Von diesem Konzept wurde zuletzt aber nur noch als eine mögliche Option gesprochen. Ohne Crossfeed wird man das gleiche tun wie bei der Delta IV Heavy und die Triebwerke der mittleren Stufe kurz nach dem Start so weit wie möglich drosseln um Treibstoff zu sparen. Dann hat man bei der Abtrennung der Booster immernoch große Mengen Treibstoff in der mittleren Stufe übrig und zumindest noch einen Teil des Effekts einer zusätzlichen Stufe “gerettet”. Man sprach ohne Crossfeed von einer Nutzlast bis zu 45t in LEO für die alte Variante und damit etwa 18t in GTO.

Die Verbesserungen der Falcon 9, mehr Treibstoff und mehr Schub, werden diesen Verlust aber wieder ausgleichen können. Ganz genau lässt sich die Frage nur schwer beantworten. Durch das Unterkühlen des Sauerstoffs steigt die Kapazität der Tanks (in Tonnen) um etwa 7%.  Die Dichte des Sauerstoffs steigt um etwa 10%, aber der macht nur etwa 70% des Treibstoffs aus. Die Tanks der zweiten Stufe wurden zusätzlich etwas vergrößert, was gerade der Falcon Heavy hilft, für die die oberste Stufe ein gewisser Flaschenhals ist.

Man könnte sich jetzt diese Zahlen nehmen und an die Raketengleichung setzen, aber das war nicht alles. Die Triebwerke liefern jetzt etwa 20% mehr Schub, die Rakete hat aber weniger als 10% zusätzliches Gewicht. Sie beschleunigt am Anfang schneller, wodurch die Gravitationsverluste sinken, aber die Reibungsverluste in der Atmosphäre steigen. Deswegen wird man die Triebwerke früher drosseln um die aerodynamische Belastung zu reduzieren und ein insgesamt anderes Flugprofil fliegen. Das alles zusammen macht die Schätzometrie recht schwierig, zumal die Falcon Heavy eine ganz andere Aerodynamik als die Falcon 9 hat. Das Ergebnis wird dadurch in jedem Fall verbessert, aber es ist schwer zu sagen, um wieviel genau.

Dazu kommt noch die Möglichkeit, dass SpaceX möglicherweise die Tanks für die Booster verlängert und so die Treibstoffmenge um einige hundert Tonnen erhöht. Denn anders als bei der zentralen Stufe hätten die Booster fraglos noch “Platz nach oben”. Der Durchmesser der Tanks ist dabei leider eine feste Größe, die nicht nur durch die Produktionsanlagen festgelegt ist, sondern auch von der Notwendigkeit die Tanks per Schwerlasttransport über Straßen durch Brücken, Tunnels etc. zu fahren. Das könnte aber auch die Länge begrenzen.

Wegen all dem lohnt es sich kaum eine genaue Berechnung anzustellen, weil ohnehin zu viele Unbekannte dabei sind. Ausgehend von den Verbesserung bei der Falcon 9 ohne Booster ist eine Erhöhung der Nutzlast von 20% aber realistisch. Das würde ausreichen um auch ohne Crossfeed auf eine Nutzlast von 54t in LEO un 21,6t in GTO zu kommen. Mit Crossfeed würden die Nutzlasten wohl nochmal um 20% steigen, auf 65t in LEO und 26t in GTO.

Diese Zahlen sind mit der Block 1 Variante des SLS gut vergleichbar, über die ich schon geschrieben habe. Denn bei der zählt die gesamte Masse der Oberstufe, samt Tanks, Triebwerken und Treibstoff mit zur 70t “Nutzlast” in LEO. Die GTO Nutzlast gibt Boeing in dem Link mit 25t an. Der Unterschied ist nur, dass die Falcon Heavy diese Leistung mit relativ herkömmlicher Technik und ohne $10 Milliarden Dollar Budget erreicht.

Das Spiel mit dem anhängen zusätzlicher Booster an eine Rakete könnte man natürlich auch noch weiter auf die Spitze treiben. Bei der Angara Rakete will man schließlich auch 5 identische Raketenstufen zusammen schließen. Würde man das gleiche mit der Falcon Heavy tun, käme man auch ohne Crossfeed sofort in den Bereich von etwa 90t LEO und 36t GTO Nutzlast – abhängig davon wie groß man die Oberstufe baut.

Ohnehin ist die Oberstufe das größte Problem der Falcon Heavy. Die ist mit etwa 110-120t Treibstoff in etwa genauso schwer wie die “Exploration Upper Stage” (EUS) der verbesserten SLS Varianten.  Mit nur 340s hat sie einen sehr schlechten spezifischen Impuls. Würde man an ihrer Stelle die EUS mit 465s benutzen, könnte man die Nutzlast in die höheren Orbits und Richtung Mond oder Mars deutlich steigern. Anstatt eines Masseverhältnis (leer/voll) von 1:5 bräuchte man nur noch ein Masseverhältnis von 1:3,25. Auch wenn die EUS wohl eher 10t statt nur 4t wiegt (die Oberstufe der Falcon 9 ist äußerst leichtgewichtig), bliebe eine Nutzlast von etwa 30t statt 21,6t übrig – noch ganz ohne Crossfeed oder die Benutzung von vier Boostern. (Mit den 4 Boostern käme man über den Daumen gepeilt in den Bereich von 50t GTO Nutzlast – in etwa so viel wie der Block 1B des SLS.)

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Kommentare (5)

  1. #1 BreitSide
    Beim Deich
    30. September 2015

    Die Saturn V hatte ja 133 t Nutzlast. Das wurde seitdem anscheinend nicht wieder erreicht. War sie einfach zu teuer?

  2. #2 dgbrt
    30. September 2015

    Nette Zusammenfassung zur Entwicklung der Falcon Heavy. Man sollte vielleicht noch erwähnen, dass der erste ernst gemeinte Starttermin bei 2014 lag.

    Ich bin mir aber auch sicher, dass der erste Start 2016 dann wohl stattfinden wird. Der Umbau am Startplatz (LC-39A) am KSC ist ja wohl fertig. Dann wird man wohl auch etwas besser abschätzen können, was die Rakete kann.

    Generell denke ich aber, dass die SLS keine Konkurrenz ist. Die wird ja nur zweimal in den nächsten zehn Jahren starten.

    Die Falcon Heavy ist eine kommerzielle Rakete und steht in Konkurrenz zu den noch zu entwickelnden Vulcan und Ariane 6 Raketen. Bis die aber fliegen wird die Falcon im Bereich der Wiederverwendbarkeit Fortschritte gemacht haben.

  3. #3 dgbrt
    30. September 2015

    @BreitSide:
    Die Saturn V war etwa so teuer wie die letzten Starts des Space Shuttle. Und dabei war das Shuttle sogar wiederverwendbar. Anfang der 1970er glaubte man aber, die Kosten mit dem Shuttle auf ein Hundertstel reduzieren zu können. Und der damalige US-Präsident Richard Nixon wollte um jeden Preis das von John F. Kennedy gestartete Apollo-Programm beenden.

    Jeder, der sich etwas mit der Geschichte der Raumfahrt auskennt, sagt, dass damals die großen Ambitionen der US-Raumfahrt beerdigt wurden.

    • #4 wasgeht
      30. September 2015

      Naja, man stand sich mit seinen Ambitionen selbst im Weg. Hätte man mit einem kleinen Shuttle angefangen um das Konzept auszuprobieren, wäre man inzwischen viel weiter.

      Man hätte nur vorhandene Hardware benutzen müssen – ein J-2 Triebwerk statt drei RS-25 und vier H-1 Triebwerke von der Saturn 1B als Booster. Das hätte für ein kleines Shuttle gereicht und dann hätte man gesehen, ob das eine gute Idee ist oder nicht.

  4. #5 dgbrt
    1. Oktober 2015

    @wasgeht
    Die Saturn IB hatte acht H-1 Tribwerke, und um den Orbit erreichen zu können durfte das Apollo-Raumschiff nicht voll betankt werden (war im LEO auch nicht nötig – weil völlig überdimensioniert). Und das J-2 hatte gerade mal die Hälfte des Schubs der RS-25 Triebwerke.

    Fakt ist, dass die Saturn-Raketen für das Konzept der Wiederverwendbarkeit nicht geeignet waren. Die Technik der Erststufe der Saturn I/IB kam aus den 1950ern und die Saturn V war strukturell dazu überhaupt nicht in der Lage.

    Dieses kleine Shuttle haben die Europäer (war eigentlich nur die französische CNES) mit HERMES auch mal versucht.