Aus solchen Überlegungen entstand dann in den 90er Jahren der Begriff “industrious revolution“, der im Gegensatz zu “industrial revolution” stand. Wobei “industrious” soviel wie fleißig oder zielstrebig(e Arbeit) bedeutet. Demnach waren die gewaltigen Änderungen der Gesellschaft nicht der Technik zu verdanken, sondern der Einstellung und der Motivation der Leute, die in der Wirtschaft tätig waren. Sie hatten Anreize Verbesserungen zu suchen, anzunehmen und einzusetzen. In vielen Fällen ist das der eigentliche Flaschenhals. Möglichkeiten für Verbesserungen gibt es wie Sand am Meer, aber sie müssen auch verstanden, angenommen und eingesetzt werden.

Wenn ein Land wie China in der Ming Dynastie beschließt, dass jede Schifffahrt über den Ozean verboten werden sollte, dann hat das enorme Auswirkungen. Die Gründe waren damals hauptsächlich die Kosten der Schatzflotte und die Macht der Eunuchen, die über sie verfügten. Warum man so weit ging nicht nur die Schatzflotte einzustellen, sondern die gesamte Seeschifffahrt zu verbieten, kann man wohl kaum sagen. Es war eine jener Überreaktionen, die meistens aus irrationalen Überlegungen resultieren. Davon haben wir heute in Deutschland so viele, dass man kein Beispiel nennen braucht.

Das ist kein Plädoyer für blinden Machbarkeitswahn. Aber wenn ganze Bereiche von Wissenschaft und Technik von einer Öffentlichkeit geächtet werden, die im wesentlichen von absichtlich dramatisierten Darstellungen dazu angetrieben werden, dann wird auch das Auswirkungen haben. Diese Auswirkungen sind dabei nicht lokal begrenzt. Wenn sich politische Bewegungen heute für das Verbot von Golden Rice einsetzen, um “kein Einfallstor für Gentechnik” zu öffnen, dann hat das Millionen Todesopfer zur Folge – nur nicht in den Ländern in denen diese Bewegungen ihre schmutzige Arbeit tun.

Wer noch mehr zur industriellen Revolution und der “industrious revolution” hören will, dem kann ich diese Vorlesung empfehlen:

(Übrigens bin ich dabei die ganze Reihe zu sehen, insgesamt zwei Semester mit jeweils 25 Vorlesungen. Es hat einen guten Zweck, zu dem ich wohl übernächste Woche kommen werde. Jedenfalls stellte sich heraus, dass dabei nicht mehr ganz so viel Zeit hatte Artikel für den Blog zu schreiben. Das sollte sich demnächst wieder ändern.)

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Kommentare (11)

  1. #1 Nele
    19. September 2015

    Und – *mops* – als Unterrichtsmaterial für den Geschichtsunterricht geklaut! ;)

  2. #2 kdm
    19. September 2015

    Oho, ein Artikel FÜR die Gen-Technik und allerheftigst gegen die, die gegen Monsanto & Co protestieren und die nach obiger Lesart alles Mörder (“Millionen Todesopfer”) sind ?
    Das ist “Wissenschaft” wie ich sie weniger mag (um höflich zu bleiben).

    • #3 wasgeht
      19. September 2015

      Ich spreche von einem spezifischen Beispiel das gut belegt ist.

      Und dann gibt es da noch die Leute, die den Namen einer Firma nennen und das schon als Begründung für einen Protest an sich sehen.

  3. #4 Sabine
    Ruhrpott
    19. September 2015

    Und welche Anreize waren das? Die Begründung von privatem Eigentum aus dem Wesen des Menschen – John Locke 1698 – Zweite Abhandlung über die Regierung.

    Ich zitiere mal bequemerweise aus wikip:
    Insbesondere die zweite Abhandlung, in der mehrfach der anglikanische Theologe Richard Hooker zitiert wird, wird oft als Manifest für die liberale Demokratie und den Kapitalismus bezeichnet und hat entsprechend positive wie negative Kritik auf sich gezogen.

    Die Theorie, die Locke in den beiden Abhandlungen darlegt, hatte grundlegenden Einfluss auf die Glorious Revolution von 1688/1689 und die danach eingerichtete Staatsordnung in England sowie im 18. Jahrhundert auf die Amerikanische Verfassung von 1787 und die Französische Revolution von 1789.

    Soweit die Gründe für die Anfänge in England und auch hinsichtlich des Interesses, dem interest, i.e. Zins oder Profit.

  4. #5 BreitSide
    Beim Deich
    19. September 2015

    Schön geschrieben. Ich denke da an James Watt. Die gute Technik war das Fundament, den Durchbruch schaffte er nur mit seinem Own-and-Operate-System.

    Oder die berühmten 1% In- und 99% Transpiration von Edison.

    Der Seitenhieb auf die Gegner des “Heilsbringers” Monsanto war allerdings absolut unnötig.

  5. #6 Dr. Webbaer
    19. September 2015

    Aber wenn ganze Bereiche von Wissenschaft und Technik von einer Öffentlichkeit geächtet werden, die im wesentlichen von absichtlich dramatisierten Darstellungen dazu angetrieben werden, dann wird auch das Auswirkungen haben.

    Ganz jenau, bezugnehmend auf die Überschrift dieser Nachricht – ‘Woher kam die Industrielle Revolution und was bedeutet das für uns?’ – kann aus anthropologischer Sicht verraten werden, dass die technologische Entwicklung, gerade auch die heute festzustellende und fortschreitende, aus dem Primaten selbst kam, sofern dieser dazu in die Lage versetzt werden konnte frei zu sein, auch frei zu handeln, auch unternehmerisch und Erfindungen und Techniken meinend.

    Die Primatengeschichte [1] kann insofern aus anthropologischer Sicht derart verstanden werden, dass zuvörderst Gesellschaftsysteme zu finden waren, die derartiges Handeln / derartige Unternehmung Einzelner haben ungestraft möglich werden lassen (auch für Kommentatorenkollege ‘Breitside’, >:> ).

    MFG
    Dr. W (der in diesem Zusammenhang anrät auch mal (Computer-)Spiele wie Civilization (liegt mittlerweile in der Version V vor) zu spielen)

    [1]
    Die ja ganz grausam gewesen sein muss, wenn sich vorgestellt wird, dass der Primat seit vielleicht 100.000 Jahren vglw. kognitiv-intellektuell fit war wie heutzutage.

  6. #7 zwerg
    19. September 2015

    Ursache war vermutlich die Eiszeit. Es fand eine mehrfache evolutionäre Auswahl statt in Hinsicht auf
    – langes Vorausplanen (aufgeschobene Gratifikation)
    – technisches Vorstellungsvermögen und -geschick
    – aber auch ein eigentümlicher Mentalitätswandel, hin zu einer individualistischen Gesellschaftsform, wo jeder einzelne sich das Ansehen erst erwerben musste (die Abstammung wurde irrelevant). Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Monogamie und so weiter wurden ganz wichtig.

    Offensichtlich reicht IQ allein nicht aus. Vermutlich interessant zu diesem Thema, das Buch von Jared Taylor Shadows of the Rising Sun: A Critical View of the Japanese Miracle – habe es aber selber nicht gelesen.

  7. #8 Bettina Wurche
    23. September 2015

    @Wasgeht: Danke, schöner Artikel! Die “industrielle Revolution” war ganz bestimmt vielschichtiger und umfassender als gemeinhin postuliert, sie wird ja meist recht vereinfacht dargestellt.
    In diesem Kontext möchte ich eine Ausstellung in Luxemburg im MUDAM sehr empfeheln: “Eppur si muove”. In dieser Ausstellung mit Exponaten des Pariser Musee des arts et des metiers und zeitgenössischer Kunst habe ich erstmal richtig begriffen, dass der Urmeter ein Produkt der Französischen Revolution ist und eine Globalisierung des Messens eingeleitet hat. Und welche Bedeutung diese politische Revolution auf Wissenschaft und Technik hatte.
    Vor allem die großen Wandtexte haben mir viel Erkenntnis gebracht.
    Schließlich hatte diese Revolution erst die Freiheit des Denkens und Handels ermöglicht, die Demokratisierung von Bildung und Wissenschaft erlaubt und durch eine erste Globalisierung von Einheiten große gemeinsame Projekte ermöglicht.
    https://www.google.de/search?q=mudam+eppur+si+muove&ie=utf-8&oe=utf-8&gws_rd=cr&ei=ZlcCVvjUFoasU9LGmIAB

  8. #9 rolak
    23. September 2015

    Eppur si muove

    Woah^^ Beim nächsten Mal in der Eifel wird dieses Tagesausflugziel intensivst vorgeschlagen werden…
    thx Bettina!

  9. #10 rhadamanthys
    23. September 2015
  10. […] aber es ist nicht das gleiche. Nun gibt es schon bei der industriellen Revolution eine Reihe Missverständnisse, über die ich auch schonmal geschrieben habe. Man reduziert sie gerne auf mechanische Webstühle, […]