Letzte Woche hat Florian sich Gedanken zur Flachen Erde und vor allem den Vertretern dieser doch etwas in die Jahre gekommenen Vorstellung, wir lebten nicht auf einer Kugel, sondern einer wie auch immer geformten flachen Scheibe gemacht. Es ist schon erstaunlich, dass auch in 2017 noch Menschen davon überzeugt sind. Es ist noch viel erstaunlicher, wie viel Zeit und Energie so mancher darauf verwendet. Die Flache Erde ist aber eigentlich nur was für Anfänger – da draußen gibt es noch interessantere Ideen: Die Erde ist nämlich nicht einfach nur flach, sie ist konkav! Ja, richtig gelesen – wir befinden uns nicht auf der Außen-, sondern der Innenseite einer Kugel. Wir leben in der Hohlen Erde.
Die Idee ist nicht ganz so alte wie die Flache Erde, aber es hat ja auch eine Weile gedauert, bis die Menschen überhaupt die grundsätzliche Form unserer Heimatwelt enträtselt hatten. Und sehr lange war ja gar nicht klar, was diese komischen Lichter am Himmel sind oder wie die Erde von oben wirklich aussieht. Für eine gewisse Zeit mag der Innenweltkosmos sogar nicht unplausibler gewesen sein, als die anderen Weltbilder. Genies haben für ihn argumentiert.
Richtig rechnen reicht nicht
Der vielleicht interessanteste Aspekt der Hohle-Welt-Lehre ist, dass im Gegensatz z.B. zur Flachen Erde mit den Beobachtungen konsistente mathematische Beschreibungen unserer Welt und was sich drin bewegt möglich sind. Gerade weil in der Innenweltkugel nur sprichwörtlich “die Seiten vertauscht” sind, von der aus wir das Weltall betrachten. Das ist doch mal interessant – und ein schönes Beispiel dafür, dass Naturwissenschaft eben mehr heißt, also Formeln suchen und Werte einsetzen. Dass sich das so rechnen lässt, als lebten wir in einer Innenwelt heißt nicht, dass die beiden Weltbilder nicht unterscheidbar wären – es verdeutlicht aber, dass Naturgesetze auf viele Arten ausgedrückt werden können.
Wenn man eine Hypothese anbietet, dann sollte man idealerweise nicht nur den richtigen mathematischen Formalismus anbieten, sondern auch einen Mechanismus, der die Beobachtungen erklärt. Den nennen wir dann üblicherweise Naturgesetz. Wenn man nichts weniger als die ganze Welt ganz anders als üblich erklären will, dann muss man nichts weniger als alle bekannten Naturgesetze ganz anders als üblich formulieren. Und an dieser Stelle hakt auch die mathematisch korrekte Version der Hohle-Welt-Lehre gewaltig.
Zum Beispiel müsste man annehmen, dass sich die Länge eines Stabes, der Senkrecht auf der Weltachse steht ändert, wenn er entlang der Weltachse bewegt wird, sich also sein Abstand zum Zentrum ändert. Das muss so sein, denn sonst wären z.B. die Existenz des Mondes und der Sonne, die ja schon von menschengemachten Sonden besucht wurden mit ihrer beobachteten Größe, in einer Kugel von gerade mal 6.370 km Radius nicht erklärbar. Allerdings wäre diese Längenänderung nur von einem Gott, der die Welt von außen, im Sinne Kants die Welt an sich sieht, feststellbar. Ein Innenweltler würde davon nichts merken, weil ja auch alle seine Maßstäbe und Messgeräte der Änderung unterworfen sind.
Dito die Lichtgeschwindigkeit: Ein Licht- oder Funksignal, das in Richtung Zentrum geschickt wird, muss in Bezug auf den Beobachter auf der Erde seine Geschwindigkeit anpassen, denn sonst hätte es die Kugel in rund 40 ms durchquert. Das ist nicht das, was wir beobachten.
Diese Beispiele sollen den interessanten Fall verdeutlichen, dass man wunderbar rechnen kann, ohne zu physikalisch sinnvollen, d.h. überprüfbaren Ergebnissen zu kommen. Und ohne erklären zu müssen, was eigentlich die Ursache der Beobachtung ist. Wenn man die Behauptung aufstellt, dass Strecken oder die Lichtgeschwindigkeit sich in Abhängigkeit vom Abstand zum Zentrum ändern, dann muss man das mit sehr guten Argumenten untermauern. Vor über Hundert Jahren hat schon mal jemand etwas ähnlich exotisches behauptet, nämlich, die Vakuumlichtgeschwindigkeit sei in allen Bezugssystemen gleich. Er hatte zu seiner Zeit (und seine Nachfolger haben heute immer noch) immer wieder Probleme, diese Behauptung zu verteidigen. Aber er konnte es eben und wurde durch Beobachtungen unterstützt. Deswegen hat er sich auch durchgesetzt. Die Innenweltler sind davon noch weit entfernt. Sie haben keinen Einstein in ihren Reihen.
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