Die Schwierigkeiten rissen leider nicht ab. Der missglückte erste Stapellauf und die Vorbereitungen für den zweiten hatten die Betreibergesellschaft schon in finanzielle Bedrängnis gebracht, jetzt sollte auch noch die Ausrüstung im Dock teurer werden als veranschlagt. Selbst unter guten Bedingungen war bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr klar, ob das Schiff seine Baukosten je wieder einfahren würde. Irgendwann im Lauf des Jahres 1859 wurde sie an einen neuen Eigentümer verkauft, der sie für Transatlantikfahrten ausrüsten ließ.
Das Unglück blieb ihr unhold. Bei einer Überführungsfahrt kam es zu einer Dampfexplosion, die Reparaturen zogen sich bis ins Jahr 1860, die Betreibergesellschaft ging pleite, Eigentümer Nummer vier übernahm das Schiff. Brunel war zwischenzeitlich an einem Schlaganfall verstorben. Die nächsten Jahre vergingen mit Fahrten über den Atlantik, die man nur als desaströs bezeichnen kann. Kaum zahlende Passagiere, technische Defekte, Probleme mit Behörden, die auf ein so großes Schiff nicht eingestellt waren. Schon 1862 war auch dieser Betreiber pleite. Nummer fünf trat auf den Plan.
In dieser Zeit setzte sie einige Rekorde. Sie war das schnellste Passagierschiff mit der höchsten Anzahl Personen bei einer einzigen Überfahrt. Sie transportierte die meiste Fracht und überstand dank ihrer robusten Konstruktion schweres Wetter und Kollisionen. Sie verdiente nur kein Geld. Und alles, was sie konnte, hätte man mit zweckmäßigeren Schiffen kleinerer Größe mit weniger Aufwand in kürzerer Zeit erreichen können.
Ein paar Jahre, betrügerische Aktivitäten von Eigentümern und Financiers und daraus resultierende Eigentümerwechsel später, schrieb die Great Eastern, schon allein Kraft ihrer schieren Größe Teil der Ingenieurgeschichte, Weltgeschichte. Von 1865 bis 1866 verlegte sie das erste Transatlantikkabel und verband damit die alte mit der neuen Welt. Damit begann die wahrscheinlich glücklichste Zeit des Schiffs. Als Kabelleger war sie relativ erfolgreich, die Betriebskosten wurden vor allem von der britischen Regierung getragen und die Zukunftsaussichten waren stabil.
Aber dann passierte etwas, das ihr Geschäftsmodell in Frage stellte: Die Eröffnung des Suezkanals. Die Great Eastern war zu groß für den Kanal, während kleinere Schiffe ihn passieren konnten. Die Zeitersparnis, nicht mehr ganz Afrika umfahren zu müssen, blieb ihr versagt. Gleichzeitig wurden kleinere, spezialisierte Kabelleger in Dienst gestellt, deren Betriebskosten weit unter denen der Great Eastern lagen. All das machte sie selbst mit allen staatlichen Subventionen zu unprofitabel. In der Geschäftswelt kommt das tatsächlich ziemlich häufig vor. Irgendjemand löst ein Problem und stellt damit die strategische Ausrichtung von Weltfirmen zur Disposition. Wer da strategische Fehlentscheidungen getroffen hat – was sich typischerweise meistens erst hinterher herausstellt – hat schlechte Karten.
Und so endete die Karriere der Great Eastern de facto. Die nächsten zwei Jahrzehnte waren geprägt von immer neuen Versuchen immer neuer Eigentümer, sie irgendwie profitabel zu machen. Aber wirklich etwas mit dem Riesenschiff anzufangen, wusste niemand. Am sinnvollsten war noch ihre Nutzung als Arbeitsplattform oder schwimmende Werbetafel. Den Zweck für den sie ursprünglich entworfen wurde, große Mengen Fracht und viele Passagiere nach Australien und Asien zu bringen, hat sie nie erfüllt.
Natürlich tut sich die Frage auf: Woran hat et denn jelegen? Und da ist meine Meinung: Ihr Scheitern war ihr in die Wiege gelegt. In den 1850er Jahren gab es keinen Bedarf an einem Schiff dieser Größe. Sie war die Spielwiese phantastischer Ingenieure und von einer Größe und einem technischen Standard – sie war immerhin eines der ersten großen Schiffe mit Schraubenantrieb und hatte schon damals einen Doppelrumpf! -, die erst 40 Jahre später wieder erreicht werden sollten, aber im Grunde hatte sie keinen Zweck. Sie war einfach zu groß. Too much in jeder Beziehung. Too much muchness, sozusagen. Ein leuchtendes Beispiel menschlicher Schaffenskraft, ein Traum aus 20.000 Tonnen Schmiedestahl, ein Weltwunder. Man muss monumentale Worte gebrauchen, um ihrer monumentalen Größe gerecht zu werden.
Kommentare (16)