Seit die Gentechnik in den 1970er Jahren es erlaubte, Gene genauer in den wissenschaftlichen Griff zu bekommen und zu analysieren, hat der Name für die dazugehörige chemische Substanz – genauer dessen Abkürzung mit den drei Buchstaben  DNA – eine öffentliche Karriere gemacht, und seit eine neue Methode mit dem komplizierten Namen CRISPR – “Krisper” – in diesem Jahrhundert sogar erste Gedanken an ein “Gene Editing” erlaubt, ist immer mehr selbst dort von DNA die Rede, wo es mit Sicherheit nicht sinnvoll ist und eigentlich nur der Verwirrung dient. Es ist komisch – aber im Feuilleton denken die Genethiker eifrig und unermüdlich über den Unfug nach, den Biologen mit den neuen Tools, wie es Neudeutsch heißt, verzapfen können. Aber keiner der angeblich so sprachgewaltigen Schreiberlinge kommt auch nur ein einziges Mal auf die Idee, den sprachlichen Unfug anzuklagen, der auf die Leser einprasselt (und auf die Leserinnen ebenfalls). Heute ist zum Beispiel in der FAZ (im Feuilleton, S. 9) von Kriegsereignissen die Rede, die den Briten in ihre “nationale DNA eingewoben” sind. Dieselbe Zeitung hat auch schon davon berichtet, dass es im Sauerland Familien mit Unternehmer DNA gibt, dass komplette Fußballmannschaften – auch gerade teuer eingekaufte Neuzugänge – über Bayern DNA (oder Bayern Gene) verfügen, dass in einem Auto (einem Porsche) die DNA der 1970er Jahre zu finden sei, dass amerikanische Forschungsbeamte es in ihrer DNA hätten, die Wissenschaft trotz Trump weiter zu fördern, und so weiter und so fort. Es ist zum Weglaufen oder Haare Ausraufen. Man hat nichts zu sagen und motzt sein Zeug durch Anleihen in der Wissenschaft auf, wahrscheinlich ohne zu wissen, was DNA abkürzt und wann aus DNA ein Gen wird, um nur die simplen Fragen zu stellen. Leute ohne eigene Idee stehlen die der Genetiker, um sich als kluge Berichterstatter aufzuspielen. Es ist ja nicht schlimm, wenn man etwas nicht weiß. Es ist aber furchtbar, wenn man vorgibt, etwas zu wissen, und dann auf sich selbst hereinfällt. Hier wäre ein “Gene Editing” dringend nötig. Vielleicht weniger im Leben und mehr und auf jeden Fall im Feuilleton. Die Regel lautet: Einfach löschen und neu überlegen und eigenständig formulieren. Aber wer hat schon die dazu nötige DNA ?

Kommentare (17)

  1. #1 Dr. Webbaer
    Juli 26, 2017

    Der sprachliche Unfug mit der DNA hat sich wohl schon länger eingeschlichen, ist kein “Quantensprung”.
    BTW, das “Gene-Editing” halten einige für höchst missbrauchsanfällig, weil kaum gewusst, was getan wird, Sie ebenfalls, Herr Ernst Peter Fischer?

  2. #2 roel
    Juli 26, 2017

    Siehe auch https://scienceblogs.de/wissenschaftsfeuilleton/2017/04/25/die-manipulation-der-dna-und-der-gene/

    Selber Autor, selbes Thema, gleiche Aussagen.

    Vergleiche:
    “Wenn jemand seine harmlosen Sätze aufmotzen möchte, greift er oder sie gern zu modischen Begriffen aus der ansonsten verachteten Wissenschaft.”

    “Man hat nichts zu sagen und motzt sein Zeug durch Anleihen in der Wissenschaft auf”

    usw

    Da wird ein 3 Monate alter Text recycelt und etwas aufgefrischt.

  3. #3 Dr. Webbaer
    Juli 26, 2017

    @ Kommentatorenkollege ‘roel’ :

    Ab einem gewissen Alter lässt sich Redundanz nicht mehr gänzlich vermeiden.
    “Jungspunde” und Leutz, die primär in Nicht-Aussagen machen, sind von dieser Problematik also weniger bis gar nicht betroffen.

    Danke für den Hinweis :
    -> https://www.randomhouse.de/Buch/Treffen-sich-zwei-Gene/Ernst-Peter-Fischer/Siedler/e487297.rhd

    MFG + schöne Woche noch,
    Dr. Webbaer

  4. #4 RPGNo1
    Juli 26, 2017

    @roel
    Darf sich ein Wissenschaftler/Wissenschaftshistoriker auf seinem Blog nur einmal über ein spezielles Thema echauffieren und danach hat andächtige Stille zu herrschen? Sag das mal Florian Freistetter (Klima, VT), Cornelius Courts (Forensik, Religion) oder Joseph Kuhn (Homöopathie, Gender).

    @Ernst Peter Fischer
    Mir gefällt übrigens die Wortneuschöpfung “Genethiker”. 🙂

  5. #5 roel
    Juli 26, 2017

    @RPGNo1 “Darf sich ein Wissenschaftler/Wissenschaftshistoriker auf seinem Blog nur einmal über ein spezielles Thema echauffieren und danach hat andächtige Stille zu herrschen?”

    Nein, jeder Blogger darf das schreiben, was er will und es wiederholen sich auch die Themen genauso, wie sich die Kommentare und die Streitgespräche wiederholen. Ich habe auch nur von meinem Privileg, hier kommentieren zu dürfen, Gebrauch gemacht.

    Zur Wortneuschöpfung:
    https://www.google.de/search?client=firefox-b-ab&q=genethiker+-genetiker&oq=genethiker+-genetiker&gs_l=psy-ab.3…22492.25914.0.26123.11.11.0.0.0.0.104.869.10j1.11.0….0…1.1.64.psy-ab..0.2.198…0i13k1j0i13i30k1.3YSJKOl6NN0

  6. #6 Dr. Webbaer
    Juli 26, 2017

    @ Kommentatorenkollege ‘roel’ :

    Alles wiederholt sich, nur nie genau so.

    Ihr versuchter Nachweis, dass es sich bei ‘Genethiker’ um keine Wort-Neuschöpfung handelte, blieb irgendwie stecken, wird Ihnen abär gerne abgenommen.

    Nichtsdestotrotz scheint dem Schreiber dieser Zeilen Herr Ernst Peter Fischer zu denjenigen, originären, zu den Original Thikern sozusagen, zu gehören, denen jederzeit eine (auch gesellschaftlich relevante) Wort-Neuschöpfung zugetraut wird, von einigen.

    MFG + schöne Woche noch,
    Dr. Webbaer

  7. #7 RPGNo1
    Juli 26, 2017

    @Roel
    Na ja, dein Kommentar #2 hat einen Touch von “Stöhn! Muss die Wiederholung denn sein?” War eventuell nicht beabsichtigt, kommt aber so rüber.

    Dein Google-Link sieht mich übrigens ratlos. Was soll er mir sagen?

  8. #8 Dr. Webbaer
    Juli 26, 2017

    Upps :

    *
    Thi[n]kern

    Covfefe!

  9. #9 RPGNo1
    Juli 26, 2017

    Frage: Sind Genethiker vielleicht mit Energethikern verwandt? 🙂

  10. #10 roel
    Juli 26, 2017

    @RPGNo1 Das ist bei der Frequenze der Blogbeiträge, ziemlich schnell hintereinander und zeigt, dass dieses Thema für EPF wichtig ist.

    Der kaputte Link sollte zeigen, dass es dieses Wort sonst meistens nur als Rechtschreibfehler gab.

  11. #11 Dr. Webbaer
    Juli 26, 2017

    @ Kommentatorenkollege ‘roel’ :

    Yup, vielen Dank für die Klarstellung, Ihr Langzeit-Kommentatorenkollege -wie lang ist es her, zehn Jahre, zehn Jahre?!- bleibt Ihnen weiterhin dankbar Primär-Nachricht nicht mit Nebensachen (das Fachwort) zu belasten.

    Sofern Ihnen dies gelang.

    MFG + schöne Woche noch,
    Dr. Webbaer

  12. #12 RPGNo1
    Juli 26, 2017

    @roel
    Alles klar, damit ist für mich die Sache geklärt.

  13. #13 DH
    Juli 26, 2017

    Etwas übertrieben. Wieviele Begriffe aus allen möglichen Bereichen sind schon zweckentfremdet worden, ohne daß gleich die Welt untergeht?
    Ein sehr prominentes Beispiel der “Neoliberalismus”, der in seiner ursprünglichen Gebrauchsweise so ungefähr das Gegenteil dessen bedeutete, was er heute bedeutet.
    Sprache darf schon auch ein Eigenleben haben, wenn es dann um Themen geht, die sich mit dem tatsächlichen wissenschaftlichen Inhalt beschäftigen, kann immer noch auf Genauigkeit gepocht werden, und dann auch völlig zurecht.

  14. #14 Withold Ch.
    Juli 27, 2017

    Andererseits ist sprachlicher Ausdruck auch immer ein kreatives Sich Aneignen.

    Für viele alte Sprachbilder, Metaphern ist der Bezug verloren gegangen oder nicht mehr aktuell, nicht mehr opportun. Anstatt DNA wird ja immer auch noch von “Blut” gesprochen.

    Was hat es zB mit der “Aura” eines Menschen auf sich? Lufthauch, Ausstrahlung, Nimbus (Heiligenschein), Energiekörper, wer versteht das noch? Oder mit dem “Charisma” eines Menschen? Gnadengabe, Ausstrahlung. Mit ihrem religiösen Bezugsrahmen haben wir heutzutage Mühe.

    Deswegen ist es doch nur “natürlich”, wenn sich die Sprache auch dort bedient, wo gerade die “Post abgeht”, wissenschaftlich gesehen …

    Dass dabei von Fall zu Fall in der Sprachschöpfung etwas an präziser Darstellung des wissenschaftlichen Befundes “auf der Strecke bleibt”, ist hinzunehmen.

  15. #15 Dr. Webbaer
    Juli 27, 2017

    Deswegen ist es doch nur “natürlich”, wenn sich die Sprache auch dort bedient, wo gerade die “Post abgeht”, wissenschaftlich gesehen …

    Was einigen “natürlich” erscheint, muss nicht sprachlich so ausgelegt werden, muss nicht sprachlich so sein sollen.

    Die metaphorisch zunehmend sprachlich genutzte DNA meint Wesensmerkmale oder Wesens-Bestandteile eines Gegenstands oder Objekts.
    Die Kürze dieser Metaphorik macht sie “sexy”.
    (Und auch ‘sexy’ war hier metaphorisch-missbräuchlich verwendet.)

    MFG
    Dr. Webbaer

  16. […] Im Wissenschafts-Feuilleton gibt es einen Einwurf zur unkorrekten Verwendung des Abkürzung DNA (die im Deutschen ja eigentlich DNS heißt, von wegen Säure und so, oder?) in Medien, die es eigentlich besser wissen müssten. […]