“Ingenieure sind zu oft die stillen Helden, die müssten sich viel besser verkaufen,” findet Janette Kothe. Sie selbst hat die Sache mit der Imagepflege schon perfektioniert. Mit ihrem aufmerksamen Blick und ihrer klaren wie schlagfertigen Sprache könnte sie ebenso gut eine aufstrebende Regisseurin oder Deutschlands jüngste Galeristin sein – ist sie aber nicht. Janette studiert Mechatronik im siebten Semester.
Sie weiß, wie sie sich verkauft und auch ziemlich genau, was sie will. “Ich glaube, ich kann mir den Luxus erlauben und durchaus auch ein paar Ansprüche an meinen Arbeitgeber stellen,” antwortete die 23-jährige Studentin gestern bei der Eröffnungsfeier des VDE-Kongresses auf die Frage, wie sie ihre Berufseinstiegschancen einschätzt, als sie das YoungNet vorstellte. Im YoungNet, der Studentengruppe des VDE, engagiert sich Janette seit dem ersten Semester, ebenso wie momentan etwa 8.000 weitere Studenten in Deutschland. Mittlerweile ist sie Vorsitzende und erste Sprecherin des Netzwerks.
Vom Kunstgymnasium an die TU: Elektrotechnik als kreatives Berufsfeld
In insgesamt 60 Hochschulgruppen organisieren sich die zukünftigen Elektroingenieure, planen Workshops und helfen sich gegenseitig bei Problemen im Studium. Janette studiert an der TU Dresden – vor ein paar Jahren hätte sie über die Idee, an einer Technischen Universität zu studieren vermutlich laut gelacht. “Ich war auf einem Kunstgymnasium und bis zur 10. Klasse fest davon überzeugt, auch einen künstlerischen Beruf auszuüben,” erzählt sie heute. “Aber das war mir bald viel zu abgefahren. Damit kann man ja meistens kein Geld verdienen und überhaupt ist das Feld sehr unsicher. Mir fehlen dort auch feste Regeln.”
Schon damals engagierte sich Janette in der Schülervertretung. Ihr war klar, dass sie auch im Studium politisch in ihrem Fachbereich mitmischen wollte. Nachdem sie ihr Abitur mit den Leistungskursen Mathematik und Physik abschloss, entschied sie sich für ein, wie sie sagt, “sehr kreatives Studium”: Mechatronik.
“Wir können unseren späteren Beruf heute mehr mitgestalten als je zu vor. Nützliche Dinge zu erfinden macht aber eben nicht nur Spaß – was wir tun hat auch einen Nutzen für die Gesellschaft, und das ist ein schönes Gefühl,” findet Janette. Kreativ, aufgeschlossen, weiblich – das entspricht nicht gerade dem Clichée des Ingenieurs. Eine Problematik, mit der Janette sich als YoungNet-Sprecherin öfters auseinandersetzen muss.
Zu wenige Vorbilder im Kampf gegen überholte Clichées
“Es gibt leider nicht so viele gute Vorbilder für junge Ingenieure,” kritisiert Janette, die zugleich Mitglied im VDI ist, die gängigen Vorurteile. “Die Vorstellung, dass wir nur im stillen Kämmerlein vor uns hin tüfteln ist viel zu verbreitet. Dabei tragen Ingenieure so viel Verantwortung!” Ursächlich dafür, dass beispielsweise Juristen ein weitaus besseres Image als Ingenieure haben, ist ihrer Meinung nach deren geübteres Auftreten: “Ingenieure denken manchmal zu sehr in Fakten und hängen an ihrer naturwissenschaftlichen Sprache,” findet Janette. “Dabei sei das gar nicht nötig. Und doch wird dieses Clichée immer wieder von den Medien aufgegriffen – in “Feuchtgebiete” von Charlotte Roche etwa ist der Vater der Protagonistin ein inkonsequenter und introvertierter Typ. Und natürlich Ingenieur – nicht etwa Arzt, Lehrer oder Feuerwehrmann.
Janettes fachliches Steckenpferd hat dabei sehr wenig mit Langeweile und rumhocken zu tun. iPhones! Die Nintendo Wii! Mit sowas will sie arbeiten! Aber im Ernst: Ihren Schwerpunkt hat die Studentin bei der Sensortechnik gelegt. “Man kennt das eben beispielsweise aus der Wii,” erklärt sie. “Wenn ich die Fernbedienung kippe, wirkt sich das im Spiel aus. Solche Neigungssensoren sind aber nicht nur im Consumermarkt gefragt, sondern auch bei medizinischen Geräten oder in der Sicherheitstechnik – Airbags zum Beispiel können ausgelöst werden, wenn das Auto plötzlich kippt.” Spannend finde sie vor allem die Verknüpfung zwischen Technik und Naturwissenschaften: “In der Sensortechnik muss man Möglichkeiten finden, eine veränderte Spannung oder Neigung in Einsen und Nullen umzuwandeln und so die Daten zu verarbeiten.”
Ihre Empfehlung an die nachwachsenden Bachelor-Studenten: Möglichst viele Kongresse und Messen zu besuchen. Dort könne man am effektivsten Kontakte knüpfen und sich darüber klar werden, in welchem Bereich man am liebsten arbeiten würde. “Egal wie vollgestopft der Stundenplan ist: So viel Zeit wie im Studium hat man nie wieder. Und die Zeit muss man nutzen!” Neben dem Feuchtgebiete-Vater gäbe schließlich auch positive Beispiele von Ingenieuren: “Angus MacGyver ist doch der Prototyp des abenteuerlichen, coolen Ingenieurs – davon müsste es mehr geben!”
Letzte Kommentare