Jeder von uns kennt das Gefühl, dass man unter Zeitdruck besser arbeitet und vielleicht sogar mehr Leistung erbringt. Dieses Gefühl ist nicht nur ein Gefühl, sondern tatsächlich ein bekanntes Zeitgesetz. Erfunden oder erstmals beschrieben wurde es 1955 vom Soziologen C. Northcote Parkinson. Ihm verdanken wir auch den Namen des Gesetzes: Das Parkinson’sche Gesetz.
Es gibt von Parkinson verschiedene Gesetze. Besonders bekannt ist aber das Gesetz, welches besagt, dass sich Zeit in genau dem Maße ausdehnt, wie Zeit für die Erledigung zur Verfügung steht. Das bedeutet, dass eine Aufgabe solange dauert, wie wir Zeit für die Aufgabe haben. Wie komplex oder schwierig eine Aufgabe ist, ist quasi nicht wirklich relevant.
Für dieses interessante Phänomen gibt es einige Beispiele, um die Problematik zu verdeutlichen. Ein paar Menschen sitzen in einem Meeting zusammen. Hierfür sind zwei Stunden anberaumt. Sie reden, fachsimpeln, streiten, diskutieren – doch eine Lösung gibt es nicht. Neigt sich die anberaumte Zeit aber dem Ende zu, werden sich plötzlich alle einig, eine Lösung steht im Raum und das Meeting ist beendet. Hier hat das Parkinson’sche Gesetz zugeschlagen.
Wir reden, ohne vorwärts zu kommen. Dabei warten wir gefühlt auf die letzte Minute, um dann genau das zu tun, was wir auch hätten früher tun können. Daher kommt auch der Spruch, dass wir nur unter Druck gut arbeiten können. Nicht, weil wir wirklich unter Druck gut arbeiten, sondern weil uns das Parkinson’sche Gesetz trifft. Die Zeit hat sich so sehr ausgedehnt, wie wir der Aufgabe zur Erledigung zur Verfügung gestellt haben. Die gleichen Ergebnisse hätten wir vielleicht auch bei einem Bruchteil der Zeit geschafft, wenn wir uns dieses Zeitlimit gesetzt hätten.
Was lernen wir aus dieser Erkenntnis? Wir könnten einer Aufgabe ein engeres Zeitfenster einräumen, um dennoch die gleichen Ergebnisse zu erzielen. Dafür ist es natürlich durchaus nötig, die realistischen Zeitfenster auch korrekt zu planen. Wer beispielsweise für eine Aufgabe, die realistisch 60 Minuten dauert, nur 30 Minuten ansetzt, wird die Aufgabe wohl nicht schaffen können. Wer aber für eine Aufgabe, die 30 Minuten dauert, auch 30 Minuten ansetzt, wird 30 Minuten brauchen. Setzt die Person für die 30-Minuten-Aufgabe aber 60 Minuten an, dann wird die gleiche Aufgabe auch 60 Minuten dauern.
Auf den ersten Blick mag das nicht sinnvoll erscheinen. Wir sollen uns noch mehr Zeitdruck geben, obwohl wir doch schon Zeitdruck haben? Der Zeitdruck entsteht aber erst, weil wir zu viel Zeit zur Verfügung haben. Gleichzeitig müssen wir aber natürlich die Aufgabe auch wirklich realistisch einschätzen können, damit nicht am Ende doch noch schädlicher Zeitdruck entsteht.
Wenn beispielsweise Studenten zwei Monate Zeit haben, um eine Hausarbeit zu schreiben – wie gehen die meisten Studenten vor? Korrekt wäre es, zu schätzen, wie lange die Hausarbeit insgesamt zeitlich kosten wird. Schätzen wir einmal 30 reine Arbeitsstunden. Diese 30 Stunden sollten wir nun durch zwei Monate teilen, indem wir vielleicht ca. 20 Werktage pro Monat ansetzen. 30 Stunden geteilt durch insgesamt 40 Werktage. Das würde bedeuten, dass wir 0,75 Stunden pro Tag an der Hausarbeit arbeiten sollten, um diese rechtzeitig und ohne Probleme zu schaffen.
Die Realität sieht aber deutlich anders aus, wie auch die fünf Stufen der Endphase einer Dissertation beweisen. Der erste Monat verstreicht meistens, ohne dass überhaupt etwas passiert, da für viele Promovierende vielleicht erst mal andere Dinge im Vordergrund stehen. Dann wird es langsam zeitlich eng und wir kommen ins Tun. Vielleicht sind für die 30 Stunden Arbeitszeit nur noch 15 Werktage Zeit. Jetzt gibt es verschiedene Optionen. Die eine Gruppe an Studenten wird jetzt mehr Zeit investieren, um die Aufgabe noch zu schaffen. Bei 30 Stunden und 15 Werktagen wären das zwei Arbeitsstunden in diesen Tagen. Immer noch schaffbar, wenn nicht häufiger etwas dazwischenkommt.
Die zweite Gruppe aber schiebt die Aufgabe mehr und mehr auf und schafft es möglicherweise gar nicht. Es ist aber auch möglich, dass sich die Aufgabe am Ende nicht in 30 Stunden, sondern nur in 15 Stunden bewältigen lässt. Hier käme das Parkinson’sche Gesetz erneut zum Tragen.
Die Gruppe von Studenten hat ihre Zeit eventuell von Anfang an falsch geschätzt. Sie ging davon aus, dass die Aufgabe 30 Stunden dauern wird. Also haben sie sich auch 30 Stunden Zeit genommen (Gruppe 1). Gruppe 2 wiederum hat sich auch 30 Stunden Zeit genommen, muss aber insgesamt mehr Stunden an einzelnen Tagen daran arbeiten, weil sie erst auf den letzten Drücker loslegt. Beides kann funktionieren.
Bei einer weiteren Gruppe an Studenten schlägt aber vielleicht das Parkinson’sche Gesetz zu, indem sich die Zeit ausdehnt oder eben schrumpft. So haben sie für die eigentlich 30 Stunden lange Aufgabe nur noch 15 Stunden Zeit. Was machen sie? Den Kopf in den Sand stecken ist keine Option, also versuchen sie es. Durch das Gesetz bzw. durch das besagte Phänomen ist es sehr wahrscheinlich, dass sie die 30-Stunden-Aufgabe nun auch in 15 Stunden bewältigen. Voraussetzung hierfür ist aber natürlich, dass die Zeitangabe von Anfang an falsch kalkuliert war. Ist eine Aufgabe tatsächlich nur mit 30 Stunden Arbeitszeit schaffbar, dann klappt es mit dem Gesetz nicht. Wenn sie aber theoretisch auch mit weniger Aufwand schaffbar ist (weil wir bei mehr Zeit, die meiste Zeit nicht produktiv und effizient wären), dann ist es das Parkinson’sche Gesetz.
Kritiker könnten jetzt anmerken, dass bei dem selbst gesetzten Zeitdruck die Qualität leiden könnte. Bei einer Arbeit auf Druck ist das auch oft der Fall. Wenn wir erst auf den letzten Drücker anfangen, eine Aufgabe überhaupt anzupacken, dann leidet darunter oftmals das Ergebnis bzw. deren Qualität. Beim Parkinson’schen Gesetz soll es nicht darum gehen, uns selbst so viel Zeitdruck zu schaffen, dass die Qualität leidet. Stattdessen sollte das Zeitfenster genau so aufgebaut sein, damit wir direkt loslegen müssen. Haben wir alternativ viel zu viel Zeit für die Erledigung kalkuliert, dann wird es auch genau diese Zeit dauern (selbst, wenn wir gefühlt nicht trödeln, sondern schon aktiv sind – wir arbeiten einfach nur langsamer).
Doch warum überhaupt? Die Erklärung hierfür ist recht einfach. Wer sich beispielsweise entscheiden soll, ob er Nudeln oder Kartoffeln essen möchte und jemand sagt ihm, er habe für die Entscheidung 20 Minuten Zeit. Wie lange wird die Entscheidung dauern? Eigentlich würde sie nur ein paar Sekunden dauern, oder nicht? Da wir aber ja 20 Minuten Zeit bekommen, denken wir auch 20 Minuten darüber nach. Wir wägen ab, grübeln und hinterfragen, obwohl es eigentlich gar nicht sinnvoll ist. Werden wir dagegen gezwungen (oder zwingen uns selbst), die Entscheidung in fünf Minuten zu treffen, wie schnell treffen wir sie dann? Richtig, in fünf Minuten. Sagen wir jemandem, er solle sich sofort entscheiden, wann wird er sich entscheiden? Zwar nicht unmittelbar sofort, denn ein paar Sekunden braucht jeder von uns, aber aufgrund des Zeitfensters würde er sich sofort entscheiden.
So zeigt sich, dass für die gleiche Aufgabe (Kartoffeln oder Nudeln?) sowohl ein paar Sekunden, fünf oder auch 20 Minuten zur Verfügung stehen könnten, obwohl am Ende das gleiche Ergebnis herauskommt. Genauso ist es oft im Alltag. Wir könnten jetzt in fünf Minuten die Wohnung kurz auf Vordermann bringen, indem wir effektiv und effizient ein paar Dinge tun. Wir können aber auch hin und her laufen, überlegen, nachdenken und Dinge von A nach B tragen. Am Ende hätten wir eine Stunde „aufgeräumt“, obwohl das Ergebnis optisch das gleiche ist wie in fünf Minuten.