In einem Beitrag mit der Überschrift “Zahl und Sinn” beklagt Andreas Rödder, Professor für Neueste Geschichte, in der FAZ (5.7.2010), das Zahlen das Denken dominieren. Er will das ändern, um Sinn für den Sinn zu schaffen, wie er sinnig schreibt, und wer sollte dagegen sein? Nun beruht die Moderne – wie der Historiker korrekt notiert – auf “regelhaften Wirkungsverhältnissen”, in denen nun mal “rationalistisch-quantifizierend” argumentiert wird, was den Zahlen ihre besondere Bedeutung gibt – und an dieser Stelle übersieht der Professor das Versagen seiner Zunft. Wenn die Historiker nämlich erzählen, wie wir geworden sind, was wir sind – versessen auf Zahlen zum Beispiel -, lassen sie diesen Teil gerne außer acht. In welchem Lehrbuch der Geschichte tauchen denn die Mathematiker auf, die uns statistisch unterwiesen und die Zahlen nahegebracht haben? Sie kommen bei den Historikern nicht vor, und so fehlt ihnen der Sinn für die Zahlen, die unsere Gegenwart dominieren. Und noch ein Tipp für Erkunder der neuesten (!) Geschichte. Die “Grenzen des Wachstums” von 1972 mit ihren Statistiken stellen eine falsche (sinnlose) Übersetzung dar. Das Original spricht von den Grenzen BEIM Wachstum. Sonst ergeben die dort präsentierten Zahlen keinen Sinn.

Kommentare (7)

  1. #1 Ockham
    Juli 6, 2010

    Unabhängig von dem hier zitierten Fall, den ich nicht im Detail kenne, ist eine Kritik an der Überbewertung von Zahlen durchaus zeitgemäß.

  2. #2 adenosine
    Juli 6, 2010

    Die Zahl ist nun mal ein effektives Mittel der Beschreibung. Über die Überbewertung von Farben, Klang oder Geruch bei Beschreibungen könnte man sicher auch jammern.

  3. #3 roel
    Juli 8, 2010

    Ein Link wäre schon ganz sinnvoll.
    Man stelle sich Geschichte ohne Zahlen vor. Kein Datum, keine Größe, keine Anzahl, …

  4. #4 Jörg Friedrich
    Juli 9, 2010

    @roel: Ich hatte auch schon gesucht, leider ist der Artikel nicht online. Man kann sich aber von Rödders Standpunkt ein Bild machen, zb in diesem Dokument auf Seite 4 und noch besser vielleicht hier.

  5. #5 roel
    Juli 12, 2010

    @Jörg Friedrich vielen Dank.

  6. #6 Ankinha
    August 26, 2010

    Hier der Link, ist doch online (inzwischen):
    https://faz.net/-01go0t

  7. #7 albine schneider
    November 12, 2011

    Warum steht hinter der Aufmerksamkeit das Wort und hinter dem Sinn die Zahl?