Den Nobelpreis kennt vermutlich jeder, jenen von Alfred Nobel gestifteten Preis, welcher an Menschen mit herausragenden Leistungen in einem der Gebiete der Chemie, Physik, Literatur, Medizin oder Friedensbemühungen vergeben wird. Finanziert wird er aus den Zinsen, die das Vermögen von Nobel jährlich erwirtschaftet und vergeben wird er von der Nobelstiftung. Warum Nobel den Preis ausgerechnet und ausschließlich für die 5 genannten Kategorien stiftete, ist nicht bekannt. Da jedoch auch auf anderen Gebieten wichtige Entdeckungen gemacht werden, gibt es viele alternative Preise, etwa die Fields-Medaille für Mathematik, den Pulitzer-Preis in den USA für Journalismus, den Pritzker-Preis für Architektur – und den Turing-Preis für Informatik.


Der Preis (offiziell: der ACM A.M. Turing Award) wird jährlich von der Association for Computing Machinery (kurz: ACM) an Personen vergeben, die – ähnlich wie beim Nobelpreis – besondere Leistungen auf dem Gebiet der Informatik vollbracht und so zu deren Weiterentwicklung beigetragen haben. Gesponsert wird er derzeit von Intel und Google und ist 250.000 Dollar “wert”, immerhin noch ein Viertel des Nobelpreises; vergeben wird er seit 1966.

Nominiert werden kann jeder, für den sich wenigstens drei (prominente) Unterstützer des jeweiligen Fachgebietes finden – in der Theorie sollte also, wenn schon keine Gleichverteilung, so doch wenigstens eine gewisse Spreizung der Herkunftsländer der Ausgezeichneten vorhanden sein. Betrachtet man allerdings die Preisempfänger, so ergibt sich ein eindeutiges Bild: von den 57 bisher vergebenen Preisen gingen 38, also knapp zwei Drittel, an Personen aus – natürlich – den USA. Nun könnte man dem Vergabekomitee natürlich Bösartigkeit unterstellen und behaupten, dass es US-Bürger bevorzugen würde; ich würde allerdings viel eher darauf tippen, dass die USA wie kein anderes Land (einmal Japan und in jüngster Zeit Südkorea ausgenommen) in der Informatik aktiv ist. In Zusammenhang mit dem hohen Bevölkerungsreichtum und der Wirtschaftskraft ist es da nicht verwunderlich, wenn viele Preise an die USA gehen. Ungewöhnlich ist nur, dass auch die restlichen Preise an Personen aus nur wenigen Ländern vergeben wurden; konkret gab es Preise für Großbritannien (6), Israel (3), Norwegen (2), Kanada (2), die Niederlande, die Schweiz, Venezuela, China, Dänemark und Griechenland (jeweils einer; in manchen Jahren gab es mehr als einen Preis) – Deutschland macht hier also kein gutes Bild (was auch nicht besonders verwunderlich ist). Auch die Geschlechterverteilung ist übrigens bezeichnend: unter den 57 Preisträgern befinden sich lediglich zwei Frauen.

Im Folgenden möchte ich (ganz) kurz einige der bekannteren Preisträger und ihr Lebenswerk vorstellen – wobei “bekannt” hier relativ ist und sich in erster Linie auf den Bekanntheitsgrad unter Informatikern beziehen dürfte. Zu den genaueren Details der verschiedenen Themen werde ich an dieser Stelle nichts weiter schreiben, da das eine oder andere später bestimmt sowieso noch einen eigenen Beitrag erhalten wird (auch die Links auf die Wikipedia spare ich mir hier einmal).

Der unter Informatikstudenten bekannteste Preisträger ist zweifelsohne der Niederländer Edsger Wybe Dijkstra, der insbesondere durch seinen Beitrag “Go To Statement Considered Harmful” sowie den Dijkstra-Algorithmus zur Berechnung von kürzesten Pfaden in Graphen Bekanntheit erlangt hat. Weitere wichtige Beiträge von ihm waren das Betriebssystem THE, die Einführung von Semaphoren zur Thread-Verwaltung sowie der damit zusammenhängende Bankieralgorithmus.

Eine weitere häufig genannte Gestalt unter den Turing-Award-Trägern ist der Amerikaner Donald Ervin Knuth, der sich insbesondere mit seinem (nach wie vor nicht vollendeten) Werk The Art of Computer Programming und als Entwickler des Textsatzsystems TeX einen Namen gemacht hat.

Weniger über ihren Namen als viel mehr über ihr Werk bekannte Personen sind die beiden Informatiker Ken Thompson und Dennis Ritchie, die zusammen die erste Version des Unix-Betriebssystems entwickelt haben. Ritchie entwickelte außerdem zusammen mit Brian W. Kernighan die Programmiersprache C, eine noch heute häufig verwendete Programmiersprache, die auch die Grundlage für viele später folgende Sprachen legte.

Den meisten Informatikern ist auch Niklaus Wirth ein Begriff, der für die Entwicklung mehrerer Programmiersprachen, darunter insbesondere Pascal (aber auch Modula, Oberon und deren Nachfolger), bekannt geworden ist, wofür er schließlich auch den Turing-Award bekommen hat. Außerdem machte er das unter der Bezeichnung “Wirth’s law” laufende Sprichtwort “Software is getting slower more rapidly than hardware becomes faster” bekannt – ein Phänomen, welches täglich bei der Arbeit mit dem Computer beobachtet werden kann. In der Tat wird die Hardware immer schneller, die darauf laufende Software allerdings nicht, da ihre Komplexität immer weiter steigt.

Eine komplette Auflistung aller Preisträger mit ihren Leistungen findet sich unter anderem hier.

Interessant ist die Beobachtung, dass vor allem die früheren Turing-Award-Träger unter Informatikern bekannt sind. Namen wie Richard Hamming, Robert Floyd, Tony Hoare, Richard M. Karp und John E. Hopcroft haben wohl die meisten Informatiker schon einmal gehört, wohingegen Andrew Yao, Ronald L. Rivest, Frances E. Allen oder Joseph Sifakis weniger geläufig sind. Ein Grund hierfür dürfte wohl aber auch sein, dass die erstgenannten alle wenigstens einen Algorithmus oder ein Verfahren entwickelt haben, dass ihren Namen trägt – eine bessere Methode zum Bekanntwerden gibt es fast gar nicht.

Kommentare (7)

  1. #1 Dr. Webbaer
    August 28, 2011

    Nun könnte man dem Vergabekomitee natürlich Bösartigkeit unterstellen und behaupten, dass es US-Bürger bevorzugen würde; ich würde allerdings viel eher darauf tippen, dass die USA wie kein anderes Land (einmal Japan und in jüngster Zeit Südkorea ausgenommen) [1] in der Informatik aktiv ist.

    Fürwahr!, gelten doch US-Bürger in bestimmten Kreisen als doof. Bei näherer Betrachtung erweist sich dann gerade diese Menge in der Spitze oft als Obergrenze. – Onkel Webbaer will an dieser Stelle nicht in den Ursachen wühlen, aber es gibt sie.

    Hmm, Wirth’s Law hätte sich sogar Dr. W aus dem Ärmel schütteln können, wie natürlich auch Murphy’s Law und so. – Moore’s Law war dagegen schon “trockener”.

    BTW, kann man eigentlich zur Informatik bevorzugt beitragen ohne Mathematiker zu sein?

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] Israel

  2. #2 Marcus Frenkel
    August 28, 2011

    BTW, kann man eigentlich zur Informatik bevorzugt beitragen ohne Mathematiker zu sein?

    In den Anfangsjahren war das sicherlich schwierig, mittlerweile sollte das aber tatsächlich möglich sein.

  3. #3 Bjoern
    August 28, 2011

    Hey, ich habe alle fünf Namen (Dijkstra, Knuth, Thompson, Ritchie, Wirth) schon mal gehört – ist doch nicht schlecht für einen Physiker mit nur zwei gehörten Informatik-Vorlesungen, oder? 😉 (obwohl ich zugeben muss, dass ich wohl bei keinem der 5 hätte sagen können, woher ich die genau kenne 😉 )

    Hast du eine Erklärung dafür, warum noch kein Turing-Award nach Japan ging?

  4. #4 rolak
    August 28, 2011

    vor allem die früheren Turing-Award-Träger unter Informatikern bekannt sind

    Namentlich vielleicht, wenn nicht wie bei mir durchs Spezialgebiet (Compilerbau/OS) noch mehr. Buchstäblich mit Sicherheit noch andere: 2002 Rivest, Shamir, Adleman als RSA; 2005 Naur in BNF.
    Denen geht es wie seinerzeit Mark Zbikowski, der auch nur initialisch in sämtlichen Dos/Win-exes enthalten ist.

    Was mich wesentlich mehr wundert: Kein einziger Mensch in der Liste ist jünger als ich…

  5. #5 Basilius
    August 28, 2011

    Hm, also beim Ken Thompson habe ich nach wie vor Schwierigkeiten. Merkwürdig, aber ich kann mich erinnern den Namen schon mal gehört zu haben. Bei den anderen hat es meist recht schnell geklickt, spätestens bei der Erwähnung des spezifischen Themas.
    O_o

    @Bjoern

    Hast du eine Erklärung dafür, warum noch kein Turing-Award nach Japan ging?

    Das hätte eigentlich ich zuerst fragen müssen…

    @rolak

    Was mich wesentlich mehr wundert: Kein einziger Mensch in der Liste ist jünger als ich…

    Na, dann dürfen wir ja noch auf Dich hoffen…
    ^_°

  6. #6 Dr. Webbaer
    August 29, 2011

    @Frenkel

    BTW, kann man eigentlich zur Informatik bevorzugt beitragen ohne Mathematiker zu sein? (Dr. Webbaer)

    In den Anfangsjahren war das sicherlich schwierig, mittlerweile sollte das aber tatsächlich möglich sein.

    Es war immer möglich, aber es bedurfte auch immer des Wissen darum, dass Mathematik und Informatik anthropogen sind. D.h. man brauchte immer Philosophen, denn in der Informatik, die ja informieren will und informieren tut man Erkenntnissubjekte, gibt und gab es immer Bereiche, die die Sachlichkeit (Realität) adressierten und wegen ihrer Unschärfe nicht mit anderen Wissenschaften außer der Philosophie gehandhabt werden können.

    Dabei muss natürlich die Fachkenntnis da sein, ein paar Beispiele: Es gibt oder man braucht Webphilosophen, Rechtsphilosophen (das Web als vglw. neue Kulturtechnik Numero Uno erzwingt viele rechtliche Änderungen), Sozialphilosophen und einfache “Nur-So-Philosophen”, denen etwas zu den modernen Mitteln einfällt.

    Hier sieht’s noch qualitativ ein wenig mau aus – das dbzgl. Unverständnis der Politik darf als bekannt vorausgesetzt werden – aber es ändert sich langsam zum Positiven.

    MFG
    Dr. Webbaer

  7. #7 michael
    Februar 21, 2012

    Vielleicht interessiert es ja jemanden.

    https://www.turing100.manchester.ac.uk/