In seinem großartigen Essay “IM NETZ” (FAZ vom 22.09.2010, S. 8) berichtet der gelehrte Tausendsassa Manfred Spitzer von DVDs unter der Beteichnung “Baby Einstein”, die der Disney Konzern Eltern angeboten hat, um die Sprachentwicklung ihrer Kleinen zu fördern. Nun stellt sich heraus – und Spitzer stellt es dar -, daß solch eine DVD das Gegenteil bewirkt und die Eltern selbst mit ihren Kindern hätten reden müssen. Und was machen die Eltern? Wenden sie sich jetzt ihrem Nachwuchs zu? Nein! Sie verklagen vielmehr den Konzern. Wahrscheinlich soll der jetzt Kinderfrauen oder andere Formen der Betreuung bezahlen.
Genau hier steckt ein tiefes Mißverständnis der Gegenwart. Wir sind Weltmeister in der Kunst geworden, es nicht gewesen zu sein und anderen die Schuld zu geben. Wenn es nach mir ginge, würden die Eltern verklagt, die ihren Kindern Baby-Einstein-DVDs zugemutet haben. Sie verdienen die Höchstrafe – Medienentzug bis zur Lektüre eines sinnvollen Buches – etwas einem von Manfred Spitzer (wobei meine auch nicht schlecht sind).

Kommentare (11)

  1. #1 Arnd
    September 22, 2010

    Die “kleinen Einsteins” sind Filmchen, die die (Klein-)Kinder zum mitmachen bewegen sollen. Es ist eine süß gemachte Kinder-Toon-Serie. Meine kleine Tochter mag das. Aber man kann natürlich von so etwas nicht erwarten, dass es die Erziehung ersetzt.

    Die Eltern dafür zu bestrafen, den Kindern diese CDs vorzusetzen ist aber genauso Quatsch wie die Erwartungen dieser Eltern. Es muss halt alles in der richtigen Dosierung sein. Die Baby-Einsteins sind im Vergleich zu anderen Serien durchaus gut gemacht.

  2. #2 Jörg Friedrich
    September 22, 2010

    @Arndt: In dem besprochenen FAZ-Text (der leider noch nicht online frei verfügbar ist) heißt es “Tatsächlich kam eine große Studie amerikanischer Kinderärzte mit mehr als tausend Säuglingen 2007 zu dem Ergebnis, dass der Konsum von Baby-Einstein-DVDs auf die Sprachentwicklung der Kleinen einen doppelt so negativen Effekt hatte, wie sich tägliches Vorlesen hierauf positiv auswirkte.” Das ist zwar ziemlich umständlich formuliert, aber eindeutig. Daraus ergibt sich ja auch die Klagewelle: “Tausende Eltern verklagen den Konzern nun wegen Schädigung der Bildungsbiographie ihrer Kinder. Denn die Sprachentwicklung ist der Grundpfeiler der kognitiven Entwicklung schlechthin, und deren Beeinträchtigung kann über eine spätere Schul- und Hochschullaufbahn entscheiden, die sich, auf die Lebenszeit umgerechnet, auf Einkommenschancen in Millionenhöhe auswirkt. Baby Einstein könnte für den Konzern also noch sehr teuer werden.”

    Ich kann Herrn Fischer hier nur zustimmen. Die Eltern sind selbst dafür Verantwortlich, was sie ihren Kindern zumuten. Sie sollten sich darauf konzentrieren, die Schäden, die sie angerichtet haben, wieder auszugleichen, anstatt Klagen zu schreiben und ihre Kraft bei Anwälten und Gerichten zu verschwenden.

  3. #3 Gunnar
    September 22, 2010

    Manchmal habe wäre ich gerne ein Oktopus, dann hätte ich mehr Hände für die ganzen facepalms, die ich machen möchte…

  4. #4 maxfoxim
    September 22, 2010

    hehe
    Aber mal ein ähnliches Problem:
    Darf man Schwangere die rauchen auf Körperverletztung verklagen?
    Ich mein es gibt ja sicherlich genug Studien die belegen, dass es negative gesundheitliche Auswirkungen auf ein Ungeborenes gibt, wenn die Mutter während einer Schwangerschaft raucht. Assozial und unmoralisch ist es sowieso. Aber auch juristisch belangbar??
    Stephan

  5. #5 michael
    September 22, 2010

    Erstens heisst es nicht Beteichnung sondern Bezeichnung ,
    und zweitens ist es schon dreist, Leuten, die auf die Werbung von Disney reingefallen sind, anzupissen, weil die Disney verklagen wollen.

    Wenn es Gesellschaften gibt, die ihre Heranwachsenden bewußt zu Blödchen erzieht, damit eine gewisse Klasse sie kommerziell abzocken kann, dann muss man sich über den Erfolg von Reklame und Werbung in solchen Gesellschaften nicht wundern.

  6. #6 Florian Freistetter
    September 22, 2010

    “Tatsächlich kam eine große Studie amerikanischer Kinderärzte mit mehr als tausend Säuglingen 2007 zu dem Ergebnis, dass der Konsum von Baby-Einstein-DVDs auf die Sprachentwicklung der Kleinen einen doppelt so negativen Effekt hatte, wie sich tägliches Vorlesen hierauf positiv auswirkte.”

    Nur bei Baby-Einstein CDs? Oder haben auch Teletubbies einen negativen Effekt? Oder Tabaluga? Der Sandmann? Ohne Vergleich ist das nicht wirklich aussagekräftig…

  7. #7 soph
    September 22, 2010

    Na, sicher auch Teletubbies und der Rest. Aber wie schon Paracelsus sagte, die Dosis…

    Ich kann mir gut vorstellen, das auf den DVDs stand, die soll man den Kleinen (ich glaube, die sind auf unter-1-jährige abgezielt) möglichst oft und lange vorspielen, damit sie wirken. Während Teletubbies iirc eher kurz waren (hab sie allerdings noch nie gesehen und auch kein Bedürfnis danach). Wir sind erst mit den Barbapapas eingestiegen, und da dauert eine Episode 5 min, und das war anfangs noch viel zu lang. Wie die Zeit vergeht 😉

    Aber wir kennen sie doch alle, die Kinder, die mit glasigem Blick stundenlang vor dem Fernseher geparkt werden…

    Allerdings ist die Studie nicht unbedingt fair. Natürlich ist es besser, dem Kind, statt es vor den Fernseher zu setzen, vorzulesen, nur verquickt man dann zwei Effekte, den Schaden des Fernsehens ohne Interaktion mit dem Vorteil des Vorlesens, der wesentlich auf der Interaktion des Kindes mit dem Vorlesenden beruht. Eine Ermittlung echten Schadens durch Baby Einstein hätte man nur dann erreicht, wenn man der Kontrollgruppe nicht vorgelesen hätte, sondern sie un-unterhalten gelassen hätte.

  8. #8 Wb
    September 23, 2010

    Genau hier steckt ein tiefes Mißverständnis der Gegenwart.

    Hier steckt kein “Mißverständnis der Gegenwart”, sondern ein Richtig-Verständnis der gegebenen Rechtslage, die Regress verspricht.
    Es sind hier ja nicht die Konsumlagen, die alles kaputtmachen, sondern die Möglichkeiten des Rechts. Wenn es auf dem Konto so bald rappeln wird, dann muss jedes verständige Elternteil (Kaufbeleg vorausgesetzt) die Möglichkeiten des Irrsinns nutzen.
    Würden Sie ja auch, Herr Fischer.

    Nüscht isso wie es scheint.

    MFG
    Wb

  9. #9 Simone
    September 23, 2010

    Ja klar, sicher verklagt jetzt die große Mehrheit der Eltern den Disney-Konzern… ich glaube “normale Eltern” haben echt andere Probleme und zu wenig Zeit für sowas. Ich zumindest habe sogar zu wenig Zeit um überhaupt in Erfahrung zu bringen, dass es ein solches DVD-Angebot gibt, aber jetzt bin ich schlauer …

  10. #10 radicchio
    September 23, 2010

    Wenn es Gesellschaften gibt, die ihre Heranwachsenden bewußt zu Blödchen erzieht, damit eine gewisse Klasse sie kommerziell abzocken kann, dann muss man sich über den Erfolg von Reklame und Werbung in solchen Gesellschaften nicht wundern.

    ha! das find ich gut. irgendwie funktioniert das beim derzeitigen top-thema politcal correctness ja auch. will nur kaum einer wahrhaben. weil man ja nicht kommerziell, sondern nur ideologisch abgezockt wird.

  11. #11 roel
    September 28, 2010

    Das ist mal was ganz Neues! Zuviel DVD schauen macht dumm. Wussten wir eigentlich immer schon. Nur früher hieß es zu viel fernsehen. Die klagenden Eltern können gleich noch Ihre Eltern und Lehrer verklagen, die sie so dumm gehalten haben, dass sie ihre eigenen Kindern Disney DVD’s zur Spracherziehung überlassen. Und das traurige ist, um diesen Misstand festzustellen, benötigt es eine “große Studie amerikanischer Kinderärzte” und um die Deutschen zu warnen einen “Tausendsassa Manfred Spitzer”.

    Und übrigens: da gibt es ein Sprichwort über Eigenlob!