1970 – lang, lang ist es her – da erschienen im eher literarisch angelegten Suhrkamp Verlag die ersten Bände einer Reihe, die “suhrkamp wissen” genannt wurde. Die Kleinschreibung galt damals so schick wie heute das Gendern, und das zweite wird so verschwinden wie das erste. In der Ankündigung von “suhrkamp wissen” konnte man lesen: “Schon heute [also 1970!] steht die Mehrheit der Menschen den Problemen der Naturwissenschaft verständnislos, ratlos gegenüber. Man spricht von einer Bildungskatastrophe”. Die Suhrkamp Reihe konnte sie nicht abwenden und ist sang- und klanglos untergegangen. Das ist zu bedauern, denn die Bildungskatastrophe bedrückt heute mehr als damals. Im Oktober 20121 hat die Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin eine Studie über das Thema “Wissenschaft für das Allgemeinwohl, die Wirtschaft oder die Politik” vorgestellt und offenbar gar nicht bemerkt, wie ungebildet man sich damit zeigte. In der von der Abteilung “Bildung und Wissenschaft” der Stiftung verschickten Einladung hieß es, “Wissenschaft ist für viele ein unbekanntes Terrain”, und die Menschen “wissen wenig darüber, wie sie funktioniert.”

Unglaublich! Fünfzig Jahre nach der Konstatierung der allgemeinen Bildungskatastrophe erweisen sich die für Bildung zuständigen Funktionäre als völlig ungebildet. Es sind die unbelehrbaren Dummen, die der Wissenschaft gerne vorwerfen, ihre Bringschuld nicht zu tilgen und in einem Elfenbeinturm zu verharren. Dazu möchte ich Gustave Flaubert zitieren: “Ich habe immer versucht, in einem Elfenbeinturm zu leben, aber ein Meer von Scheiße schlagt an seine Mauern, genug, um ihn zum Einsturz zu bringen.” Die naturwissenschaftlich ahnungslosen und desinteressierten Deppen halten genug Scheiße bereit, um dies zu erreichen. Es ist wirklich eine Bildungskatastrophe, und sie stinkt zum Himmel.

Kommentare (6)

  1. #1 hto
    Gemeinschaftseigentum
    Oktober 24, 2021

    In den Siebzigern wollten wachsende Teile der Wissenschaft konsequent und ohne Rücksicht auf systemische Verluste auf-/erklären, das hat Konservativen und Profitlern nicht sehr gemundet, also Ende dieser Geschichte!?

  2. #2 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    Oktober 25, 2021

    Dazu möchte ich Gustave Flaubert zitieren: “Ich habe immer versucht, in einem Elfenbeinturm zu leben, aber ein Meer von Scheiße schlagt an seine Mauern, genug, um ihn zum Einsturz zu bringen.”

    Ein bisschen Kontext hat noch nie geschadet:

    Surtout, Flaubert et Vigny ont tous deux voulu instituer la littérature en objet unique, indépendant du monde. «L’Esprit pur» de Vigny, la phrase infiniment retravaillée de Flaubert (comme, plus tard, l’ambition mallarméenne du «Livre») marquent une étape dans l’histoire de la modernité telle qu’on l’écrit aujourd’hui. L’un et l’autre inventent en outre chacun une version de la tour d’ivoire. «Il est même allé jusqu’à penser (“) qu’il n’y avait de refuge assuré que dans le culte persévérant et le commerce solitaire de l’idéal. Longtemps il s’est donc tenu à part sur sa colline, et, comme je le lui disais un jour, il est rentré avant midi dans sa tour d’ivoire», écrit Sainte-Beuve (à propos de Vigny, comme sa citation précédente, mais les deux s’appliqueraient aussi à Flaubert). «Je les fais moines sitôt qu’ils sont nés, et je les ai gardés longtemps dans leur couvent», écrit Vigny en 1843 pour expliquer qu’il ne publie pas ses poèmes (l’édition des Destinées sera posthume). Flaubert reprend à son compte l’idée de «tour d’ivoire» dont Sainte-Beuve faisait reproche à Vigny. Le ton est toutefois différent. A Ivan Tourgueneff, le 13 novembre 1872: «J’ai toujours tâché de vivre dans une tour d’ivoire. Mais une marée de merde en bat les murs, à les faire crouler.»

    https://www.liberation.fr/livres/1998/01/29/vigny-flaubert-le-facteur-sonne-toujours-deux-fois_544965/

  3. #3 echt?
    Oktober 25, 2021

    Was will uns der Autor mit diesem wirren Text sagen?

  4. #4 hto
    Gemeinschaftseigentum
    Oktober 25, 2021

    Dummheit / wettbewerbsbedingte Verkommenheit

    “Nicht Mangel an Geist, sondern ein Geist*, der sich ununterbrochen selbst gegenwärtig ist, eine Ausgeglichenheit gegen die nichts und niemand ankommt. Die Menschen reden, die Karawane zieht vorüber: Die Dummheit erkennt man an jenem ruhigen Fortschreiten eines Wesens, das Worte von aussen weder ablenken noch berühren können. Sie ist nicht das Gegenteil der Intelligenz, sondern jene Form der Intellektualität, die alles auf ihr eigenes Maß zurechtstutzt und jeden Anfang in einem vertrauten Vorgang auflöst. Der Dummheit ist nichts menschliches jemals fremd; die macht – über die Lächerlichkeit hinaus – ihre unerschütterliche Kraft und ihre mögliche Grausamkeit aus.” (Alain Finkielkraut)

    *Zeitgeist / Bewusstsein ??

    “Es war seit jeher den Epigonen vorbehalten, befruchtende Hypothesen des Meisters in starres Dogma zu verwandeln und satte Beruhigung zu finden, wo ein bahnbrechender Geist schöpferische Zweifel empfand.” (Rosa Luxemburg)

    Naja, Epigonen sind wohl schon systembedingt zu “Rosa’s Zeit” nicht mehr wirklich auf dem Parkett unterwegs gewesen!? 🙂

  5. #5 Dr. Webbaer
    Oktober 26, 2021

    Die durchgängig verwendete Kleinschreibung war mal eine Mode, hoffentlich wird das sog. Gendern ebenfalls in nicht ferner Zukunft ebenfalls so eingeschätzt, eben als Mode (Dr. Webbaer glaubt nicht daran) !

    Ein Problem für das (vergleichsweise) breit bereit stehende Unverständnis der Menge für naturwissenschaftliche Forschung besteht darin, dass das Falsifikationsprinzip, die Art und Weise, wie Evidenz erzeugt und idF bereit gestellt wird, sozusagen verdichtet wird, so dass am Ende sozusagen welche springen und sagen “A ist wegen B!” nur schwer verständlich ist, wenn auch offensichtlich richtig (“gerichtet”, methodisch, auch methodologisch).

    Vom Web haben sich einige versprochen, dass sich derartige Kenntnis gut verbreitet, sie sind (bisher) enttäuscht worden.

    Mit freundlichen Grüßen und danke für Ihr Engagement, Herr Ernst Peter Fischer

    Dr. Webaer

  6. #6 hto
    Gemeinschaftseigentum
    Oktober 26, 2021

    Das Schlimmste an der Bildungskatastrophe: Vernunft und Verantwortungsbewusstsein, das ist offenbar auch für die Gebildetesten fakt, sind nur in einem Zusammenleben mit wettbewerbsbedingter Symptomatik denkbar, was in der Konsequenz, bzw. angesichts der fachidiotischen Realität nur bedeuten kann, dass jede wissenschaftliche Bemühung um wirklich-wahrhaftige Ökologie nur ökonomischer Blöd-, Stumpf- und Wahnsinn sind.

    Seit Greta Thunberg lassen sich die sonst dem System entsprechend verstockten Wissenschaftler auch auf den doch sehr vom System gesteuerten Kampagnen-Populismus ein – Vielleicht weil sie nun eine Hoffnung auf Vernunft der “treuhänderischen Verantwortungsträger” haben, aber wohl eher nicht!?