Unser Herz ist ein komplexes Organ – der Motor unseres Lebens. Doch erst jetzt enthüllt der erste Zellatlas des Herzens, welche Vielfalt an zellulären Komponenten dieses Organ aufweist. Für ihre Kartierung haben Forscher die Genaktivität und Funktion von einer halben Million Zellen aus sechs verschiedenen Regionen des Herzens analysiert. Sie entdeckten zahlreiche zuvor unbekannte Subtypen von Herzzellen, aber auch einen unerwarteten Unterschied zwischen den Geschlechtern: Frauen haben mehr Herzmuskelzellen in den Herzkammern als Männer.
Normalerweise ist uns das regelmäßige Schlagen unseres Herzens kaum bewusst. Dabei vollbringt unser Pumporgan enorme Leistungen: Mehr als 100.000 Mal pro Tag zieht es sich zusammen und pumpt sauerstoffreiches Blut durch unsere Adern, dabei passt es sein Tempo flexibel an unsere Bewegungen oder Stresssituationen an. Der Herzschlag ist dabei das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Akteuren: Wie in einem Orchester müssen tausende von Zellen ihre Aktivität miteinander koordinieren. Doch wie dies im Einzelnen passiert und welche Zellen im Herzen wie arbeiten, ist bislang erst in Teilen geklärt. Denn die meisten Herzzellen können nur begrenzt im Labor gezüchtet und untersucht werden und ihr Zusammenspiel lässt sich nur am intakten Organ erforschen. Die Herzen von Versuchstieren wie Mäusen unterscheiden sich jedoch in vielen Aspekten vom menschlichen Pumporgan.
14 menschliche Herzen und 500.000 analysierte Zellen
Um mehr Einblick in den zellulären Aufbau des Herzens zu erhalten, hat ein internationales Forscherteam um Sarah Teichmann vom britischen Wellcome Sanger Institute und Norbert Hübner vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin vor drei Jahren das Projekt „Human Heart Cell Atlas“ begonnen. Als Untersuchungsobjekte dienten ihnen 14 Herzen – sieben von Männern und sieben von Frauen – die ursprünglich zur Organspende bestimmt waren. Weil diese Herzen für eine Transplantation aber dann doch nicht in Frage kamen, standen diese Organe für das Projekt zur Verfügung – ein seltener Glücksfall. Die Forscher entnahmen Zellproben aus sechs Bereichen des Herzens und bestimmten zunächst die individuellen genetischen Merkmale dieser Zellen mittels Hochdurchsatz-Sequenzierung. „Damit haben wir zum ersten Mal eine Art Postleitzahl, die uns für jede Zelle verrät, zu welcher Population sie gehört“, erklärt Co-Autorin Christine Seidman von der Harvard University.
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