“Kulturkampf  um die Gentechnik” – so heißt ein Beitrag im Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft, Ausgabe 4.2012, den der Biologe Diethard Tautz verfasst hat. Er meint damit zunächst den Unterschied zwischen den USA und Deutschland, denn während die Amerikaner Genfood zu lieben scheinen oder wenigstens konsumieren, werden hierzulande immer noch Glaubenskämpfe um die Gentechnik ausgetragen und Extrempositionen vertreten. Es stellt meiner Ansicht nach ein spannendes Thema dar, auf die deutsche Haltung zur Genetik einzugehen, bei deren Charakterisierung mir immer wieder der schöne Satz der Kabarettistin Lore Lorentz in den Sinn kommt, “Wo der Deutsche hingrübelt, da wächst kein Gras mehr” – erst recht kein genetisch verändertes, auch wenn es noch so viel Nutzen bringt. Das heißt, es scheint keinen Anhänger der Grünen zu stören, dass seine Partei mit einer Sonnenblume wirbt, die zwar ganz schön nach Natur aussieht, aber sich grundlegender Manipulationen auf der Ebene der Chromosomen verdankt. Ob das eine versteckte Botschaft oder nur Unkenntnis ist, werden die Parteivorsitzenden wissen oder beantworten können. Die Gentechnik ist in den 1970er Jahren entwickelt und der Öffentlichkeit vorgestellt worden, also in den Jahren, in denen Menschen ihre bis dahin erfolgreiche Idee des Fortschritts aufgaben und lieber über “Die Grenzen beim Wachstum” nachdachten. Damals sollte alles niedrig gehängt werden, und es kam zu abstrusen Vorschlägen wie dem, nur noch Tomaten ohne Gene zu verzehren oder keine Energie mehr zu verbrauchen, wie bis heute nachzulesen ist. Es geht bei der Gentechnik – und der Kernenergie – tatsächlich um einen Kulturkampf, nämlich um die Frage, ob die Wissenschaft zur unserer Kultur gehört oder nur das technische Beiwerk liefert. Wenn sie Kultur ist, gehört sie in den Bildungskanon. Wer stellt sie so dar, dass sie dort aufgenommen wird?

Kommentare (8)

  1. #1 Thorwald
    Februar 5, 2013

    Essen Deutsche kein Genfood?

  2. #2 Schmidts Katze
    Februar 5, 2013

    “Die Grenzen beim Wachstum”

    Oh Mann, Herr Fischer, “Die Grenzen beim Wachstum”.

    https://www.googlefight.com/index.php?lang=en_GB&word1=%93Die+Grenzen+beim+Wachstum%94&word2=%93Die+Grenzen+des+Wachstums%94

    und es kam zu abstrusen Vorschlägen wie dem, nur noch Tomaten ohne Gene zu verzehren oder keine Energie mehr zu verbrauchen, wie bis heute nachzulesen ist.

    Da würde ich ja jetzt nach einem Beleg fragen, wenn ich nicht wüsste, daß Sie eh keinen liefern.

  3. #3 Dr. Webbaer
    Februar 6, 2013

    Es geht bei der Gentechnik – und der Kernenergie – tatsächlich um einen Kulturkampf, nämlich um die Frage, ob die Wissenschaft zur unserer Kultur gehört oder nur das technische Beiwerk liefert.

    Die Kultur, gemeint hier die “westliche”, ist eben der Knackpunkt. Da wollen welche ran, selbst wenn sie nur die Tomate oder den sogenannten Castor-Transporter treten.

    MFG
    Dr. W

  4. #4 Dr. Webbaer
    Februar 6, 2013

    @Katze
    Die Idee von der Grenze des Wachstums, also die Summe der allgemeinen Kooperation meinend, ist natürlich eine armselig misanthropische.

    Man muss in diesem Zusammenhang nicht jede Technologie gut finden, der Schreiber dieser Zeilen tut dies auch nicht, abär die diesbezügliche Ideologisierung ist armselig – und vermutlich dem Scheitern der bekannten Kollektivismen geschuldet, deren Verflossene im Sinne der Frankfurter Schule wenigstens Schaden anrichten wollen. – So sieht es zumindest aus mit dem Ökologismus und dem Kulturrelativismus.

    HTH
    Dr. W

  5. #5 Name auf Verlangen entfernt
    Februar 6, 2013

    Gerade heute kam die Meldung durch, wie erfolgreich ein Schweizer Unternehmen den Saatgutvertrieb und die Herstellung von Agrochemikalien zusammengelgt hat: Gentechnik ist deswegen heute vor allem Umweltzerstörung, denn es geht Monsanto & Co vor allem darum, die Pflanzen fit zu machen gegen das Gift, das den Rest “ready-round-up” = plattmacht.

    Der Kulturkampf dreht sich daher nicht darum, ob Wissenschaft zur Kultur gehört – was denn sonst? – und längst ist sie als solches etabliert – sondern darum, ob Wissenschaft “evil” sein darf und ist.

    Moral wiederrum gehört nicht zur Kultur, sondern bedingt sie überhaupt erst – es ist dieses mangelnde Differenzierungsvermögen bei analytischem Hypertrophismus gleichzeitig – das unsereiner zu Recht ängstigt. Aus der Wissenschaft allein läßt sich keine Moral destillieren, wie sogar der Papst im Bundestag weiß.
    Das geht nur aus Religion und/oder der von Ihnen wenig geachteten Philosophie ( … wie soll man achten, was man nicht versteht?).

  6. #6 Dr. Webbaer
    Februar 6, 2013

    Ob es beispielsweise bei der Ablehnung der friedlichen Nutzung der Atomenergie um die Frage geht, ob ‘die Wissenschaft zu unserer Kultur gehört’, ist natürlich zweifelhaft, lol. Die oft vorliegende Irrationalität dieser und ähnlicher Ablehnungen geht aber schon in Richtung Ablehnung von Wissenschaft und Kultur – so wird das Herr Fischer vielleicht gemeint haben.

  7. #7 Dr. Webbaer
    Februar 6, 2013

    Das geht nur aus Religion und/oder der von Ihnen wenig geachteten Philosophie ( … wie soll man achten, was man nicht versteht?).

    Liest sich nicht schlecht, MFG, Dr. W

  8. #8 Spoing
    Februar 7, 2013

    @Schmitz Katze:”Da würde ich ja jetzt nach einem Beleg fragen, wenn ich nicht wüsste, daß Sie eh keinen liefern.”
    Ich habe jetzt keine Lust danach zu suchen, aber im Zuge der KK-Diskussion gab es genug Leute die meinten man solle “die Atome” einfach verbieten. Sicher handelt es sich dabei nur um Spinner ohne Ahnung der Materie aber es gibt sie durch aus. Der etwas weniger dümmliche aber genau so von Unwissenheit strotzende Satz sind dann die, welche ein AKW-Unglück mit einer Atombombenexplosion gleich setzen. Die Krönung der radikalen Ablehnung ohne Ahnung findet sich bei Grün/Öko immer noch im Bereich Chemie im Essen. Da sind Brot und Maggie Naturprodukte während die Pelle um die Würstchen böse Chemie ist.

    Zum Thema: Auch die Hartnäckigkeit mit der in manchen Bereichen Naturwissenschaftliche Fakten geleugnet werden lässt für mich darauf schließen, dass Wissenschaft und Technik noch lange nicht wirklich zu unserer Kultur gehören. Während bei der Technik nur akzeptiert wird was persönlichen Nutzen bringt und alles andere Angst macht. Ist es bei der Wissenschaft so, dass viele das Wissenschaftliche Prinzip nicht anerkennen und Wissenschaft nur als mögliche Antwort neben Religion sehen. (Und damit meine ich die Naturwissenschaften und keine Philosophie). Wie hoch der (Natur)wissenschaftliche Wert in manchen Bereichen ist wird zum Beispiel bei Überlegungen in NRW (glaube 2008 war das) deutlich. Dort gab es die Überlegung (zum Glück ohne Mehrheit) in der Schule künftig nur noch jeweils 2 Stunden Mathe und 2 Stunden Naturwissenschaften (Physik,Biologie und Chemie) zu unterrichten. Sprich ihnen nur etwa 12% Anteil zu zu gestehen.