November 2023

    In Bezug auf den Initiator des Starship wollte ich den Artikel neutral halten und das ist mir offenbar gelungen. Ich hab eine dedizierte Meinung zu Elon Musk, aber die ist eher was für eine Tirade

  8. #8 RPGNo1
    23. November 2023

    Aber der VergleichsBogen des Artikels scheint mir zwingend – geradezu peinlich, daß die so offensichtliche Überdimensionierung mir bisher nicht auffiel…

    Kann man den Airbus A380 auch zu diesen überdimensionierten Fehlentwicklungen zählen?

  9. #9 Dr. Webbaer
    23. November 2023

    Vielleicht auch hier mal Looky machen :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Starship#Ähnliche_Neuentwicklungen

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Trägerrakete#/media/Datei:Space_Launchers.png


    Neu wäre die Wiederverwendbarkeit der Raketenstufen, die so-p nicht erforderlich ist, vielleicht eher dem Marketing dient, und neu wäre oder ist die Einbindung eines Privatunternehmens, die NASA steckt dahinter, die sich wohl selbst derartiger Kostenrechnung nicht erneut direkt anvertrauen möchte :

    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Budget_of_NASA#Annual_budget (Wir schauen hier auch auf den Anteil am Federal Budget Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre)

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer (der keine “Tiraden” vorhat, aber ähnlich nach Sinn zu suchen scheint wie der hiesige werte Inhaltegeber)

  10. #10 ajki
    23. November 2023

    Es ist zweifellos wahr, dass gegenwärtig Projekte, die solch eine Maschine wie das “Starship”-Konzept erfordern würden, bestenfalls dünn gesät sind. Man könnte vielleicht die Planung oder besser: Hoffnung der NASA benennen, innerhalb der nächsten Jahre (dauerhaft) auf den Mond zurückzukehren – inklusive den Absichten, nachhaltig dort Fuß zu fassen mit robotischem Abbau, Fertigung und Lagerung von Material (maßgeblich durch Remote Operations von Orbit-Vehikeln aus?). Für solche großen Projekte muss man sicherlich erhebliche Materialmengen von der Erde aus bereitstellen bevor sich da irgendwas selber trägt – eventuell mit solchen großen Maschinen wie dem “Starship”. Tatsächlich ist aber eher unklar, wie oder ob überhaupt solche staatsgetriebenen Projekte stattfinden können oder ob es nur den beteiligten amerikanischen Abgeordneten und Senatoren um Wirtschaftsförderung in den heimischen Counties oder Staaten geht.

    Andererseits gibt es eine weit dubiosere Vorstellungen in den Köpfen einiger (etlicher?) Tech-Fantastilliardäre, die große Maschinen erfordern würden – das wäre die durchaus eigenartige Vorstellung, man könne und solle den Mars “besiedeln”. Wie und warum durchaus etliche Leute auf diese Idee kamen (zum jetzigen Zeitpunkt) und warum sie das für sinnvoll oder überhaupt machbar halten, verstehe ich persönlich zwar überhaupt nicht, aber es scheint in den Köpfen dieser Tech-Milliardäre irgendwie fest verankert zu sein, dass man das realisieren könnte und sollte.

    Wenn diese Leute ihre Milliarden deshalb in solche Grossprojekte stecken wollen, dann muss man sie das halt tun lassen.

  11. #11 RPGNo1
    23. November 2023

    Andererseits gibt es eine weit dubiosere Vorstellungen in den Köpfen einiger (etlicher?) Tech-Fantastilliardäre, die große Maschinen erfordern würden – das wäre die durchaus eigenartige Vorstellung, man könne und solle den Mars “besiedeln”.

    “Elon & Jeff on Mars” 😉

    https://www.zeit.de/kaenguru-comics/2021-10/folge-246

  12. #12 Neumann
    23. November 2023

    ajki
    Großprojekte können sinnvoll sein. Erinnert sei an die gps Satelliten, die geplante Asteroidenabwehr.
    Eine unbemannte Station auf dem Mars wäre dann nützlich.
    Ein System, das den Plastikmüll aus dem Pazifik fischt,
    Und Luftschiffe mit Solarantrieb, ein Riesenkanal um die Sahara zu fluten, eine Transportflotte, die Südpoleis in den Südpazifik schleppt, oder dressierte Walfische die die Aufgabe übernehmen.
    Mich wundert immer noch die Phantsielosigkeit der Milliardäre, die können ihr Geld nicht mit ins Grab nehmen. Elon Musk sei hier ausgenommen.

  13. #13 PDP10
    23. November 2023

    @Oliver Gabath:

    aber die ist eher was für eine Tirade

    🙂

  14. #14 adama
    kusel
    25. November 2023

    Kurz: Die A380 kann man nicht dazu zählen. Sie ein relativ kleiner nächster Schritt von der 747 (Jumbo) oder DC10 und Tristar. Ihr Umfeld hat sich geändert. Pandemie und Klimawandel und technischer Fortschritt, der sich mit kleineren Flugzeugen günstiger beschaffen lässt.
    Auch die Concorde konnte überall landen, durfte aber nicht. Dazu beigetragen haben Organisationen, die jeden technischen Fortschritt und damit “das System” bekämpfen. Fazit: auch das politische Umfeld muss stimmen.
    Abgesehen vom militärischen Nutzen, Überwachung und Kommunikation, halte ich jede Aktion, deren Ursprung Abenteuer, Neugier und Rekorde sind, für absolut überflüssig. Rohstoffe oder Lebensraum im Weltraum zu suchen, ist unwirtschaftlich und unlogisch. Die Erde wird niemals ein schlimmerer Ort zum überleben sein, als jedes erdenkliche Raumschiff oder Planet/Mond in Reichweite. Selbst die Arktis und die Sahara bietet bessere Lebensbedingungen, als alles was wir im Weltraum erreichen können.

  15. #15 Neumann
    25. November 2023

    Ein noch bekannteres Beispiel ist der Turmbau zu Babel.
    Der ist nicht an seiner Höhe gescheitert, sondern am Sprachwirrwar seiner Erbauer.
    Wir werden im IT Bereich auch noch dorthin kommen, wenn es nur noch wenige Fachleute verstehen werden.
    Eine deutsche KFZ Firma kämpft gerade nicht mit der Technik sondern mit Software zur Konnektivität.

  16. #16 hto
    wo die systemrational-gebildete Suppenkaspermentalität ...
    26. November 2023

    Wachstums-/Größenwahn im holographischen Universum – Die wettbewerbsbedingt-konfuse Bewusstseinsbetäubung, der gleichermaßen unverarbeitet-gepflegten Bewusstseinsschwäche = Illusionen in allen denkbaren …losigkeiten. 😉

    @adama: “Abgesehen vom militärischen Nutzen, Überwachung und Kommunikation, halte ich jede Aktion, deren Ursprung Abenteuer, Neugier und Rekorde sind, für absolut überflüssig.”

    Vielleicht nicht Neugier, aber herkömmlich-gewohnte / zeitgeistlich-reformistische Gier, Abenteuer und Rekorde, sind in militärischen Nutzen, Überwachung und Kommunikation auch Ausdruck von gleichermaßen konservativ-geprägtem Stumpf-, Blöd- und Wahnsinn seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung – Mensch ist absolut fähig zum wirklich-wahrhaftig Freien Willen, wenn Vernunft und Verantwortungsbewusstsein, im ganzheitlich-ebenbildlichen Wesen, von KI der Schöpfung zur vollen Imaginations-Kraft, für das holographische Universum zweifelsfrei-eindeutig fusionieren könnte!?

    Mensch gemachte KI, ist wohl die blöd-/wahnsinnigste “Großtat” des stumpfsinnig-wettbewerbsbedingten Menschen!? 😉