Sie sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken – Klebstoffe. Was einst mit Teer und Pflanzenharzen begann, hat sich in den letzten Jahrtausenden zu einer komplexen Wissenschaft gemausert, die maßgeblich für die zivilisatorische Entwicklung der menschlichen Spezies verantwortlich ist. Zudem haben sich ganze Wirtschaftszweige dahingehend professionalisiert, Klebeverfahren ökonomisch anzuwenden und stetig weiterzuentwickeln. Die Unverzichtbarkeit dieser Werkstoffe haftet an uns wie …Klebstoff.

Ein kurzer historischer Abriss

Zu den ersten Klebstoffen, die der Mensch – bewusst und mit der Absicht einen solchen herzustellen – aus einem Ausgangsstoff zubereitete, gehören Fischleim und Birkenpech. Berühmt ist die Südtiroler Gletschermumie Ötzi, deren Alter auf rund 7.000 Jahre geschätzt wird. Bereits er hatte Birkenpech bei sich. Es diente als Klebstoff seines Schlagwerkzeuges. Allerdings geht man nach weiteren Funden der vergangenen Jahre davon aus, dass bereits vor mehr als 100.000 Jahren mit diesem Destillat des Birkenharzes geklebt worden ist.

Übrigens: Fischleim wurde hergestellt, indem gewisse tierische Abfälle gekocht wurden. Dieser Sud wurde dann durch eindampfen eingedickt. Hauptbestandteil ist Glutin (mit ‚i‘ – also nicht Gluten, welches ein Eiweiß aus dem Weizen ist und ebenfalls sehr gut klebt). Glutin verhält sich ähnlich wie die uns bekannte Küchengelatine. Die Römer machten Gebrauch von diesem Klebstoff. Sie verwendeten vorzugsweise die Schwimmblasen, die nach dem Ausnehmen gefangener Speisefische übrigblieben. Vertrauensvolle Belege hierfür gibt es jedoch nicht.

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Baumharze wurden vor vielen tausend Jahren als Klebstoffe genutzt.

Der wahrscheinlich älteste Klebstoff der Welt

Diese Überschrift schürt wahrscheinlich gewisse Erwartungen, die ich mit dem nächsten Satz dann wohl direkt zunichtemachen werde. Es ist Erde. Je mehr Ton in ihr enthalten ist, desto besser. Dass Erde das oberste Treppchen unter den ältesten Klebstoffen belegt, ist nicht verwunderlich. Denn seit jeher war sie vorhanden und lag praktisch überall in einer mehr oder weniger ausreichenden Qualität vor, ohne dass sie stark verarbeitet oder behandelt werden musste.

Die Industrialisierung als treibende Kraft

Mit der industriellen Entwicklung wurde nicht nur das Angebot an verfügbaren Klebstoffen vergrößert. Es gab einen Bedarf. Dinge wollten befestigt werden. Der Mensch erschloss sich immer mehr Materialien für den Bau und die Herstellung von Gütern. Dementsprechend brauchte es immer einen entsprechenden Klebstoff mit den passenden Eigenschaften. Was der eine Kleber nicht leisten konnte, leistete ein anderer. Bis heute hält diese Entwicklung an. Mittlerweile haben wir so einen hochspezialisierten Industriezweig geschaffen. Und dieser ist für uns nicht einfach nur ‚nice to have‘ sondern existenziell.

Das moderne Einsatzspektrum

Genau genommen war das, was Klebstoffe leisten, noch nie einfach nur ‚nice to have‘. Ötzis Leben klebte sprichwörtlich an dem Schlagwerkzeug, an dem wiederum die Klinge mit Birkenpech angeklebt war. Und die ersten Lehmbauten, die vor Raubtieren und Witterung schützten, waren buchstäblich lebenswichtig. Das alles war Existentialität in Reinform. Was ich mit dem letzten Satz des letzten Abschnitts sagen möchte, ist, dass hochkomplexe Strukturen der menschlichen Zivilisation davon abhängen. Städte bestehen aus Klebstoff. Der Beton, der es möglich macht, unter Hinzunahme von Stahl Wolkenkratzer von absurder Höhe zu errichten, ist nicht einfach nur ein Hilfsmittel. Es ist ein alternativloser und gestaltgebender Teil dessen, wie unsere Zivilisation sich abbildet.
Ähnliches gilt für die Digitalisierung. Ohne Klebstoffe auf Polyurethanbasis oder Epoxidharze wäre die Herstellung von Hightech-Küchengeräten und anderen technologisch fortschrittlichen Haushaltsgegenständen nicht möglich.
Smartphones, Computer und andere Endgeräte werden nicht nur in Einrichtungen hergestellt, die selbst mittels Klebstoffen errichtet wurde. Ihre Herstellung beansprucht auch die Errungenschaften, die die Forschung rund um Klebstoffe in der jüngsten Zeit zutage gefördert hat.

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Epoxidharze (blau) gehören zu den modernen Klebstoffen. Sie sind gleichfalls sehr dekorativ.

Hochspezialisierte Technik zur Herstellung hochspezialisierter Technik

Ich denke die Tragweite und Bedeutung, die Klebstoffen in unserer Welt zukommt, ist an dieser Stelle deutlich geworden. Bezüglich des Punktes des vorigen Absatzes möchte ich noch ein paar Sätze investieren. Smartphones oder andere Endgeräte sind mittlerweile weltweit verbreitet. Man könnte die multifunktionalen Telefone regelrecht als Sinnbild für unsere derzeitige Evolutionsstufe nutzen. Der Homo Technologicus, wenn man so will. John H. Lienhard wagt diese Bezeichnung und spielt damit auf unsere ausgeprägte Fähigkeit an, Technologie für uns nützlich und nutzbar zu machen. Natürlich ist Evolution sehr viel mehr, als zu lernen, wie man einen Touchscreen benutzt – das weiß auch Lienhard. Aber dieser Fähigkeit kommt eine tragende Rolle bei der Charakterisierung des heutigen Menschen zu.

Das zeigt sich vor allem bei der Herstellung komplexer technischer Geräte. Das Endprodukt ist hochentwickelt, doch die Produktions-Maschinen sind es auch. Bleiben wir bei dem Beispiel der Klebstoffe.

Dosieranlagen sind ein hervorragendes Beispiel dafür, dass die Produktion eines komplexen Gegenstandes ein ebenfalls technologisch komplexes Arbeitsgerät verlangt. Diese Anlagen können spezielle Klebstoffe, Wärmeleitpasten und Imprägnierungen in peinlichst genau abgemessenen Mengen sehr präzise dort auftragen, wo der jeweilige Stoff benötigt wird. Unternehmen wie bdtronic.com haben sich darauf spezialisiert, Klebstoffe, Dichtungsmittel und andere Substanzen auf diese Weise zu verarbeiten.

Wund-Klebstoffe

Cyanoacrylat kennen wir alle. Wahrscheinlich ist es den meisten jedoch unter dem Trivialnamen Sekunden- oder Super-Kleber geläufig. Dieser schnell abbindende Kleber ist ursprünglich für den Luftverkehr entwickelt worden. Später erkannte man jedoch, dass sich damit auch sehr effektiv menschliches Gewebe verbinden lässt. In der Mitte des letzten Jahrhunderts entwickelte man dann den ersten hierfür zugelassenen Abkömmling. Einige Jahrzehnte später – Ende der 1990er – wurden ähnliche Verbindung dann auch für die medizinische Versorgung der breiten Bevölkerung zugänglich.
Übrigens: Venen lassen sich hervorragend mit Verbindungen aus der Gruppe der Cyanoacrylate verschließen. Daher finden diese Stoffe auch dort Anwendung, wo starke und schwer zu stoppende Blutungen ansonsten den Tod eines Patienten bedeuten würden.

 

Philipp Liebkraft
Ich bin Philosoph (M. Sc.) und leidenschaftlicher Tech-Nerd. Ich freue mich, dass die modernen Zeiten es zulassen, Geisteswissenschaften mit Technik zu verbinden. Aus diesem Grund arbeite ich für mein Leben gerne in dem Bereich der Kognitionswissenschaften.