Umso trauriger ist ihre Geschichte. Ihr ganzes Dasein beruhte auf von Grund aus falschen Voraussetzungen. Für die Investoren erschien das Konzept sinnvoll, sonst hätten sie kein Geld dafür gegeben, aber nach ihrer Indienststellung fanden die Betreiber schnell heraus, dass es in der wirklichen Welt nichts gab, was nicht andere besser konnten. Es gab zu wenige Häfen für ein Schiff dieser Größe. Es gab keine Regularien, wie damit zu verfahren, wie es zu besteuern sei. Es war so teuer im Betrieb, dass es Passagiere mindestens mittleren Einkommens voraussetze und sich nicht als Auswandererschiff eignete. Es verschlang so große Mengen Kohle, dass es schwierig zu versorgen war. Und spätestens mit Eröffnung des Suezkanals war klar, dass selbst auf den Routen auf denen sie ihre Stärken ausspielen konnte, die Great Eastern nicht konkurrenzfähig sein würde. Sie war eine gigantische Lösung für ein Problem, das es zu ihrer Zeit noch nicht gab. Und als es so weit war, wurde es von Schiffen gelöst, deren Design nicht mehr viel mit der Great Eastern gemein hatte.
Und so fuhr sie unter wechselnden Eigentümern mit wechselnden Geschäftsideen 30 Jahre durch die Welt, ohne je wirklich Geld zu verdienen, ohne je eine Aufgabe effizient zu erledigen. Ein Leviathan auf der Suche nach einem Zweck, nach etwas, was sie besser konnte als die anderen und dabei ultimativ erfolglos.
Die Frage ist, was lehrt uns das und warum komm ich überhaupt darauf und warum glaube ich, das hat etwas mit dem Starship zu tun? Es ist wie so oft die Duplizität der Ereignisse. Zufällig lese ich mich vor kurzem in die Great Eastern ein und kurze Zeit später findet der zweite Testflug des Starship statt. Ich bin vielleicht der Einzige, aber ich sehe Parallelen.
Das Starship ist eine riesige Maschine mit jeder Menge innovativer Technik. Beim Start lässt es die Erde beben. Sein Name allein beflügelt die Phantasie. Jede Menge coole Videos von Start und Flug bezeugen das. Wenn diese Maschine nicht zum Träumen anregt, dann weiss ich auch nicht.
Aber genau wie bei der Great Estern stellt sich mir die Frage nach dem Zweck. Das Starship ist so riesig und leistungsfähig, dass es kaum etwas gibt, das es effizient erledigen kann. Auf der Website von SpaceX und in diversen Foren und Websites, die sich mit Technik beschäftigen werden als Einsatzweck eine bemannte Marsmission genannt, die nächste Mondmission der USA, permanente Besiedlung anderer Körper im Sonnensystem, Transport schwerer Nutzlasten in den Orbit, schneller Interkontinentaler Transport von Menschen und Gütern, sowohl militärisch als auch zivil. Alles auf den ersten Blick nicht unplausibel, aber die eine oder andere Frage drängt sich mir auf.
Die bemannten Mondmissionen im Rahmen des Artemis-Projekts wurden schon mehrmals nach hinten verschoben. Jeweils nur um einige Monate, aber immerhin kontinuierlich. Ich erinnere mich an das Constellation-Programm Mitte der 2000er, das ähnlich enthusiastisch startete und die hohen Erwartungen nicht erfüllte. Ich finde es schwierig, Informationen zum Training von Astronauten, Hilfseinrichtungen, Infrastruktur, etc. zu finden. Die großen Suchmaschinen spucken zwar jede Menge Ergebnisse aus, aber in denen steht immer wieder dasselbe in anderen Worten. Was macht man mit einem Träger, der nichts zu tragen hat?
Es ist natürlich schön, wenn man den Träger schon mal hat, aber für sich alleine bringt er halt auch nicht so viel, wenn das Drumherum nicht passt. Das ist die Botschaft der Great Eastern. Eine bemannte Marsmission hat zurzeit niemand ernsthaft in Planung. Superschwere Nutzlasten werden in Zeiten modularer Raumstationen immer seltener.
Der logistische Aufwand für einen Raketenstart und lange Vorbereitungszeit dafür machen das Konzept schneller Interkontinentalflüge fraglich. Stehen wenige Raketen zur Verfügung und gibt es also nur wenige Termine für den Start, baut man auf Kunden, die kurzfristig ans andere Ende der Welt müssen, für die die Reise zum Startplatz gegenüber der Reise direkt ans Ziel Sinn macht und die bereit sind, hohe Preise zu zahlen. Ist das ein realistisches Geschäftsmodell oder eine praktische Transportmöglichkeit für das Militär?
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