Die Möglichkeiten elektrische Energie einzusparen und die Anforderungen an die Stromnetze der Zukunft werden auf dem VDE-Kongress 2008 in mehreren Vorträgen und Workshops thematisiert. Prof. Dr.-Ing. Armin Schnettler, Leiter des Instituts für Hochspannungstechnik an der RWTH Aachen und seit Januar 2003 Vorstand der Forschungsgemeinschaft für elektrische Anlagen und Stromwirtschaft e.V. (FGH) hat uns eine Fragen zu diesen Themen beantwortet.

ScienceBlogs: Eine aktuelle Studie kommt zum Ergebnis, dass bis zum Jahr 2025 der Stromverbrauch in Deutschland um 40% gesenkt werden könnte, falls alle vorhandenen Technologiepotenziale genutzt werden. In welchen Bereichen bestehen aktuell die größten Einsparmöglichkeiten?

Ich kenne nicht die konkreten Ergebnisse der Studie die Sie zitieren, so dass ich das sehr hohe Ziel nicht direkt kommentieren, sondern die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung eher als sehr gering einschätze.

Besonders in der Beleuchtungstechnik bestehen deutliche Einsparpotenziale.

Besonders im industriellen Sektor (speziell der Antriebe) sowie in der Beleuchtungstechnik und der „weißen Ware” bestehen deutliche Einsparpotenziale im Stromverbrauch. Diese Potenziale sind systematisch zu nutzen, um den Verbrauch in diesen Bereichen deutlich zu senken. Es zeigt sich auch, dass durch verbrauchsnahe Stromerzeugung weiterhin die Netzverluste gesenkt werden können; diese Einsparpotenziale sind jedoch sehr gering.

Generell ist es falsch, den Fokus besonders auf die Reduktion des Stromverbrauchs zu richten. Wir erwarten eher (besonders aus ökologischen Gründen) einen Anstieg des Stromverbrauchs – dafür aber einhergehend mit einer überproportionalen Reduktion des GESAMTENERGIEVERBRAUCHS (siehe Ihre Frage 2). Es wird sich zeigen, dass der Einsatz von Wärmepumpen, dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung und der Elektromobilität den Stromverbrauch ansteigen lässt, da Strom andere Energieträger (Gas, Öl) verdrängt. Aufgrund der z.T. deutlich höheren Effizienz des Energieträgers Strom, z.B. bei Elektrofahrzeugen, ist dieses Szenario ökologisch sinnvoller.

Ist hier nicht auch die Politik gefragt, um ggf. rechtliche Rahmenbedingungen zu setzen und veraltete, ineffiziente Technologien zu verbieten?

Die Politik hat bereits in der Vergangenheit durch das Erneuerbare Energien Gesetz mit mehrfachen Modifikationen die Nachhaltigkeit wesentlich stimuliert. Aktuell sind erhebliche Stimulationseffekte hinsichtlich der Beleuchtung und des Stromverbrauchs der weißen Ware in der Diskussion. Wesentlich wichtiger erscheint jedoch die deutliche Reduktion des Wärmebedarfs in Privathaushalten und Gewerbe/Handel/Dienstleistung.

Da heute der Wärmebedarf immer noch etwa dem 3..4-fachen des Stromverbrauchs entspricht, muss dieser Aspekt deutlich stärker in den Vordergrund rücken. Damit können dezentrale KWK-Systeme und Wärmepumpen ihre ökologisch-wirtschaftlichen Vorteile ausspielen. Details hierzu werden u.a. auf der ETG-Fachtagung „Effiziente Energieversorgung – Chancen für Verteilungsnetze” herausgestellt.


Ein weiteres großes Thema betrifft die Stromnetze: Wie sehen die Elektrizitätsverteilungsnetze der Zukunft aus? Ist die vieldiskutierte Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) ein zukunftsweisendes Modell oder brauchen wir andere Netze, die den Anforderungen der kleinteiligen, dezentralen Energieerzeugung gerecht werden?

Energieversorgungsnetze der Zukunft werden noch stärker als bisher auf einer gesicherten Stromversorgung basieren. Hierzu benötigen wir ein sehr starkes Rückgrat, das durch die vorhandenen, aber verstärkten Höchstspannungsnetze in engem Zusammenspiel mit HGÜ-Systemen gebildet wird. Diese Netze sorgen dafür, dass überregional eine hohe Sicherheit der elektrischen Versorgung erreicht werden kann.

Die Bedeutung der dezentralen Energie(Strom-)Bereitstellung wird weiter zunehmen. Und Elektromobilität wird künftig eine größere Rolle spielen.

Zusätzlich wird die dezentrale Energie(Strom-)Bereitstellung weiter deutlich zunehmen. Hier werden sich insbesondere PV-Anlagen (aufgrund der – zu hohen – Subventionierung) und die Kraft-Wärme-Kopplung durchsetzen. KWK – Anlagen als Kleinstanlagen geben wir ökologisch-wirtschaftlich jedoch keine langfristigen Chancen, da KWK – Systeme mit einer Nahwärmeversorgung (z.B. von Straßenzügen etc.) deutliche ökologische und wirtschaftliche Vorteile aufweisen.

Interessant sind besonders die aktuellen Szenarien und Entwicklungen der Elektromobilität (wir erwarten in DE bis zu 4 Mio. Elektrofahrzeuge im Jahr 2020). Damit wird eine höhere Effizienz (im Sinne einer gesamten Energieversorgung) erreicht. Zudem können die Elektrofahrzeuge einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Netzstabilität im Fehlerfall leisten.

Vielen Dank für das Gespräch.