Bevor ich Ende April 2009 mit den Arte-Fakten begann, hatte ich schon ein paar Kommentare bei ScienceBlogs geschrieben, und eine gewisse Ablehnung meiner Gedanken war bereits deutlich geworden. Ich hatte mich trotzdem zu diesem Projekt entschlossen, oder eigentlich – gerade deswegen. Es müsste, so dachte ich – doch möglich sein, an diesem Ort, wo so viele wissenschaftsinteressierte Schreiber und Leser zusammenkommen, doch möglich sein, eine Kommunikation über die Grundlagen, die Voraussetzungen und die Auswirkungen des wissenschaftlichen Denkens in Gang zu bringen. Eine Kommunikation, die die Zulässigkeit anderer Schlussfolgerungen als denen, die man selbst bisher für selbstverständlich hielt, anerkennt.
Mir war klar, dass das nicht leicht werden würde, zumal ich nie die Neigung verspürt habe, meinen Standpunkt diplomatisch oder taktisch klug vorzutragen. Ich hielt es immer für besser, die Stellen, an denen die Meinungen aufeinanderprallen können, zu schärfen als dass sie durch Polsterung und Glättung ihre Konturen verlieren oder unsichtbar werden.
Was ich allerdings nicht für möglich hielt, war, dass man mich für einen Feind der Wissenschaft halten könnte. Ich habe aus meiner Begeisterung für die großen Erfolge der Wissenschaften nie ein Geheimnis gemacht. Gerade aus einer Begeisterung, einer großen Zuneigung heraus erwächst ja oft die Sorge, dass sich das geliebte Wesen selbst zerstören könnte. Was die Wissenschaft betrifft, gibt es genügend Grund zur Sorge: Wie jede andere Institution entwickelt sie Tendenzen zur Erstarrung, zum Beharren, zur Machtausübung oder (zum Zwecke der Selbsterhaltung) zu Bündnissen mit Machthabern, die wiederum dieses Bündnis zu eigenen Zwecken ge- oder missbrauchen. Ob die Lebenskräfte der wissenschaftlichen Methode immer stark genug sind, diesen Tendenzen der Beharrung, Erstarrung, Selbstverleugnung und -täuschung zu widerstehen, ob es nicht vielmehr durch die Verstrickung mit Technologie und Politik sogar zu einer Lähmung des Organismus kommt, sodass ursprüngliche Ziel der Suche nach Wahrheit unmerklich ganz aufgegeben wird, ist gerade heute völlig ungewiss. Wer die Wissenschaft wirklich liebt, darf vor den erschütternden Konsequenzen dieser Eigendynamik nicht die Augen verschießen, darf die offensichtlichen Probleme nicht als nebensächliche Oberflächenphänomene abtun, die dem gesunden lebenden Wesen im Kern nichts anhaben können.
Ich hatte monatelang geglaubt, dass eine solche Kommunikation durch Beharrlichkeit und Geduld bei allen Beteiligten irgendwann zustande kommen würde. Dabei war mir bewusst, dass ich eine andere Sprache spreche als die, mit denen ich zu sprechen versuche, auch wenn ich die gleichen Worte verwende. Jeder weiß, dass man in unterschiedlichen Sprachen der Wahrheit auf verschiedene Weise näher kommen kann und dass man sogar unterschiedliche sprachliche Mittel braucht, um die Komplexität einer Wahrheit überhaupt in den Blick zu bekommen. Durch das beharrliche Aufklären von Missverständnissen, durch Umschreibungen und Umkreisungen, so dachte ich, würde Stück für Stück ein gemeinsamer Sprach-Raum entstehen, indem eine Verständigung ohne Kompromisse möglich werden würde. (Ich habe heute versucht, meine Vorstellungen von einer solchen Kommunikation in meinem persönlichen Blog darzustellen.)
Dass diese Idee scheitern würde, deutete sich zum ersten Mal an, als der Versuch, Missverständnisse zu benennen und auszuräumen als „Unbelehrbarkeit” oder als „Ausweichen” interpretiert wurde. Immer, wenn man mir einen Fehler nachweisen würde, so wurde argumentiert, würde ich behaupten, ich hätte „das alles ja nicht so gemeint”.
Andererseits entwickelten sich bei Arte-Fakten immer wieder interessante Diskussionen und so war ich lange Zeit der Überzeugung, dass im Laufe eines langen Prozesses eine Verständigung möglich werden würde. Ich selbst würde lernen, mich besser verständlich zu machen und mit überraschenden Deutungen sicherer umzugehen, der gemeinsame Kommunikationsraum mit denen, die an meinen Gedanken interessiert waren, würde größer werden.
Ich möchte allen danken, die sich immer wieder auf Diskussionen mit mir eingelassen haben, vor allem denen, denen meine Gedanken besonders fremd waren, die aber trotzdem immer wieder das Gespräch aufnahmen. Der Blog-Artikel ist ja nur ein Gesprächsangebot, der Dialog beginnt mit dem Kommentar. Auch ich habe, genau wie georg es gestern in seinem Kommentar geschrieben hat, durch diese Gespräche über vieles genauer nachgedacht und eine Menge gelernt.
In den letzten Wochen zeigte sich jedoch, dass die Grenzbefestigungen nicht geschliffen wurden, sondern dass die Mauern eher größer wurden, und dass vor allem in Richtung zu anderen ScienceBloggern. Die Kommentare zu meinen Artikeln seit Mitte August zeigten zweierlei: Einerseits, dass das Bild, welches bei diesen Autoren von mir inzwischen entstanden war, so verfestigt war, dass in jedem Artikel nur noch „zwischen den Zeilen” der „wissenschaftsfeindliche Grundtenor” gelesen werden konnte. Andererseits – und das wiegt noch schwerer – wiesen ScienceBlogger, darauf hin, dass ihnen durch Arte-Fakten und den Unsinn, den ich ihrer Meinung nach schrieb, selbst der Spaß am Bloggen vergeht. Ein Blog-Netzwerk lebt natürlich davon, dass sich Blogger gegenseitig anregen, wenn sie sich gegenseitig in die Schreib-Blockade treiben, führt das die Idee der gemeinsamen Plattform ad absurdum.
Hinzu kommen Diskussionen der letzten Tage, die hier nicht sichtbar sind und über die ich hier nicht berichten werde, die mir zeigten, dass ich gescheitert bin mit dem Ansatz, den ich mit Arte-Fakten verfolgt habe. Jedes solches Scheitern fügt auch der Idee, die man verfolgt hat, einen Schaden zu. Es wäre besser gewesen, jemand anders, der eine ähnliche Idee mit besseren Fähigkeiten verfolgt hätte, wäre zu ScienceBlogs gekommen. Dann wäre eine Kommunikation zu den Fragen, die ich noch immer für wichtig halte, vielleicht nicht gescheitert. Ich hoffe, dass das noch einmal möglich wird.
Auf meinem persönlichen Blog werde ich in den nächsten Wochen versuchen, auch dieses Scheitern aufzuarbeiten. Wer mich da kritisch begleiten will, ist herzlich eingeladen.
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