Jedenfalls können solche Leiter inzwischen in immer größeren Mengen hergestellt werden und so wird die Sache interessant für immer größere Anwendungen – inklusive Kernfusion. In einem Plasma kann man mit der Verdoppelung der Magnetfeldstärke den vierfachen Druck im Plasma erreichen. Eine Verdoppelung des Drucks im Plasma führt aber auch zu einer Vierfachung der Reaktionsraten. Mit 25 Tesla statt 14 Tesla erreicht man also die zehnfache Reaktionsrate im gleichen Volumen.

Damit wird die Sache langsam wirklich interessant. Denn eine verzehnfachung der Reaktionsrate im Reaktor hat man beim ITER damit erreicht, dass man sein Volumen im Vergleich zu JET ungefähr 10 mal so groß bauen will. Das heißt, eine Verzehnfachung zusätzlich zu der ver-256-fachung durch die Verstärkung des Magnetfelds von 3,5 Tesla auf 14 Tesla bei ITER. Der neue Vorschlag bedeutet, dass man die Leistung von ITER ungefähr im Rahmen der Größe und Kosten von JET erreichen könnte.

Hier wird der lange Planungsprozess dem ITER Projekt zum Verhängnis und es  droht von neuen technischen Entwicklungen überholt zu werden. Wobei es schwer fällt, dort Schuldige zu suchen. Das Problem war der äußerst schlechte Ruf der Kernfusion. ITER ist Resultat der Tatsache, dass man nicht mehr bereit war Fusionsreaktoren zu finanzieren, die keine für die Energieerzeugung relevante Leistung brachten.

Der einzigen Wege in so einem Umfeld Geld für die Forschung zu bekommen besteht darin a) alte Anlagen mit minimalem Budget weiter zu betreiben und b) den ganz großen Wurf zu wagen. Die Geldgeber erhoben den Anspruch, dass der nächste Forschungsreaktor das ganz große Ding sein sollte, er musste nicht nur funktionieren und neue Erkenntnisse für den Betrieb bringen. Nein. Er musste dabei auch noch so viel mehr Energie erzeugen als hinein gesteckt wird, dass man damit ein Kraftwerk betreiben könnte. Dabei war keine Spekulation erlaubt, das Ergebnis musste absolut sicher erreicht werden. Es konnte also keinen Punkt geben an dem man sagt: Naja, wir brauchen 10 Jahre um den Reaktor zu bauen. Schauen wir uns einfach einmal den Stand der Technik an, wenn es soweit ist.

Dieser große Wurf bedeutete, dass man mit der gerade vorhandenen Technik eine sehr große, teure und komplexe Anlage entwerfen und dann finanzieren musste. Jeder einzelne dieser Aspekte führt zu einer längeren Zeit vom Entwurf zu Fertigstellung. Um so mehr Zeit ist, um so mehr entwickelt sich aber auch der Rest der Technologie weiter. Die unbedingte Sicherheit des Ergebnisses ließ dem Projekt bisher nicht die nötige Flexibilität, um auf solche Entwicklungen zu reagieren.

Das mag sich ändern oder auch nicht. Aber in keinem Fall ist das ITER eine Verschwendung gewesen. Denn zur Entwicklung eines Fusionsreaktors braucht es mehr als nur Kernreaktion an sich. Das ITER Projekt hat auch eine ganze Reihe anderer Forschungsprojekte ins Laufen gebracht. Schließlich brauchte man geeignete Wände innerhalb des Reaktors, die am Ende die Energie absorbieren müssen und dabei das Plasma nicht verunreinigen dürfen. Das Innere des Torus von JET wurde inzwischen von Graphit zu einer Kombination aus Wolfram und Beryllium umgebaut und die neuen Wände haben sich bewährt – nur um ein Beispiel zu nennen. Solche Entwicklungen dienen allen Fusionsreaktoren, egal wie sie betrieben werden.

Und wer weiß. Vielleicht ist das ITER Projekt flexibler als ich dachte. Denn auch dort wäre ein stärkeres Magnetfeld für zukünftige Entwicklungen hilfreich. ITER soll mindestens eine Leistung von 500MW erreichen können, wahrscheinlich einigem Spielraum nach oben, um das Ziel sicher erreichen zu können. Nun wäre eine Verzehnfachung der Leistung dort nicht hilfreich. Aber man könnte andere Techniken erproben. Nach den gängigen Abschätzungen geht die Fusion von Deuterium ohne Tritium mit einer Verringerung der Leistung auf ein 68tel einher. (Die hat man natürlich auch gemessen.) Für reine Fusion von Deuterium wäre also auch der bessere ITER noch nicht genug, aber er könnte wohl auch ganz ohne Tritium eine signifikante Leistung erbringen oder die geplante Leistung mit weniger Tritium erreichen.

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Kommentare (7)

  1. #1 Joshua
    11. August 2015

    Gibt es eigentlich Abschätzungen, ob die Fusionstechnik jemals funktionieren wird (als Ersatz für Atom, Kohle & Co.)? Also eine Studie mit der Aussage: zu 67 Prozent wird es einmal diese Technik geben.

    • #2 wasgeht
      11. August 2015

      Das Problem bei der Kernfusion ist nicht, ob sie funktioniert und ob man damit Energie erzeugen kann. Das geht auf jeden Fall. Die Frage ist nur, ob man die dafür nötigen Reaktoren kompakt genug und damit billig genug bauen kann.

      Wenn man den Reaktor nur groß genug baut, dann kann man eine Fusionsreaktion haben, die mehr Energie freisetzt als man zum Heizen braucht. Wenn man ein Plasma hat, dann gibt das seine Energie nach außen hin ab. Wenn “außen” nochmal Plasma ist, dann geht die Wärme nicht verloren, sondern heizt noch mehr Plasma auf. Geht immernoch zu viel Wärme verloren, muss man einen noch größeren Reaktor bauen und so weiter.

      Das Problem ist nur, dass man dafür in den 50/60er Jahren (ohne Supraleiter) Reaktoren gebraucht hätte, die etwas kleiner als ein Fußballstadion gewesen wären. Seit dem hat man die Technik besser verstanden, kann das Plasma etwas effizienter einschließen, so dass es nicht mehr so viel Energie verliert. Dazu kommen noch die besseren Magnete.

      So langsam kommt die notwendige Größe in machbare Regionen, die keine monumentalen Vakuumkammern braucht und damit alles bezahlbar wird.

      Und sobald das so ist, wird man auch Fusionsreaktoren bauen.

  2. #3 DasKleineTeilchen
    11. August 2015

    ich würd mich schon freuen, wenn wendelstein 7X wie vorgesehen stabiles plasma generiert. was das für eine korinthenkackerei und krampf war, um die gelder dafür zu bekommen…eine vergleichsweise lächerliche summe für so ein wichtiges projekt, manchmal könnte ich echt nur noch kotzen.

  3. #4 John Sinclair
    11. August 2015

    In dem Zusammenhang finde ich auch interessant darauf hinzuweisen, was denn normale Elektromagnete für solche Felder brauchen.
    Zum Beispiel ein Bitter Elektromagnet, der in den Niederlanden steht, braucht für 37,5T eine Leistung von 20,7MW und einen Strom von 40kA.

    Daran sieht man schon, dass man unbedingt Supraleiter braucht, um den Eigenbedarf eines Fusionskraftwerks klein zu halten. (Außerdem spart man sich dann die Unmengen an Wasser zur Kühlung.)

  4. #5 dgbrt
    12. August 2015

    Der neue ITER Chef Dr. Bernard Bigot (seit März 2015) hat erst einmal verkündet, dass es wohl noch etwas länger und natürlich teurer als geplant werden wird. Das Projekt finde ich sehr wichtig, erinnert mich aber an BER (auch sehr wichtig). Wer streicht diese diese Milliarden ein, ist die Korruption beim Bau des Kosmodroms Wostotschny tatsächlich größer?

  5. #6 tobalt
    12. August 2015

    Das alte projekte von neuem schnelleren überholt werden ist ein prinzipielle problem. Es gibt immer den optimalen Kompromiss aus wie schnell das projekte realisiert werden kann und wann man damit beginnen kann. Iter wurde zu zetig begonnen. Das ist gut als wirtschaftsmotor. Aber jetzt muss man sich ernsthaft Gedanken machen mit Experten am Ingenieuren und Wissenschaftlern ob es nicht mehr Sinn macht, den iter noch jetzt auf das neue konzept umzusetzen. Der meiste Fortschritt wird dann zwar verworfen. Aber am Ende wäre das Produkt möglicherweise billiger und eher fertig

  6. #7 ulfi
    16. August 2015

    @dgbrt Wenn man etwas komplett neues baut, was an vielen stellen ganz knapp an der Schwelle des Machbaren ist und man DANN oben drauf noch ein komplett wirres planungskommitee setzt, das noch 1000 andere politische constraints erfuellen muss als “das ding muss laufen!”, dann passiert sowas.