Die Auslegung technischer Systeme ist eine Frage der Abwägung von Kosten, Ausfall-Risiko und erwartetem Schaden beim Ausfall des Systems. Das gilt auch für Klimaanlagen in Schnellzügen der Bahn. Diese funktionieren, so berichten die Rundfunkstationen heute, bis zu Außentemperaturen von 30°C problemlos. Steigt die Temperatur darüber hinaus, kommt es zu Ausfällen, wie hunderte Reisende am Wochenende erleben mussten. In den veralteten Zügen der InterCity-Flotte, das kann ich aus eigener Erfahrung berichten, fallen die Klimaanlagen (das Wort ist für die Geräte, deren Tätigkeit man fast ausschließlich am Geräusch feststellt, ein Euphemismus) bei fast jeder Temperatur aus, aber bleiben wir beim ICE.
Umso sicherer ein technisches Gerät funktioniert, desto weniger ist man auf seinen Ausfall vorbereitet. 30°C werden in Deutschland nur an wenigen Tagen des Jahres überschritten – statistisch gesehen. Da die Bahn vor allem wegen Verspätungen in der öffentlichen Kritik steht und nicht wegen ausfallender Klimageräte, scheint die Einhaltung des Fahrplans oberste Priorität zu haben.Das erinnert an die Titanic: In einem als sicher angenommenen technischen Meisterwerk kann man auch unter ungünstigen Bedingungen Vollgas fahren. Dass in einem Zug, in dem keine Fenster geöffnet werden können, derweil das Leben der Passagiere riskiert wird, ist offenbar nebensächlich.
Technische Verbesserungen an den Klimaanlagen werden das Risiko eines Ausfalls senken – und die Fahrlässigkeit in Risiko-Situationen erhöhen. Die Frage ist doch nicht, warum die Technik ausgefallen ist – das kann, da sie von Menschen gemacht ist, immer passieren. Die Frage ist doch, warum niemand auf die Idee kam, den Zug zu stoppen, warum man in Titanic-Stimmung in die Katastrophe gerast ist.
Denn der Katastrophe ist die Bahn hier nur durch Glück entkommen. Statt einer Schulklasse hätte auch eine Ausflugsgruppe von herzkranken Rentnern im Zug sitzen können. Ein Zug dieser Art darf, wenn bei Außentemperaturen von mehr als 30°C und brennender Sonne die Klimatisierung versagt, seine Fahrt nicht fortsetzen.
Natürlich soll man von der Bahn fordern, Ihre Technik besser zu warten, und in das sichere Funktionieren aller Komponenten zu gewährleisten. Aber vor allem darf der gesunde Menschenverstand nicht dem Fahrplan geopfert werden. Das gilt nicht nur für das Personal der Bahn, sondern auch für die Passagiere. Im Zweifel ist es besser, ein paar Stunden später am Ziel und gesund zu sein, als pünktlich aber krankenhausreif. Und dass die Wasser-Reserven im Bordbistro zur Neige gehen, ist an Hitzetagen ebenfalls nicht überraschend. Besser als über die schlechte Vorbereitung der Bahn auf Extremfälle zu klagen ist es, sich selbst besser vorzubereiten. dafür, dass ich unterwegs nicht verdurste, kann ich immer noch selbst am besten sorgen. Die Bahn ist zwar für vieles verantwortlich, aber sie ist kein Kindergarten.
Kommentare (24)